Übersetzung/English/Pros and cons

Aus Freiheit statt Angst!

Wechseln zu: Navigation, Suche

Please help to translate our arguments for free communication! Some of the arguments have already been translated, but others are missing.

Inhaltsverzeichnis

The data retention bill is in conformity with the constitution

Wrong. The introduction of data retention in Germany violates the fundamental constitutional rights of the citizens concerned as well as the associated decisions of the Federal Constitutional Court.

Dies gilt zum einen für das vom Bundesverfassungsgericht ausgesprochene "außerhalb statistischer Zwecke bestehende strikte Verbot der Sammlung personenbezogener Daten auf Vorrat".

Im dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 04.04.2006 heißt es weiter: "Selbst bei höchstem Gewicht der drohenden Rechtsgutbeeinträchtigung kann auf das Erfordernis einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit nicht verzichtet werden." "Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit führt dazu, dass der Gesetzgeber intensive Grundrechtseingriffe erst von bestimmten Verdachts- oder Gefahrenstufen an vorsehen darf [...] Verzichtet der Gesetzgeber auf begrenzende Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Gefahreneintritts sowie an die Nähe der Betroffenen zur abzuwehrenden Bedrohung und sieht er gleichwohl eine Befugnis zu Eingriffen von erheblichem Gewicht vor, genügt dies dem Verfassungsrecht nicht."

Eine Vorratsdatenspeicherung verzichtet auf jeden Verdachtsgrad und auf jede Nähe der Betroffenen zu den aufzuklärenden Straftaten, stellt gleichzeitig aber einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff dar, weil sensible Daten über das Kommunikationsverhalten der gesamten Bevölkerung gesammelt werden. Dies ist mit dem Verfassungsrecht unvereinbar.

In einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12.03.2003 heißt es: "Insofern genügt es verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht, dass die Erfassung der Verbindungsdaten allgemein der Strafverfolgung dient. Vorausgesetzt sind vielmehr eine Straftat von erheblicher Bedeutung, ein konkreter Tatverdacht und eine hinreichend sichere Tatsachenbasis".

Mit diesen Vorgaben steht die beabsichtigte Vorratsdatenspeicherung im evidenten Widerspruch. Mit der Vorratsdatenspeicherung ordnet der Staat eine Erfassung und Vorhaltung von Verbindungsdaten an, die nur allgemein der Strafverfolgung dienen soll, aber keinen konkreten Tatverdacht und keinerlei Anhaltspunkte einer Straftat voraussetzt.

Schon 1967 hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden: "Ausgangspunkt hat die Feststellung zu sein, daß nach dem Menschenbild des Grundgesetzes die Polizeibehörde nicht jedermann als potentiellen Rechtsbrecher betrachten und auch nicht jeden, der sich irgendwie verdächtig gemacht hat ('aufgefallen ist') oder bei der Polizei angezeigt worden ist, ohne weiteres 'erkennungsdienstlich behandeln' darf. Eine derart weitgehende Registrierung der Bürger aus dem Bestreben nach möglichst großer Effektivität der Polizeigewalt und Erleichterung der polizeilichen Überwachung der Bevölkerung widerspräche den Prinzipien des freiheitlichen Rechtsstaates."

Die Vorratsdatenspeicherung geht weit über die Aufnahme vom Lichtbildern und Fingerabdrücken im Rahmen einer erkennungsdienstlichen Behandlung hinaus. Sie betrifft sensible Daten über die Kommunikation der Menschen mit ihren nächsten Angehörigen sowie mit Beratungs- und Hilfsberufen, über die sozialen Beziehungen der Menschen zueinander, über ihre Internetnutzung und über ihr Bewegungsverhalten. Eine derart weitreichende Registrierung des Verhaltens aller 82 Mio. Menschen in Deutschland aus dem Bestreben nach möglichst großer Effektivität der Polizeigewalt und Erleichterung der Verfolgung von Straftaten widerspricht den Grundprinzipien des freiheitlichen Rechtsstaates.

Mit Beschluss vom 22.08.2006 hat das Bundesverfassungsgericht an den Gesetzgeber nochmals eine besondere Warnung gerichtet: "Das Bundesministerium der Justiz hat mitgeteilt, seit längerem an einer Gesamtregelung der strafprozessualen heimlichen Ermittlungsmaßnahmen zu arbeiten [...] Es stellt sich auch die Frage, ob und in welchem Umfang von einer neuerlichen Ausdehnung heimlicher Ermittlungsmethoden im Hinblick auf Grundrechtspositionen unbeteiligter Dritter Abstand zu nehmen ist." Die Vorratsdatenspeicherung stellt eine schwerwiegende Ausdehnung der heimlichen Telekommunikationsüberwachung dar und beschädigt Grundrechtspositionen unbeteiligter Dritter massiv.

Vor dem Hintergrund der klaren verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist es ein vorsätzlicher Verfassungsbruch, eine Vorratsspeicherung von Telekommunikations-Verkehrsdaten gleichwohl zu beschließen.

"Nach dem Ende der Vorratsdatenspeicherung ist das Internet ein rechtsfreier Raum."

Falsch. Auch ohne Vorratsdatenspeicherung werden 80% aller bekannt gewordenen Internetdelikte aufgeklärt (2008: 79,8%). Zum Vergleich: Nur 55% der außerhalb des Internets begangenen Straftaten werden aufgeklärt (2009: 55.6%).

