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Aus Freiheit statt Angst!

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Jährlich lädt die niedersächsische FDP zum Neujahrsempfang im großen Stil ein.

Auch in 2011 trafen sich im Kuppelsaal der Eilenriedehalle Hannover eine Menge an Menschen aus Politik und öffentlichem Leben sowie zahlreiche FDP-Mitglieder.

Diese Gelegenheit haben wir vom AK Vorrat Hannover schon 2009 (stummer Protest) als auch 2010 (Flyer-Verteilen) genutzt, um der FDP gut gemeinte Ratschläge für das noch frische Jahr mit auf dem Weg zu geben.

So nahm auch am 16.1.2011 ein Mensch von unserer Gruppe wieder teil.

Hier ist sein Bericht.

Inhaltsverzeichnis

Vorspiel

Die Veranstaltung begann um 11 Uhr, ab 9:30 war Einlass. Man musste beim Abholen seines Namensschildes seinen Personalausweis vorzeigen und ohne Taschen konnte man dann den von Sicherheitleuten flankierten Eingang passieren. Drinnen habe ich den selben Platz wie vor zwei Jahren eingenommen (Ballustrade oben, vom Redner aus gesehen links ganz vorne).

Sitzposition im Saal

Dort hatte ich dann genug zeit, die Gästeliste durchzusehen und das Plakat mit hilfe einiger Tesafilmstreifen so zusammenzufügen, dass es "einsatzbereit" war (auseinandergefaltet dann ca. 130x40 cm groß).

Das Plakat bei der Heim-Vorbereitung


Das Plakat, teil-vorverklebt und gefaltet und damit verdeckt transportierbar

Die Gästeliste umfasste 1334 Leute (inklusive aller anwesenden Politiker) und dem Durchzählen der Stuhlreihen zufolge würde ich sagen, dass gut 1000 Menschen den Weg in die Eilenriedehalle auf sich genommen haben.

Bis zum Beginn der Veranstaltung wurde eine Art Diashow auf die Leinwand projeziert. Bei einem Bild musste ich etwas stutzen: Es sah so aus, als übten sich hochrangige FDP-Politiker am Schottern von Gleisanlagen...

FDP-Mitglieder üben das Schottern?

Hauptakt Teil 1/2

Nach einigen einleitenden Worten (und ellenlangen Begrüssungstiraden an alle VIP's) sprach als erstes Christian Dürr, der parlamentarische Geschäftsführer der nds. FDP ca. 23 Minuten lang.

Christian Dürr

Einige seiner Statements:

Zitate Christian Dürr

"... die einen sind für Kommunismus, die anderen sind immer dagegen."

"ich weiss, dass herr Ehlen über jeden Zweifel erheben ist." (zum Thema Dioxin-Skandal und die Aigner-Kritik)

Das Entstehen des 'Wutbürgertums' führte er hauptsächlich auf viel zu lange, Generationen dauernde Planungsverfahren und formulierte daraus die Forderung nach drastisch verkürzten Planungsfeststellungsverfahren

"die Bürger sind durchaus bereit, die Verantwortung an Politiker abzugeben"

"nur einfach mehr Bürgerbeteiligungen zu fordern," führt zu enttäuschenden Ergebnissen (sinngemäß)

"eine Konsensgesellschaft wird ganz schnell zur Konkursgesellschaft"

"Demokratie wird von Bürgern gemacht"

...und das Motto der fdp dieses tages: "Ihre Freiheit - unser Auftrag"


Hauptakt Teil 2/2

Danach kam Herr Westerwelle ans Rednerpult.

Guido Westerwelle

Ich hatte mir vorgenommen, mit dem Zeigen meines Plakates erst dann zu beginnen, wenn er inhaltlich auf das Thema Bürgerrechte kommen würde.

