Freedom Not Fear 2008/Berlin de/Reden/Steffens

Aus Freiheit statt Angst!

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Redebeitrag Kai-Uwe Steffens (Demo Freiheit statt Angst, Berlin 11.10.08)

Hallo Freunde der Freiheit!

Mein Name ist Kai-Uwe Steffens, und ich bin hauptberuflich Datenbank- und Systembetreuer.

Seit ich vor einigen Jahren das erste Mal vom Thema Vorratsdatenspeicherung gehört habe, habe ich mich immer wieder gefragt: Wie wollen die diese ungeheuren Datenmengen, die da anfallen werden, unter Kontrolle halten? Immerhin weiß ich, wie schwer es ist, auch nur kleine Datenbestände abzusichern. Die Befürworter der VDS werden ja nicht müde uns zu erzählen, dass die erhobenen Daten sicher vor dem Zugriff Unbefugter seien, und Missbrauch weitestgehend ausgeschlossen wäre.

So, dann lasst uns alle mal genauer hinsehen: Eine Gruppe, die das behauptet, sind natürlich die Innenminister von Bund und Ländern. Dazu erzähle ich Euch als Beispiel eine kleine Geschichte: im April 2005 ist in einem bekannten Internetauktionshaus für 20 Euro eine gebrauchte Festplatte von einem Studenten ersteigert worden. Und dieser Student konnte mit einfachen Mitteln die Daten auf dieser Festplatte wieder herstellen. Und dabei stellte sich heraus, dass es sich um Daten aus dem brandenburger Innenministerium handelte: Fahndungsdaten, Listen von Polizeibeamten, Einsatzpläne und so weiter. Richtig wichtiges Zeug eben, wie man es auf einer Festplatte aus einem Innenministerium erwartet.

Und der gleiche Minister, Herr Jörg Schönbohm, der dafür die politische Verantwortung trägt, ist heute einer der großen Befürworter der VDS. Herrn Schönbohm und seinen Gesinnungsgenossen möchte ich hier und heute zurufen: wenn Sie noch nicht einmal Ihre eigenen Häuser im Griff haben, und sie dann behaupten, dass tausendfach größere Datenmengen an vielen Orten sicher verwahrt werden können, dann glauben wir Ihnen kein Wort. Ein anderer wichtiger Befürworter der VDS ist der Chef des Bundeskriminalamtes, Herr Jörg Ziercke. Der behauptet immer wieder, dass man diese Daten und andere Sachen ja unbedingt brauche, um Terroristen zu fangen. Vor einiger Zeit wurde nun bekannt, dass einer seiner Beamten die ihm zur Verfügung stehenden dienstlichen Mittel benutzt hat, um den Liebhaber seiner Frau auszuspionieren. Und das ist nur ein bekannt gewordener Fall. Niemand weiß, wie oft so etwas wirklich vorkommt.

Herrn Ziercke und seinen Gesinnungsgenossen möchte ich hier und heute zurufen: wenn Ihre Leute schon mit den heutigen Mitteln derartigen Missbrauch betreiben, und Sie dann behaupten, dass dies für viel weiter gehende Überwachungsmethoden wie VDS oder online-Überwachung ausgeschlossen sei, dann glauben wir Ihnen kein Wort.

Die nächste, die sich gerne über die Vorzüge der VDS auslässt, ist unsere Bundesjustizministerin, Frau Zypries, die uns Kritikern regelmäßig mangelnde Sachkunde vorwirft. Der eine oder andere von Euch wird sich sicher daran erinnern, dass Frau Zypries noch nicht einmal die Frage eines Kindes nach ihrem Internetbrowser beantworten konnte, weil sie nicht wusste, was das ist. Viel schlimmer ist aber, dass sie bei einem Radiointerview am Tag der Verabschiedung des VDS-Gesetzes im Bundestag noch nicht einmal wusste, was das Recht auf Informationelle Selbstbestimmung ist.

Ihnen, Frau Zypries, möchte ich hier und heute zurufen: wenn Sie noch nicht einmal die Grundrechtslage zu Ihren eigenen Gesetzen kennen, und uns dann mangelnde Sachkenntnis vorwerfen, dann werden wir Ihnen nicht nur kein Wort glauben, dann werden wir Sie auslachen.