Während Internet-Verbindungsdaten in Deutschland auf Vorrat gespeichert wurden, stieg die vorher hohe Aufklärungsquote nicht, sondern sie ging sogar zurück (2009: 75.7%), vermutlich weil verstärkt Gegenmaßnahmen (z.B. ausländische Anonymisierungsdienste) eingesetzt wurden. Die Vorratsdatenspeicherung schadet also der Strafverfolgung, weil sie zum Einsatz von Umgehungsmaßnahmen führt, deren Anonymität selbst im Verdachtsfall nicht mehr aufgehoben werden kann.

Die Sicherheitsbehörden vieler Staaten Europas und weltweit arbeiten bis heute erfolgreich ohne verdachtslose Vorratsdatenspeicherung (z.B. Österreich, Griechenland, Norwegen, Rumänien, Schweden, Australien, Kanada, Japan). Niemand kann ernsthaft behaupten, in diesen Staaten sei das Internet ein "rechtsfreier Raum".

Die Aufklärung von Internet-Straftaten gelingt auch ohne Vorratsdatenspeicherung zu 80%, weil Internetverbindungen in Zeiten von Pauschaltarifen (Flatrates) lange aufrecht erhalten werden und die Behörden entsprechend lange Zeit haben, um einen Internetnutzer noch während der bestehenden Verbindung zu identifizieren. Wo dies nicht gelingt, ist eine Fangschaltung möglich: Der Verdächtige wird dann bei seiner nächsten Verbindung mit dem entsprechenden Dienst identifiziert.

"Wegen der Zunahme von Flatrates stehen den Ermittlungsbehörden heute weniger Verbindungsdaten zur Verfügung als vor Einführung der Vorratsdatenspeicherung."

Falsch. Den Ermittlungsbehörden stehen von Jahr zu Jahr mehr Verbindungsdaten zur Verfügung.

Hauptsächlich Internetverbindungen werden verbreitet pauschal tarifiert. 2008, vor Inkrafttreten der Pflicht zur Vorratsspeicherung von Internetverbindungen, nutzten jedoch bereits 86% der Internetnutzer eine Flatrate. Dieser Anteil ist heute nicht wesentlich höher.

Vor Inkrafttreten der Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung im Internetbereich am 01.01.2009 speicherten Internet-Zugangsanbieter die Zuordnung der von ihren Kunden genutzten Internetadressen nicht oder höchstens wenige Tage lang (bis 7 Tage). Nicht anders verhält es sich auch gegenwärtig wieder (Übersicht). Übrigens fielen bis zur Einführung digitaler Vermittlungsstellen in den 90er Jahren keinerlei Verbindungsdaten an, ohne dass dies eine Strafverfolgung unmöglich gemacht hätte.

Tatsächlich nimmt die Anzahl der verfügbaren Kommunikationsspuren im Informationszeitalter zu und nicht ab, weil an die Stelle persönlicher Gespräche und Briefe zunehmend elektronische Kommunikation tritt. Selbst wenn in einzelnen Fällen die Verfügbarkeit von Verkehrsdaten abgenommen hat, ist dieser Effekt klein im Vergleich zu der rapide anwachsenden Informationsmenge, auf die der Staat insgesamt Zugriff hat.

Weitere Informationen

"Vertrauensberufe wie Strafverteidiger, Seelsorger und Bundestagsabgeordnete werden von der Vorratsdatenspeicherung ausgenommen."

Falsch. Auch Kontakte von und zu diesen Personen sowie deren Handy-Positionsdaten sollen auf Vorrat gespeichert werden. 

Nur die Abfrage dieser Daten soll Strafverfolgern untersagt sein. Das Verbot gilt aber erstens nur, wenn die Daten unter das Berufsgeheimnis fallen. Es gilt zweitens nicht, wenn der Berufsgeheimnisträger selbst im Verdacht steht, an einer Straftat beteiligt zu sein. Drittens weiß die Polizei bei der Abfrage von Verbindungs- oder Bewegungsdaten oftmals nicht, ob der Betroffene oder seine Gesprächspartner Berufsgeheimnisträger ist. Das Erhebungsverbot ist also weitgehend wirkungslos. Viertens gilt die Zugriffsbeschränkung nur für Zugriffe der Strafverfolger, nicht aber für Nachrichtendienste und präventive Zugriffe von Polizeibehörden.

"Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts führt zu einem angemessenen Kompromiss."

Richtig. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist nur noch die gezielte Überwachung Verdächtiger zulässig und nicht mehr eine Speicherung der Verbindungsdaten von Millionen völlig Unbeteiligter. Dieses Verfahren stellt einen angemessenen Kompromiss dar, der sich in vielen Staaten weltweit bewährt hat.

