Bestandsdaten-StN/Wirtschaftsausschuss

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Der Wirtschaftsausschuss des Bundesrats hat am 29.11.2012 folgende Empfehlungen zum Gesetzentwurf zur Bestandsdatenauskunft abgegeben:

Inhaltsverzeichnis

Gesetzentwurf verfassungswidrig

Der Bundesrat ist der Auffassung, dass der vorliegende Gesetzentwurf die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht ausreichend berücksichtigt. Der Bundesrat sieht mit Sorge, dass bei der Neuregelung der Bestandsdatenauskunft nur unzureichende grundrechtssichernde Regelungen eingearbeitet wurden und fordert die Bundesregierung daher auf, dafür Sorge zu tragen, dass im weiteren Verfahren notwendige Bestimmungen des Datenschutzes Eingang in den Gesetzentwurf finden.

Fehlende Beschränkung auf Einzelfälle

Der Bundesrat sieht durch den vorliegenden Gesetzentwurf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt, da die die im geltenden § 113 TKG enthaltene Beschränkung von Auskünften über Telekommunikationsdaten auf Einzelfälle fehlt, andererseits aber die weiten Auskunftsrechte unverändert beibehalten werden sollen. Diese Bestimmung war für das Bundesverfassungsgericht Voraussetzung, § 113 TKG als "verfassungsrechtlich noch hinnehmbar" zu bezeichnen (BVerfG, 1 BvR 1299/05 vom 24.1.2012, Absatz-Nr. 177) und als Anforderung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes einzuordnen (BVerfG, 1 BvR 1299/05 vom 24.1.2012, Absatz-Nr. 163). Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die im geltenden § 113 TKG enthaltene Beschränkung von Auskünften über Telekommunikationsdaten auf Einzelfälle auch in den vorliegenden Gesetzentwurf zu verankern.

Unzureichende Voraussetzungen der Datenabfrage

Der Bundesrat vermisst im § 113 Absatz 3 des Gesetzentwurfes eine klare Beschränkung auf bestimmte, klar begrenzte Fälle. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist im Bereich der Gefahrenabwehr eine konkrete Gefahr, im Bereich der Strafverfolgung der Verdacht einer Straftat (Anfangsverdacht) Mindestvoraussetzung einer verhältnismäßigen staatlichen Bestandsdatenerhebung. Weder die Hürde des Richtervorbehalts noch einer sonstigen staatsanwaltschaftlichen Anordnung sind in dem Entwurf vorgesehen. § 113 Absatz 1 Satz 3 TKG stellte hierzu bislang klar: "Ein Zugriff auf Daten, die dem Fernmeldegeheimnis unterliegen, ist nur unter den Voraussetzungen der hierfür einschlägigen gesetzlichen Vorschriften zulässig." Der Wegfall dieser Klarstellung im Gesetzentwurf birgt die Gefahr, dass Bestandsdatenauskünfte in verfassungswidriger Weise unter Verwendung von Verkehrsdaten verlangt werden. Der Bundesrat bittet im weiteren Verfahren, den Verweis auf die Bedingung der Zulässigkeit des Zugriffs auf dem Fernmeldegeheimnis unterliegenden Daten in das Gesetz wieder aufzunehmen. Der Bundesrat bittet außerdem, eine Bestimmung einzuführen, dass „die Erhebung von Bestandsdaten nur zur Abwehr einer konkreten Gefahr oder zur Aufklärung eines Tatverdachts erfolgen darf“.

Keine Prüfungspflicht der Anbieter

Der Bundesrat hält es für problematisch, dass im vorliegenden Gesetzentwurf die Verantwortung für die Prüfung auf Rechtmäßigkeit der Auskunftsersuchen nicht allein den staatlichen Stellen obliegt, sondern den Providern auferlegt werden soll. „Jedes Auskunftsverlangen“ muss „durch eine verantwortliche Fachkraft auf Einhaltung der in Absatz 2 [des § 113] genannten formalen Voraussetzungen geprüft“ werden. In der Konsequenz müssen diese das Risiko einer Fehleinschätzung tragen. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass diese ungleiche Risikoverteilung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt. Provider müssen sich auf ein rechtmäßiges Handeln der abfragenden und somit dazu berechtigten Stellen verlassen können. Der Bundesrat ist überzeugt, dass es nicht zur Aufgabe der Provider gemacht werden kann, rechtstaatliches Handeln der Behörden zu überprüfen. Der Bundesrat bittet daher, im Gesetz die Vorkehrung zu treffen, dass allein die staatlichen Stellen die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit ihrer Anfragen von Bestandsdaten tragen.

Verpflichtende Datenschnittstelle

Der Bundesrat sieht mit Sorge, dass der vorliegende Gesetzentwurf den Providern und TK-Unternehmen bei der Auskunftserteilung an die anfragenden Behörden unverhältnismäßige Lasten aufbürdet. Im neuen § 113 Absatz 5 Satz 2 TKG ist vorgesehen, dass der Provider „die in seinem Verantwortungsbereich für die Auskunftserteilung erforderlichen Vorkehrungen auf seine Kosten zu treffen hat“. Es ist weiter vorgesehen, dass die Provider (ab 100 000 Kunden) „verpflichtet sind, für die Entgegennahme der Auskunftsverlangen sowie für die Erteilung der zugehörigen Auskünfte eine elektronische Schnittstelle bereitzuhalten“. Der Bundesrat kritisiert das Fehlen einer Regelung zur Entschädigung der Unternehmen für die Heranziehung für staatliche Aufgaben. Weder für Einrichtung, Betrieb, Wartung der elektronischen Schnittstelle noch für die einzusetzende Fachkraft ist eine Kostenerstattung vorgesehen. Ein Einsparpotenzial für die Unternehmen ergäbe sich lediglich aus einer gleichfalls verpflichtenden Nutzung der automatisierten Abfrage durch die zur Abfrage berechtigten Stellen. Wird allerdings wie bisher vorwiegend per Fax oder Brief die Abfrage erfolgen, so bedeutet diese Abfragepraxis für die Unternehmen einen erheblichen finanziellen und administrativen Mehraufwand. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass eine solche Doppelbelastung unverhältnismäßig ist und bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren dafür Sorge zu tragen, dass die elektronische Schnittstelle auch für die zur Abfrage berechtigten Stellen zur Pflicht gemacht wird, es sei denn, dass im Einzelfall eine besondere Eilbedürftigkeit vorliegt.

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