Bis dahin auch einige Statements von Herrn Westerwelle:

Zitate Guido Westerwelle Teil 1

"ein Sozialstaat ist dann gerecht, wenn er den wirklich Bedürftigen hilft und nicht die überfordert," die das finanzieren müssen (sinngemäß)

Ziel ist ein "aktivierender Sozialstaat"

Weiterer Ablauf

Nachdem Herr Westerwelle gut 15 Minuten über Geld, Steuern, Mittelstand und Hartz-IV-leistungen geredet hatte, bekam ich es mit der Angst zu tun, dass er das Thema Bürgerrechte gar nicht mehr ansprechen könnte (ich wusste nicht, wie lange er noch reden wollte): ich nahm mir also mein kleines Herz, entfaltete das Plakat in einem Moment, als er in meine Richtung schaute und hielt es vor die Ballustrade.

Was passierte?

Herr Westerwelle fuhr, obwohl er das Plakat bemerkte, zunächst unbeeindruckt mit der Rede fort. Ein Sicherheitsmensch kam innerhalb weniger Sekunden zu mir und versuchte, mir das Plakat zu entreissen. Ich habe mich gewehrt, mein Plakat festgehalten und gesagt, dass ich das Plakat weiter zeigen wolle. Der Sicherheitsmensch zerrte weiter an dem Plakat, so dass es zerknüllte und zerriss. Ich liess es nicht locker und betonte, dass ich nicht gehen werde, es sei denn, sie würden mir ein Hausverbot erteilen. Nach mehrmaligem Nachfragen (inzwischen schauten wohl ziemlich viele - wenn nicht alle - Gäste mehr auf dieses Schauspiel denn auf Herrn Westerwelle) bestätigten sie mir dieses Verbot schließlich. Ich sagte, dass ich dann gehen wolle. Sie liessen locker, ich packte meine Sachen zusammen.

In diesem Moment wandte sich Herr Westerwelle uns zu und sagte: "Lassen sie es ruhig hängen. Zeigen sie es ruhig."

Die Sicherheitsleute liessen das Plakat los, ich konnte es etwas entknüllen und erneut hinhalten, was zu einigem Gelächter aus dem Publikum führte.

Herr Westerwelle fragte: "Was steht da drauf?"

Aus der Menge raunte jemand: "Vorratsdatenspeicherung."

Westerwelle: "Da komme ich auch noch drauf."

Danach fuhr Herr Westerwelle mit einem kleinen Schwank aus seiner Jugendzeit fort (davon berichte ich gleich noch). Ich konnte derweil für gefühlte 10-15 Sekunden das Plakat weiter zeigen, bis wieder zwei "Lecurity"-leute zu mir kamen und sagten, dass sie Anordnung bekommen hätten, mir das Plakat wegzunehmen. Das taten sie dann auch unter Zuhilfenahme von etwas, was das Wort "Handgreiflichkeit" wortwörtlich ausdrückt: einer der Menschen drückte mir meine linke Hand zu und ich zeigte zu wenig Willen, mir das Plakat nicht wegnehmen zu lassen. Immerhin sagte ich noch, dass ich mein Plakat denn gerne wiederhaben möchte. Ich könne es am Haupteingang abholen, hieß es dann.

Ich habe die Veranstaltung mit meinem Audiorekorder aufgenommen. Daher kann ich (in etwa und lückenhaft) rekonstruieren, was Herr Westerwelle währenddessen und kurz danach erzählte:

Guido Westerwelles Äußerungen während des "Plakat-Vorfalls"

Ich freue mich, "dass ich immer wieder auf meine Fans anziehe. (...) dann meistens von linken gruppen, von linksaußen, liberale Veranstaltungen zu beeinträchtigen (...) mich hat das erinnert an meine Zeiten, als ich an Jungdemokrat ehrenamtlich Politik gemacht habe. (...) es wäre für uns Jungliberale völlig undenkbar gewesen, dass wir uns damals ein einen Saal gestellt hätten bei einem demokratischen Mitwettbewerber und hätten versucht da unsere Spirentien zu machen weil die nach einer anderen Devise leben weil ihre Meinung ist das völlige Gegenteil von der meinigen (...) [darauf Applaus im Kuppelsaal]."