Mit Urteil vom 2. März 2010 hat das Bundesverfassungsgericht die deutschen Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung für nichtig erklärt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Vorratsdatenspeicherung verstoße in ihrer bisherigen Ausgestaltung gegen das Grundgesetz. Eine Vorratsdatenspeicherung könne allerdings ohne Verstoß gegen das Grundgesetz wieder eingeführt werden, wenn die Daten sicherer gespeichert würden, wenn sie nur unter höheren Voraussetzungen an den Staat weiter geleitet würden und wenn Vertrauensbeziehungen besonders geschützt würden. Auch eine solche "Vorratsdatenspeicherung 2.0" wäre indes inakzeptabel: Im Zuge einer solchen Vorratsdatenspeicherung würden wieder ohne jeden Verdacht einer Straftat sensible Informationen über die sozialen Beziehungen (einschließlich Geschäftsbeziehungen), die Bewegungen und die individuelle Lebenssituation (z.B. Kontakte mit Ärzten, Rechtsanwälten, Betriebsräten, Psychologen, Beratungsstellen) von über 80 Millionen Bundesbürgerinnen und Bundesbürgern gesammelt. Damit höhlte die Vorratsdatenspeicherung Anwalts-, Arzt-, Seelsorge-, Beratungs- und andere Berufsgeheimnisse aus und begünstigte Datenpannen und -missbrauch. Sie würde den Schutz journalistischer Quellen untergraben und damit die Pressefreiheit im Kern beschädigen. Sie beeinträchtigte insgesamt die Funktionsbedingungen unseres freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens.

"Die Ablehnung jeder Vorratsdatenspeicherung ist eine fundamentalistische Extremposition."

Falsch. Umgekehrt ist die Forderung einer flächendeckenden Vorratsspeicherung sämtlicher Verbindungsdaten aller Bürger ohne jeden Anlass eine radikale Extremposition.

Das Grundgesetz erlaubte ursprünglich keinerlei staatliche Eingriffe in die Vertraulichkeit des Fernmeldeverkehrs. Infolge der Notstandsgesetze konnten Richter und bei Gefahr im Verzug auch die Staatsanwaltschaft die Aufzeichnung der Telekommunikationsverbindungen von Personen verlangen, die im Verdacht standen, eine Straftat begangen zu haben. Die Idee einer "Vorratsdatenspeicherung" bedeutete demgegenüber, dass ohne Verdacht und Anordnung für die gesamte Bevölkerung aufgezeichnet wird, wer wann mit wem in Verbindung stand, wo sein Handy nutzte und unter welcher Kennung das Internet nutzte. Eine solche Totaldatenspeicherung wäre ebenso extrem und radikal wie ein komplettes Verbot jeder Aufzeichnung von Verbindungsdaten. Dass Gerichte und Staatsanwaltschaften zur Verfolgung von Straftaten nur im Bedarfsfall die Verbindungen Tatverdächtiger aufzeichnen lassen können, ist ein seit Jahrzehnten praktizierter rechtsstaatlicher Kompromiss und keine "fundamentalistische Extremposition"

"Das Zusammenleben in einer demokratischen Gesellschaft verlangt differenzierte Betrachtungen."

Richtig. Deswegen ist eine undifferenzierte Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten aller Bürger, ob verdächtig oder unverdächtig, in einer demokratischen Gesellschaft nicht akzeptabel.

"Die Ablehnung jeder Vorratsdatenspeicherung ohne konstruktive Gegenvorschläge ist nicht sinnvoll."

Falsch. Unsere Freiheitsrechte sind nicht verhandelbar.

Als Gegner einer anlasslosen Vorratsdatenspeicherung unterbreiten wir im Übrigen seit langem Vorschläge, die tatsächlich zur Verbesserung der Strafverfolgung beitragen könnten, etwa in den Bereichen schnelle Datensicherung, bessere Ausbildung und Ausstattung, Kriminalprävention durch Datenschutz und Kriminalprävention durch Verbraucherschutz. Wer Straftaten wirklich wirksamer verfolgen will, müsste solche organisatorischen und gesetzlichen Maßnahmen ergreifen, anstatt eine Symboldebatte zum Thema „Vorratsdatenspeicherung“ zu führen, die von den wahren Versäumnissen bei dem Schutz der Bürger abzulenken droht.

"Ein europaweites Verbot jeder Vorratsdatenspeicherung ist nicht mehrheitsfähig."

Falsch. Solange die EU-Kommission kein europaweites Verbot jeder Vorratsdatenspeicherung vorschlägt, lässt sich nicht sagen, ob sich dafür eine Mehrheit finden würde oder nicht.

Selbst wenn es keine Mehrheit für ein europaweites Verbot jeder Vorratsdatenspeicherung geben sollte, folgt daraus nicht die Erforderlichkeit eines europaweiten Zwangs zur anlasslosen Vorratsdatenspeicherung. Vielmehr könnte es die EU – wie bis 2006 – den nationalen Parlamenten und Verfassungsgerichten überlassen, ob sämtliche Telekommunikationsdaten ohne jeden Anlass aufgezeichnet werden oder nicht. Eine solche Vorgehensweise haben eine Reihe zivilgesellschaftlicher Organisationen bereits vorgeschlagen.

"Schon jetzt speichern Telekommunikationsanbieter Daten teilweise deutlich länger, als es bestimmte Vorschläge zur Wiedereinführung einer Vorratsdatenspeicherung vorsehen."

Richtig, aber entscheidend ist das Wort „teilweise“. Nach geltendem Recht kann jeder eine Erfassung seiner Verkehrsdaten verhindern, indem er einen Pauschaltarif (Flatrate) wählt. Diese Wahlmöglichkeit ist für viele Menschen, die aus persönlichen oder beruflichen Gründen auf absolut vertrauliche Telekommunikation angewiesen sind oder denen ihre Privatsphäre wichtig ist, von hoher Bedeutung.

"Quick Freeze läuft ohne Vorratsdatenspeicherung leer. Was nicht gespeichert ist, kann auch nicht eingefroren werden."