Auch Frau Merkel hat mehrfach ihre Zustimmung zu mehr Überwachung im Namen der Sicherheit ausgedrückt. Nun arbeiten bei der Datenerfassung ganz normale Systemtechniker, mit ganz normalen Reihenhäusern, auf denen ganz normale Hypotheken liegen. Wie wahrscheinlich ist es, dass keiner von denen auf die Idee kommt, diese Daten an Interessenten zu verkaufen? Was bedeutet es für die Sicherheit von uns Bürgern, wenn wir fürchten müssen, dass Informationen über unsere Telefonate z.B. mit Drogen- und Schwangerschaftsberatung oder Telefonseelsorge an die Öffentlichkeit geraten? Wir haben in den letzten Monaten ja wiederholt erfahren, wie unsicher Daten bei den Unternehmen sind. Und was, liebe Frau Merkel, bedeutet es für den Ihnen so am Herzen liegenden Wirtschaftsstandort Deutschland, wenn z.B. die Verbindungsdaten aus dem Wolfsburger Industriegebiet nach Detroit oder Shanghai verkauft werden? Hat darüber mal jemand von Ihnen nachgedacht?

Frau Merkel und ihren Gesinnungsgenossen möchte ich hier und heute zurufen: wenn Sie behaupten, dass mehr Überwachung auch mehr Sicherheit bedeutet, dann glauben wir auch Ihnen kein Wort, sondern behaupten das Gegenteil.

Ich bin mit Ihnen, Frau Merkel, aber noch nicht fertig. Denn das, was Sie und Ihre Minister da an Überwachung aufbauen, passt leider viel zu gut in ein noch größeres, furchtbares Bild hinein. Denn Ihre Beschlüsse zu VDS, BKA-Gesetz mit online-Überwachung, Antiterrordatei, Fluggastdatenübermittlung und all den anderen Grausamkeiten sind längst nicht alles. Diese Aushöhlung des fundamentalen Rechts auf Privatheit – das ist Artikel 12 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte – all das steht nicht alleine da. Sie haben zusätzlich auch noch die Trennung von Polizei und Geheimdiensten weitestgehend aufgehoben. Und dazu kommt dann nicht nur, dass Sie unsere Soldaten in einen Krieg ans andere Ende der Welt schicken: sie erfüllen jetzt auch noch den großen Traum Ihres Innenministers, dass künftig zur Sicherung von Recht und Ordnung im Inneren wieder Soldaten mit ihren Waffen bereitstehen. Und an dieser Stelle ein kurzer Gruß an die SPD-Führung: mit diesem erneuten Betrug an Ihren Wählern machen Sie sich endgültig zum gut dressierten Schoßhündchen von Herrn Schäuble, und vollbringen das Kunststück, wie man am Boden liegend noch umfallen kann. Schande über Euch Genossen! Aber zurück zu Ihnen, Frau Merkel: Ihre Politik, die ich gerade beschrieben habe, steht eben nicht in der Tradition unseres Landes und Ihrer Amtsvorgänger. Ganz im Gegenteil: Sie verraten die Idee der Mütter und Väter unseres Grundgesetzes von einem Land, von dem Frieden und Freiheit ausgehen. Sie sind die Totengräberin des deutschen Nachkriegstraums.

Sie haben Ihr Amt mit einer Regierungserklärung angetreten mit den Worten: Lassen Sie uns mehr Freiheit wagen. Bei allem Respekt für Ihr Amt möchte ich Ihnen, Frau Merkel, hier und heute zurufen: wenn Sie sich - angesichts dieser Politik - nochmal erdreisten, von Freiheit zu sprechen, dann glauben wir Ihnen erst recht kein Wort!

An so einer Stelle wie hier wird oft und gerne ein Zitat genannt, dass man Benjamin Franklin zuschreibt. Ich gehe heute lieber in der Geschichte weiter zurück, bis in die griechische Antike, und zitiere Aristoteles: Wer die Sicherheit der Freiheit vorzieht, der ist zu Recht ein Sklave.

Frau Merkel, Frau Zypries, Herrn Schäuble, Herrn Ziercke, Herrn Schönbohm und all den anderen möchte ich hier und heute zurufen: Sie können uns gerne mangelnde Sachkunde vorwerfen. Sie können sich auch gerne über uns lustig machen. Sie können uns bedrohen. Sie können uns sogar einsperren. Denn all das wird uns nur noch stärker und noch zahlreicher machen. Denn das erhöht nur unsere Entschlossenheit, unsere Grundrechte und unsere Freiheit mit aller Kraft zu verteidigen. Täuschen Sie sich nicht: wir werden von unserem Weg nicht abweichen.

Wir lassen uns nicht einschüchtern, wir lassen uns nicht aufhalten, wir lassen uns nicht versklaven. Und wir lassen uns unseren Traum von einem Leben in Frieden und Freiheit nicht von Ihnen nehmen. Das werden Sie nicht schaffen. Denn wir wählen Freiheit statt Angst. Danke sehr.

Kontakt zum Autor / Redner

  • (z.B. um das Dokument als Datei anzufordern): Kai-Uwe Steffens – kai-uweBild:at.pngvorratsdatenspeicherung.de - 0178 2042876

Siehe auch

weitere Reden am 11.10.2008

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