Ich entnehme dem, dass mich Herr Westerwelle damit in eine Ecke einsortiert und geschubladet hat, der ich mich (subjektiv) nicht zugehörige fühle. Weder bin ich ein Fan seiner Person oder seines Politikstils noch betrachte ich mich als "links oder linksaußen", was immer das sein soll. Ich kann nur vermuten, dass er nicht gelesen hat, was auf dem Plakat stand und dass es sich eigentlich um ureigenste liberale Standpunkte handelt. Nun ja.

Ich habe also der Rede von Herrn Westerwelle weiter zugehört. Er hat es ab diesem Zeitpunkt stringent vermieden, in die Richtung meiner Sitzposition zu sehen. Das war vor dem Vorfall deutlich anders.

Mein Sitznachbar, ein Vertreter einer großen niedersächsischen Versicherungsgruppe, der sich zuvor durchaus kritisch gegenüber der FDP und der Politik von Herrn Westerwelle geäußert hatte, war nun wie umgedreht. Immerhin: er sprach noch mit mir. Immer wieder sprach er mich kurz an und fand bewundernde Worte zur Einstellung und zur Rede von Herrn Westerwelle. Das waren so Sachen wie: "Ja richtig - das ist doch eine faule Bevölkerung hier in Deutschland."

Hier noch einige weitere Äußerungen von Herrn Westerwelle:

Zitate Guido Westerwelle Teil 2

"das ist mein persönlicher christlicher Kompass" (zum Thema, wie mit Hartz-IV-Bezügen umzugehen sei)

"den Vorwurf der Klientelpolitik kann ich nicht nachvollziehen" (mehrfach geäußert)

"gute Bildungspolitik fördert und fordert, wie wir alle hier wissen"

"1000 neue Paragraphen helfen nichts, wenn es am Ende an Polizisten mangelt. (...) es gibt ein Vollzugsdefizit." (zum Thema innere Sicherheit)

lobt die Politik des Bundesgesundheitsministers Rösler

"wenn wir unseren Wohlstand halten wollen ... dann können wir uns eines nicht erlauben: keine ich-bin-immer-dagegen-Politik"

"es ist die mentale Standortfähigkeit, die wir nötig haben"

"Aussteiger sind Absteiger, nur Einsteiger sind Aufsteiger"

"lasst uns ein Volk sein, dass sich auf die Zukunft freut"

"Systeme, die ihre Bürger bevormunden, werden in Zukunft nicht bestehen können"

wir stehen vor einem "Wettbewerb der Geisteshaltung" (diesen Satz hat sich mein Sitznachbar gleich notiert, den fand er gut)

Die Rede Westerwelles endete nach 53 Minuten. Von diesen 53 Minuten hat er sich ganze 2 Minuten dem Thema Bürgerrechte bzw. Datenschutz gewidmnet.

Nachspiel

Nach der Rede Westerwelles, die mit viel Applaus bedacht worden ist, sollte eine Unterhaltungseinlage mit "Günther, dem Treckerfahrer" folgen. Das wollte ich mir nicht unbedingt antun und bin deswegen an dieser Stelle gegangen.

Am Ausgang habe ich nach meinem Plakat gefragt. Einer der Sicherheitsmenschen ging dann kurz weg und brachte es mir. Ich habe mich bedankt, aber keine Antwort darauf erhalten.

Draußen vor der Eilenriedehalle standen zwei Leute und rauchten bzw. vertraten sich die Beine. Der jüngere der beiden sprach mich an und fragte mich, ob er das Plakat noch einmal sehen könne - er habe es so schnell nicht entziffern können. Das tat ich gerne und sagte "Na wenigstens einer, der sich dafür interessiert." Da meinte er zu mir: "Mich hat man hierhin auch nur mitgeschleppt." Auch der andere Mensch fragte, ob er sich das in Ruhe noch einmal ansehen könne.