Falsch. Ein Verfahren zur schnellen Sicherung von Verkehrsdaten ("Quick Freeze") setzt keine Vorratsdatenspeicherung voraus.

Eine Aufbewahrungsanordnung ermöglicht es Ermittlern, vorhandene Verkehrsdaten im Verdachtsfall sichern zu lassen, die andernfalls möglicherweise gelöscht würden. Herausgegeben werden die "eingefrorenen" Daten an die Ermittlungsbehörde erst, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen. Beispielsweise kann eine richterliche Genehmigung gefordert werden.

Eine Aufbewahrungsanordnung ist erstens während der Dauer der jeweiligen Verbindung möglich. Während einer laufenden Verbindung kann eine Rückverfolgung auch ohne Vorratsdatenspeicherung erfolgen. Da pauschal tarifierte Internetverbindungen typischerweise lange aufrecht erhalten werden, kann eine schnelle Identifizierung im Internet sogar leichter möglich sein als bei sonstigen Straftaten. Lange nach Begehung eines Internetdelikts kann der Täter noch festgestellt werden, wo er sonst den Tatort schon lange verlassen hätte.

Eine Aufbewahrungsanordnung ist zweitens auch nach Verbindungsende möglich, wo Verkehrsdaten aus betrieblichen Gründen, insbesondere zu Abrechnungszwecken, ohnehin gespeichert werden. Dies erfolgt in Deutschland bis zu sechs Monate lang.

Richtig ist, dass nicht gespeicherte Verbindungsdaten nicht an den Staat herausgegeben oder für diesen "eingefroren" werden können. Dies ist indes kein Nachteil, sondern unabdingbare Voraussetzung für die Gewährleistung der Vertraulichkeit und Unbefangenheit der Kommunikation von zu fast 100% vollkommen unbescholtener Menschen.

"Das Bundesverfassungsgericht hat Quick Freeze als Alternative zur Vorratsdatenspeicherung verworfen."

Falsch. Das Bundesverfassungsgericht hat Quick Freeze als Alternative zur Vorratsdatenspeicherung keineswegs verworfen.

Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, der Gesetzgeber dürfe nach dem Grundgesetz eine sechsmonatige Speicherung aller Telekommunikationsverkehrsdaten als erforderlich beurteilen, weil eine gezielte Aufbewahrung nicht in jedem Einzelfall so wirksam sei wie eine globale und pauschale Vorratsdatenspeicherung. Die verfassungsrechtliche Hürde der "Erforderlichkeit" ist allerdings äußerst niedrig: Schon eine einzige Bagatellstraftat, die nur durch Vorratsdatenspeicherung aufzuklären ist, verhilft der radikalen Vorratsdatenspeicherung über die Erforderlichkeitshürde, selbst wenn insgesamt betrachtet ohne Vorratsdatenspeicherung sogar mehr Straftaten aufgeklärt werden können, wie es im Bereich der Internetkriminalität der Fall war.

Für die politische Debatte über die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit einer globalen und pauschalen Vorratsdatenspeicherung kann das minimale verfassungsrechtliche Erforderlichkeitsgebot nicht maßgeblich sein. Politisch ist vielmehr entscheidend, dass im Internet keine rechtsfreien Räume entstehen und Internetdelikte ebenso wirksam aufgeklärt werden können wie außerhalb des Internet begangene Delikte. Dies ist, wie oben erläutert, auch ohne Vorratsdatenspeicherung gewährleistet.

"Eine ein- oder zweiwöchige Vorratsdatenspeicherung ('Quick Freeze Plus') wäre ein angemessener Kompromiss."

Falsch. Eine kürzere Speicherdauer würde nichts an den fatalen Wirkungen jeder allgemeinen und unterschiedslosen Totaldatenspeicherung ändern:

Jede allgemeine Verbindungsdatenaufzeichnung setzt vertrauliche Tätigkeiten und Kontakte etwa zu Journalisten, Beratungsstellen oder Geschäftspartnern dem ständigen Risiko eines Bekanntwerdens durch Datenpannen und -missbrauch aus. Daneben schafft die Aufzeichnung von Verbindungsdaten das permanente Risiko, unschuldig einer Straftat verdächtigt, einer Wohnungsdurchsuchung oder Vernehmung unterzogen oder abgemahnt zu werden, denn Verbindungsdaten lassen nur auf den Inhaber eines Anschlusses rückschließen und nicht auf dessen Benutzer.

Das ständige Risiko von Nachteilen infolge von Kommunikationsprotokollen entfaltet eine enorme Abschreckungswirkung und vereitelt eine unbefangene Telefon- und Internetnutzung in sensiblen Situationen (z.B. anonyme Information von Journalisten, anonyme Meinungsäußerung im Internet, vertraulicher Austausch von Geschäftsgeheimnissen, vertrauliche Koordinierung politischer Proteste, psychologische, medizinische und juristische Beratung und Selbsthilfegruppen von Menschen in besonderen Situationen wie Notlagen und Krankheiten). Wenn gefährliche oder gefährdete Menschen nicht mehr ohne Furcht vor Nachteilen Hilfe suchen können, verhindert dies eine sinnvolle Prävention und kann sogar Leib und Leben Unschuldiger gefährden.

Die Zulassung einer Vorratsdatenspeicherung wäre ein Dammbruch auf dem Weg in die Überwachungsgesellschaft. Die globale Speicherung von Daten allein für eine mögliche künftige staatliche Verwendung würde allmählich alle Lebensbereiche erfassen, denn die vorsorgliche Protokollierung personenbezogener Daten ist für den Staat stets und in allen Bereichen nützlich. Wenn dem Staat die permanente Aufzeichnung des Verhaltens sämtlicher seiner Bürger ohne Anlass gestattet würde, würden schrittweise sämtliche Lebensbereiche in einer Weise registriert werden, wie es selbst unter früheren totalitären Regimes wie der DDR undenkbar war.

"'Quick-Freeze' eröffnet den Ermittlungsbehörden in der Praxis die Möglichkeit, stets alle Daten auf Verdacht sichern zu lassen, da der Verlauf und Ausgang von Ermittlungsverfahren nicht voraussehbar ist"

Falsch. Quick-Freeze-Anordnungen müssen die Kennung des Anschlusses bezeichnen, dessen Daten eingefroren werden sollen. Damit scheidet die Möglichkeit, sämtliche Daten sichern zu lassen, aus.

Nach § 100j Abs. 2 S. 3 StPO-E in Verbindung mit § 100b Abs. 2 StPO soll jede Quick-Freeze-Anordnung "die Rufnummer oder eine andere Kennung des zu überwachenden Anschlusses oder des Endgerätes" angeben müssen (siehe auch Seite 23 der Begründung). Außerdem sollen für jeden Anschluss, dessen Daten gesichert werden, mindestens 30 Euro an den Anbieter zu zahlen sein. All dies verhindert ausufernde Sicherungsanordnungen.

"Damit überhaupt etwas auf Zuruf eingefroren werden kann, müssen verdachtsunabhängig laufend Verkehrsdaten mit Bestandsdaten verknüpft werden"

Falsch. Eine Datensicherung ist ohne vorsorgliche Datenverknüpfung möglich.

Internet-Zugangsanbieter müssen während einer bestehenden Verbindung schon aus technischen Gründen wissen, welchem Internetanschluss welche IP-Adresse zugewiesen ist. Um diese Information im Verdachtsfall sichern zu können, ist eine flächendeckende vorsorgliche Datenverknüpfung nicht erforderlich. „Quick Freeze“ umfasst nur eine Sicherung von "bei der Nutzung des Dienstes bereits erzeugten oder verarbeiteten sowie künftig anfallenden Verkehrsdaten" (§ 100j StPO-E). Soweit eine Sicherung mangels Datenspeicherung nicht möglich ist, muss einer entsprechenden Anordnung auch nicht Folge geleistet werden.

"Eine IP-Vorratsdatenspeicherung ist ein geringfügiger Grundrechtseingriff, denn nach einer konkreten Straftat können Ermittlungsbehörden einzig herausfinden, wem der Internet-Anschluss gehört, von dem die Straftat ausging"

Falsch. Eine IP-Vorratsdatenspeicherung würde in Verbindung mit Aufzeichnungen der Diensteanbieter (einschließlich staatlicher Internetportale) die Nachverfolgbarkeit potenziell jedes Klicks und jeder Eingabe, jeder gelesenen Seite und jeder geäußerten Meinung im Internet bedeuten - ein massiver Eingriff in das Recht auf unbefangene Information, Meinungsäußerung und Kommunikation über das Internet.

Die Identifizierung von Internetnutzern zur Strafverfolgung setzt nach geltendem Recht (§ 113 TKG) nicht voraus, dass eine Straftat begangen worden ist. Es genügt der Verdacht, dass eine Straftat begangen worden sein könnte. Der Inhaber der zu identifizierenden IP-Adresse muss zudem nicht im Verdacht stehen, die Tat begangen zu haben. Es genügt, dass seine Identifizierung zur „Erforschung des Sachverhalts“ erforderlich ist. Ganz ohne Verdacht einer Straftat ist eine Identifizierung von Internetnutzern „zur Abwehr von Gefahren“ und für Aufklärungszwecke der Geheimdienste zugelassen. Kein Richter kontrolliert vor der Identifizierung, ob ihre gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Internet-Zugangsanbieter identifizieren jährlich über 3 Mio. Internetnutzer gegenüber Staat und Urheberrechtsinhabern.

Mithilfe von Aufzeichnungen (Logfiles) von Internetanbietern wie Google, Youtube oder Twitter können Behörden im Fall einer IP-Vorratsdatenspeicherung nicht nur lange nach Abschluss der Internetsitzung herausfinden, über welche Anschlüsse vermeintlich verdächtige Internetseiten gelesen, ungewöhnliche Videos betrachtet oder auffällige Meinungen geäußert wurden. Mithilfe von Referer, Cookies, Identifier oder Benutzerkonten kann nach einer Identifizierung oft auch festgestellt werden, was der Betroffene sonst noch im Internet getan hat, teilweise über Wochen oder Monate hinweg. Die jeweils genutzten IP-Adressen ermöglichen dann auch die Erstellung eines ungefähren Bewegungsprofils. Mithilfe von IP-Adressen können zudem vermeintlich anonyme E-Mails rückverfolgt und vermeintlich anonyme Benutzerkonten zugeordnet werden.