Plakat nach dem Einsatz im Kuppelsaal

Danach habe ich mein Plakat noch an einem Stromkasten gelassen, an dem die FDP-Besucher beim Verlassen des Gebäudes vorbeigehen mussten. Vielleicht hatte ja noch der eine oder andere ebenfalls Interesse am lesen unserer Botschaft ...

Recycling des Plakats

Fazit

Es ist schon bitter, dass Herr Westerwelle so unsouverän mit mir umgegangen ist, trotzdem ich die Regeln unseres stummen Protestes befolgt habe: kein Lärm, kein Geschrei und Positionierung der Botschaft in einer Art und Weise, dass niemand anderes dadurch in seiner Sicht oder anderswie behindert wird.

Wie geschrieben: Ich kann es mir nur erklären, dass er nicht wirklich zur Kenntnis genommen hat, was wir auf dem Plakat fordern. Denn das sind Dinge, die eigentlich jedem wirklich "liberal" denkenden Menschen wichtig sind.

Andererseits: "Unserem" Thema nur 2 von 53 Minuten Redezeit zu geben und dann noch ziemlich am Ende der Rede ist auch ein klares Signal. Die Bürgerrechte scheinen nicht gerade die Herzensangelegenheit von Herrn Westerwelle zu sein.

Deswegen: Aufpassen und nicht unterkriegen lassen! :)

Transkription der Äußerungen Westerwelles zur Vorratsdatenspeicherung

Wir haben eine aktuelle Debatte, und ich vermute darauf bezog sich das Plakat, dass da gezeigt worden ist, über die Frage der Datensammelleidenschaft des Staates, wie weit darf die gehen und ab wann wird die maßlos.

Da gibt es in Deutschland eine Debatte nach dem Motto: je mehr Daten gesammelt werden, um so sicherer ist nachher der Staat.

Wir müssen feststellen, dass wenn zu viele Daten gesammelt werden, dass man das Wichtige vom Unwichtigen nicht mehr unterscheiden kann. Dann hat man wegen einer Informationsflut das wirkliche Wichtige dann übersehen.

Es gibt lauter Beispiele aus dem Zusammenhang der inneren Sicherheit, wo ... gegeben hat, z.B. wo ... nichts geschehen ist, weil die wichtigen von den unwichtigen Daten nicht unterscheiden konnte.

Und deswegen geht es beim Thema innere Sicherheit um die Frage, dass wir Rechtssicherheit haben und nicht jeden Bürger ohne Anlaß unter Generalverdacht stellen.

Sondern dass wir mit Anlaß, mit Vernunft mit Maß und Mitte Daten sammeln, um die Sicherheit zu vergrößern.

Im Übrigen ... da bin ich fest von überzeugt nach all den Jahren:

1000 neue Paragraphen helfen nicht, wenn es am Schluß an Polizisten fehlt. Vollzug ist das Entscheidende. (...) Es gibt in Deutschland vor allem ein Vollzugsdefizit und es gibt kein Gesetzesdefizit. Mehr die Gesetze umsetzen und nicht zu glauben mit neuen Gesetzen sei die Sicherheit schon da - das ist unsere Devise.

Hier als mp3-Datei zum Nachhören.

Update

War Herr Westerwelle am Sonntag mittag (angeblich) noch klar gegen die Vorratsdatenspeicherung eingestellt, so wurde nur wenige Stunden später bekannt, dass sich Frau Leutheuser-Schnarrenberger für eine Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen einsetzen wolle.

Das widerspricht allem, was Herr Westerwelle bei reichlichem Applaus im hannoverschen Kuppelsaal in großen und lauten Worten betont hatte ...

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