Insgesamt würde schon die ernsthafte Sorge vor Nachteile infolge einer jederzeitigen Nachverfolgbarkeit in vielen Situationen eine unbefangene, freie Kommunikation unmöglich machen (z.B. anonyme Information von Journalisten per E-Mail, anonyme Meinungsäußerung im Internet, vertraulicher Austausch von Geschäftsgeheimnissen, vertrauliche Koordinierung politischer Proteste, psychologische, medizinische und juristische Beratung oder Selbsthilfegruppen von Menschen in besonderen Situationen wie Notlagen und Krankheiten).

Weitere Informationen:

"Durch eine IP-Vorratsdatenspeicherung können keine Kontakte aufgedeckt werden"

Falsch. Durch eine IP-Vorratsdatenspeicherung können Kommunikationspartner einer Person aufgedeckt werden.

In den meisten E-Mails ist die IP-Adresse des Absenders enthalten. Darüber konnten im Fall einer IP-Vorratsdatenspeicherung selbst vermeintlich anonym versandte E-Mails zurückverfolgt werden. Wenn beispielsweise ein Whistleblower ein anonymes E-Mail-Konto eröffnet, um einem Journalisten unerkannt Informationen über einen Missstand zukommen zu lassen, dann taucht in seiner E-Mail mit hoher Wahrscheinlichkeit die IP-Adresse auf, unter der er im Internet surft. Über diese IP-Adresse könnte er unter Umständen als Absender ermittelt werden, wenn die Vergabe von IP-Adressen von allen Anbietern protokolliert würde. Dies würde der Pressefreiheit und der Information der Öffentlichkeit empfindlich schaden. 

"Durch eine IP-Vorratsdatenspeicherung können keine Bewegungsprofile erstellt werden"

Falsch. Durch eine IP-Vorratsdatenspeicherung können unter Umständen durchaus Bewegungsprofile erstellt werden.

Nach einer Untersuchung macht jeder fünfte Internetnutzer Fantasieangaben bei Online-Registrierungen, um anonym zu bleiben. Nach dem Vorschlag der Bundesjustizministerin könnten Staatsbeamte Sie künftig als Inhaber eines solchen "anonymen" Benutzerkontos über Ihre IP-Adresse identifizieren, unabhängig von Ihrem Internet-Zugangsanbieter. Anschließend könnte der Beamte von dem Internet-Diensteanbieter die früheren IP-Adressen, mit denen Ihr Benutzerkonto genutzt wurde, erfragen, um daraus ein ungefähres Profil Ihrer Bewegungen zu erstellen.

Nach einer Studie kann aus den von einer Person in den letzten Tagen benutzten IP-Adressen mit hoher Wahrscheinlichkeit abgeleitet werden, ob es sich bei den jeweiligen Standorten um das Zuhause, die Arbeitsstelle oder einen Reiseweg des Internetnutzers handelte.

Um herauszufinden, was Ihre IP-Adresse über Sie verrät, klicken Sie hier.

"Durch eine IP-Vorratsdatenspeicherung ist nicht herauszufinden, auf welchen Seiten man im Internet gesurft hat"

Falsch. Durch eine IP-Vorratsdatenspeicherung kann ermittelt werden, auf welchen Seiten man im Internet gesurft hat.

Gelingt es Behörden über die IP-Adresse, einen vermeintlich anonymen Nutzer zu identifizieren, können sie sich von den Diensteanbietern mithilfe von Referer, Cookies, Identifier oder Benutzerkonten oftmals mitteilen lassen, was der Betroffene sonst noch im Internet getan hat, gegebenenfalls über Wochen oder Monate hinweg.

Die Sonderkommission "Mirko" der Polizei hat 2010 eine Internetseite mit Fotos und Informationen zu dem Fall ins Netz gestellt. Dabei ließ sie IP-Adresse und Zugriffszeit aller Leser der Seiten speichern. Durch Anfragen bei den Internet-Zugangsanbietern brachte sie in Erfahrung, über wessen Internetanschluss "häufig" auf die Seite zugegriffen wurde. Im Fall einer IP-Vorratsdatenspeicherung wären diese Ermittlungen ins Blaue hinein gegen Kunden aller Internetprovider möglich gewesen. Zurzeit kann man sich vor ungerechtfertigen Ermittlungen noch schützen, indem man einen Internet-Zugangsanbieter wählt, der die Zuordnung von IP-Adressen nicht auf Vorrat speichert (Anbietervergleich hier).

Auch das Bundeskriminalamt hat mehrfach gegen Besucher seines Internetportals ermittelt - ermöglicht nur durch die Vorratsspeicherung von IP-Adressen durch einige Internet-Zugangsanbieter. Bei Ermittlungen wegen der "militanten gruppe" fragte das BKA 417 IP-Adressen von häufigen Besuchern der entsprechenden Internetseite ab. Die Deutsche Telekom identifizierte 120 Anschlussinhaber, und das BKA unterzog diese Leser/innen einem "Hintergrundcheck", ohne jedes Ergebnis. Es handelte sich offenkundig bloß um interessierte Bürger. Weitere der vom BKA ermittelten IP-Adressen waren der Presse zugeordnet, hier hatten Journalisten recherchiert.

Mitarbeiter von Polizei und Geheimdiensten können auch private Betreiber eines Forums oder Blogs ohne richterlichen Beschluss um Auskunft ersuchen, unter welcher IP-Adresse ein Beitrag verfasst wurde, wenn dem Betreiber dies bekannt ist. Eine Vorratsspeicherung der Vergabe von IP-Adressen bei Internet-Zugangsanbietern würde anschließend Ihre Identifizierung als Inhaber des genutzten Internetanschlusses ermöglichen, gegebenenfalls eine Durchsuchung Ihrer Wohnung zur Sicherstellung Ihres Computers nach sich ziehen. Eine IP-Vorratsdatenspeicherung würde weithin das Ende anonymer Meinungsäußerungen in Foren und Kommentaren bedeuten.

Im Fall Holger Voss führte die IP-Vorratsdatenspeicherung durch T-Online dazu, dass Holger Voss wegen eines satirischen Kommentars im Heise-Forum über die Anschläge des 11. September 2001 wegen Billigung von Straftaten angeklagt und erst vor Gericht freigesprochen wurde. In der Folgezeit erstritt Holger Voss ein Urteil gegen T-Online, demzufolge der Anbieter die Zuordnung seiner IP-Adressen nicht speichern darf. Das Recht auf anonyme Meinungsäußerung im Netz ohne Furcht vor Rückverfolgung würde durch eine IP-Vorratsdatenspeicherung entfallen. Dabei machen sich 98% der Internetnutzer nie einer Straftat auch nur verdächtig.

"Laut Bundesverfassungsgericht stellt eine Vorratsspeicherung von IP-Adressen nur einen sehr geringen Grundrechtseingriff dar"

Falsch. Laut Bundesverfassungsgericht stellt die Identifizierung von Internetnutzern einen Grundrechtseingriff von "erheblichem Gewicht" dar (Abs. 258 des Urteils zur Vorratsdatenspeicherung).

Zwar hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, eine Speicherung allein der Zuordnung dynamischer IP-Adressen hätte ein erheblich weniger belastendes Gewicht als eine nahezu vollständige Speicherung der Daten sämtlicher Telekommunikationsverbindungen. Dass eine auf den Internetbereich beschränkte Vorratsdatenspeicherung weniger eingriffsintensiv ist als eine Vorratsspeicherung auch von Telefon-, Handy- und E-Mail-Verbindungen, ist aber eine Selbstverständlichkeit. Das Bundesverfassungsgericht erkennt in seiner Entscheidung an, dass die Zuordnung einer IP-Adresse nicht mit der Identifizierung einer Telefonnummer gleichgesetzt werden kann. Da der Inhalt von Internetseiten anders als das beim Telefongespräch gesprochene Wort elektronisch fixiert und länger wieder aufrufbar sei, lasse sich mit ihr vielfach verlässlich rekonstruieren, mit welchem Gegenstand sich der Kommunizierende auseinander gesetzt hat. Werde der Besucher einer bestimmten Internetseite mittels der Auskunft über eine IP-Adresse individualisiert, wisse man nicht nur, mit wem er Kontakt hatte, sondern kenne in der Regel auch den Inhalt des Kontakts.

Weitere Argumente des Bundesverfassungsgerichts zu IP-Adressen sind von Datenschützern und auch von dem Bundesdatenschutzbeauftragten kritisiert worden. Laut Schaar stehen die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts zu IP-Adressen unter Prämissen, die der Realität „immer weniger entsprechen“. Das Gericht sei davon ausgegangen, dass die Abrufe von Internetseiten nicht registriert werden. Nur in diesem Fall sei die IP-Adresse „verhältnismäßig unsensibel“. Die Praxis sei aber die, „dass die IP-Adresse gespeichert wird“. Selbst wenn man nicht angemeldet sei, speichere Google beispielsweise 9 Monate lang, mit welcher IP-Adresse welche Suchanfragen vorgenommen werden. Vor diesem Hintergrund seien IP-Zuordnungen „höchst sensibel“.

Weitere Informationen: Die drohende Internet-Vorratsdatenspeicherung

"Ohne IP-Vorratsdatenspeicherung droht die Rechtsdurchsetzung im Internet und die Verfolgung von Internet-Alltagskriminalität generell leerzulaufen"

Falsch. Auch ohne IP-Vorratsdatenspeicherung wird unter allen polizeilich bekannten Internetdelikten eine Aufklärungsquote von 71% erzielt (2010).

Diese Aufklärungsquote übersteigt diejenige für nicht im Internet begangene Straftaten bei Weitem (55%). Solange Straftaten im Internet ohne Vorratsdatenspeicherung weit häufiger aufgeklärt werden als sonstige Straftaten, ist es nicht zu rechtfertigen, ausgerechnet im Internet jedes Lesen eines Zeitungsartikels und jede Meinungsäußerung nachverfolgbar machen zu wollen.

Nach Einführung einer IP-Vorratsdatenspeicherung im Jahr 2009 ist die Aufklärungsquote bei Internetdelikten im Übrigen zurückgegangen, nicht angestiegen. Dies beruht darauf, dass eine Vorratsdatenspeicherung Straftäter zum Einsatz von Umgehungsstrategien veranlasst (z.B. Internetcafés, offene Netzzugänge, Anonymisierungsdienste, unregistrierte Prepaidkarten, nicht-elektronische Kommunikationskanäle), so dass ihre Kommunikation selbst im Verdachtsfall nicht mehr zu überwachen ist.

"Eine IP-Vorratsdatenspeicherung wird benötigt, um die Verbreitung von Kinderpornografie im Internet verfolgen zu können"

Falsch. Auch ohne IP-Vorratsdatenspeicherung wird unter allen polizeilich bekannten Fällen der Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen im Internet eine Aufklärungsquote von 76% erzielt (2010).

Die Aufklärungsquote bei Missbrauchsdarstellungen im Internet übersteigt diejenige für nicht im Internet begangene Straftaten (55%) bei Weitem. Solange Straftaten im Internet ohne Vorratsdatenspeicherung weit häufiger aufgeklärt werden als sonstige Straftaten, ist es nicht zu rechtfertigen, ausgerechnet im Internet jedes Lesen eines Zeitungsartikels und jede Meinungsäußerung nachverfolgbar machen zu wollen.

Nach Einführung einer IP-Vorratsdatenspeicherung im Jahr 2009 ist die Aufklärungsquote bei Missbrauchsdarstellungen im Internet im Übrigen zurückgegangen, nicht angestiegen. Dies beruht darauf, dass eine Vorratsdatenspeicherung Straftäter zum Einsatz von Umgehungsstrategien veranlasst (z.B. Postversand von CD-Roms, Internetcafés, offene Netzzugänge, Anonymisierungsdienste, unregistrierte Prepaidkarten, nicht-elektronische Kommunikationskanäle), so dass ihre Kommunikation selbst im Verdachtsfall nicht mehr zu überwachen ist.

"Bis 2005 war es üblich, dass Internet-Zugangsanbieter IP-Zuordnungen bis zu 90 Tage lang speicherten"

Selbst wenn dies zutrifft, kann eine solche rechtswidrige Praxis keine Maßstäbe setzen.

Das Telekommunikationsgesetz bestimmt seit jeher, dass Diensteanbieter nur die zur Bereitstellung und Abrechnung ihrer Dienste erforderlichen Verbindungsdaten speichern dürfen (§ 96 TKG). Die IP-Adresse darf nicht protokolliert werden, weil das geschuldete Entgelt von ihr nicht abhängt. Der Internet-Zugangsanbieter T-Online speicherte früher dennoch 80 Tage lang, welchem Kunden wann welche IP-Adresse zugewiesen war. Holger Voss klagte erfolgreich gegen die Datenspeicherung, und das Unternehmen wurde verurteilt, die zugewiesenen IP-Adresse mit Verbindungsende umgehend löschen. Der Bundesdatenschutzbeauftragte setzte 2007 allgemein durch, dass Internet-Zugangsanbieter IP-Adressen nicht oder nicht länger als sieben Tage speicherten. So ist es auch heute wieder.

"IP-Adressen müssen wie auch Telefonnummern ihrem Inhaber zuzuordnen sein"

Falsch. Telefonnummern sind mit IP-Adressen nicht vergleichbar. Das Internet ist kein Telefon.

Laut Bundesverfassungsgericht kann die Zuordnung einer IP-Adresse nicht mit der Identifizierung einer Telefonnummer gleichgesetzt werden. Da der Inhalt von Internetseiten anders als das beim Telefongespräch gesprochene Wort elektronisch fixiert und länger wieder aufrufbar sei, lasse sich mit ihr vielfach verlässlich rekonstruieren, mit welchem Gegenstand sich der Kommunizierende auseinander gesetzt hat. Werde der Besucher einer bestimmten Internetseite mittels der Auskunft über eine IP-Adresse individualisiert, wisse man nicht nur, mit wem er Kontakt hatte, sondern kenne in der Regel auch den Inhalt des Kontakts.

Im Telefonnetz ist die Möglichkeit anonymer Telekommunikation trotz personenbezogener Rufnummern dadurch gewährleistet, dass die Rufnummer dem Gesprächspartner nur auf Wunsch angezeigt wird und man einen Pauschaltarif oder Prepaidtarif mit sofortiger Datenlöschung wählen kann. Im Internet dagegen lässt sich die Übermittlung der IP-Adresse an den Kommunikationspartner und deren Protokollierung dort nicht einfach abstellen. Deswegen ist technisch nicht versierten Normalnutzern eine anonyme Information und Kommunikation im Internet nur mithilfe einer anonymen Kennung möglich.

"IP-Adressen müssen wie auch Kfz-Kennzeichen ihrem Inhaber zuzuordnen sein"

Falsch. Kfz-Kennzeichen sind mit IP-Adressen nicht vergleichbar. Das Internet ist kein Auto.

Niemand schreibt mit, wo man wann mit dem Auto gewesen ist. Im Internet wird dagegen verbreitet jeder Klick und jede Eingabe mitsamt der IP-Adresse protokolliert, so dass die Anonymität von IP-Adressen von zentraler Bedeutung ist. Im Straßenverkehr ist die Möglichkeit anonymer Fortbewegung trotz personenbezogener Kfz-Kennzeichen dadurch gewährleistet, dass man sich zu Fuß, mit dem Fahrrad, mit einer Mitfahrgelegenheit oder mit dem Bus auch ohne eigenes Kfz-Kennzeichen fortbewegen kann. Das Internet kann man demgegenüber nicht ohne eine IP-Adresse nutzen. Deswegen ist technisch nicht versierten Normalnutzern eine anonyme Information und Kommunikation im Internet nur mithilfe einer anonymen Kennung möglich.

Warum die Möglichkeit anonymer Information und Kommunikation in unserer Gesellschaft so wichtig ist, erfahren Sie in der Broschüre "Ein Recht auf Anonymität".

Persönliche Werkzeuge
Werkzeuge