Girogo/Hintergrund

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Überblick und Hintergrundinformationen zu "girogo"

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Hinter "girogo" steckt das Geschäftsmodell der "Geldkarte".

Bei der "Geldkarte" handelt es sich um eine Zusatzfunktion von ec-Karten (die heißen im Bankendeutsch heute "Girocard"). Eine mit der Geldkarten-Funktionalität ausgestattete ec-Karte kann man an Geldautomaten, angeblich auch gegen Bargeld in Banken mit einem gewissen Betrag aufladen, genau so wie man z.B. bei einem Prepaid-Handy dessen Konto auflädt.

Mit einer aufgeladenen Geldkarte kann man an bestimmten Stellen (Zigarettenautomat, Briefmarkenautomat, bestimmte Händler und Ketten) Kleinbeträge bezahlen, ohne eine PIN eingeben zu müssen.

Das sollte den Bezahlvorgang beschleunigen und vereinfachen. Tatsächlich ist die "Geldkarte" in Deutschland aber niemals populär geworden. Die in dieses System investierten Gelder haben sich vermutlich für die Banken nie "bezahlt gemacht".

Auch aus diesem Grund wurde "girogo" aus der Taufe gehoben. Denn "girogo" ist nichts anderes als die Geldkarte, um die berühmt-berüchtigte Funkdaten-Schnittstelle erweitert.

Betreiber

EURO Kartensysteme GmbH

"girogo" wird von der "EURO Kartensysteme GmbH aus Frankfurt/Main betrieben.

Auszug aus der Selbstdarstellung dieser GmbH:

Die EURO Kartensysteme GmbH ist ein Gemeinschaftsunternehmen der deutschen Kreditwirtschaft. Als wettbewerbsneutrale Institution sind wir mit einer Reihe von Aufgaben betraut, die im Interesse aller Banken und Sparkassen liegen.

und

Die EURO Kartensysteme GmbH betreibt als Kommunikationsdienstleister für die Deutsche Kreditwirtschaft das Marketing und die PR für die neue Marke girogo.
Zu den Leistungen zählt die Positionierung des Bezahlsystems bei Verbrauchern und Anbietern in der Pilotregion wie auch deutschlandweit. Dazu gehört der Aufbau ebenso wie die Pflege des Informationsportals www.girogo.de. Weiterhin unterstützt die EURO Kartensysteme Institute und Handelspartner bei Aktionen rund um die Einführung und Vermarktung von girogo. Ab Juni startet die hierzu entwickelte Kampagne. Die EURO Kartensysteme wird die Einführung von girogo über Promotion-Aktionen/Events und Infodisplays sowie eine breit gestreute Media- und PR-Kampagne unterstützen.

"Die Deutsche Kreditwirtschaft"

Betrieben wird girogo also mittelbar durch den Zusammenschluß namens "Die Deutsche Kreditwirtschaft", der von Banken gebildet und finanziert wird und deren Interessen verfolgt.

Dieser Zusammenschluß besteht aus:

Aus der Selbstdarstellung dieser Gruppe:

Die Deutsche Kreditwirtschaft steht für eine gemeinsame Meinungs- und Willensbildung der kreditwirtschaftlichen Verbände in Deutschland – in bankrechtlichen, bankpolitischen und bankpraktischen Fragen.

und

Die Deutsche Kreditwirtschaft beschließt ihre Positionen einstimmig und hält sie in schriftlichen Stellungnahmen fest. Sie vertritt die gemeinsamen Standpunkte der kreditwirtschaftlichen Spitzenverbände gegenüber den gesetzgebenden Organen, der Regierung, den Behörden sowie bank- und finanzwirtschaftlichen Institutionen auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene. Darüber hinaus informiert sie die Presse und Öffentlichkeit.

Systemsicherheit

Selbstverständlich wird seitens der Betreiber von "girogo" der Eindruck suggeriert, als sei das Bezahlsystem 100%ig sicher.

Auf der PR-Werbeseite gab man auf die Frage "Wie sicher ist bezahlen mit girogo?" noch bis zum 13. Juni 2012 die übersichtliche Antwort:

"Das Bezahlen mit girogo ist sehr sicher, da es sich um eine Prepaid-Lösung handelt. Es kann kontaktlos höchstens nur der Betrag abgebucht werden, der sich auf dem Chip befindet. Zum Bezahlen ist ein Abstand von vier Zentimetern oder weniger zwischen Karte und Terminal notwendig. Auch löst nur das erste Signal eine Transaktion aus, sollte eine Karte mehrmals hintereinander ans Terminal gehalten werden. Vor allem aber entspricht girogo den hohen Sicherheitsstandards der Deutschen Kreditwirtschaft."

Nachdem am 13. Juni 2012 die ersten Informationen darüber öffentlich wurden, dass es sich mit der tatsächlichen Sicherheit vielleicht doch nicht so simpel verhält, wurde die Antwort auf die selbstgestellte Frage deutlich erweitert.

Seitdem liest man dort:

"Das kontaktlose Bezahlen mit girogo entspricht den hohen Sicherheits- und Datenschutzstandards der deutschen Kreditwirtschaft. girogo ist eine Prepaid-Lösung. Das heißt, dass beim Bezahlen lediglich auf das zuvor geladene Prepaid-Guthaben auf der elektronischen Geldbörse zugegriffen wird. Bei einer kontaktlosen Transaktion mit girogo werden also keine Beträge vom Girokonto des Kunden gebucht. Auch werden keine konto- oder personengebundenen Daten übermittelt. Alle für die Transaktion benötigten Daten werden auf Basis internationaler Sicherheitsvorgaben verschlüsselt an das Händlerterminal übertragen. Bei dem Zugriff auf die Zusatzfunktion Altersverifikation werden ebenfalls keine persönlichen Daten übertragen. Der Automat stellt der Karte lediglich die Frage „Älter als 18" und die Karte antwortet lediglich mit „ja" oder „nein".
Zum Bezahlen mit girogo muss der Chip auf der Karte zwei bis drei Zentimeter nah an das Terminal gebracht werden. Sofern beim Bezahlen an der Kasse eine Karte versehentlich mehrmals hintereinander an das Bezahl-Terminal gehalten wird, löst nur das erste Signal eine Transaktion aus."

Man kann davon ausgehen, dass "girogo" in Zukunft noch mehr Zeilen benötigen wird, um von der Scheinsicherheit des Systems überzeugen zu können. :)

Welche Banken machen da mit?

Weil der "girogo"-Betreiber, die "Deutsche Kreditwirtschaft" ein Bündnis aller deutschen Banken darstellt, ist davon auszugehen, dass prinzipiell alle Banken über kurz oder lang die "girogo"-Funktion anbieten werden - vorausgesetzt, dass sie sich nun zu Anfang besser durchsetzt als die (aus der Sicht der Banken) gescheiterte Geldkarte.

Dennoch ist das Anfangsengagement sehr unterschiedlich. Der Sparkassenverband scheint eine besonders treibende Kraft einzunehmen, was vielleicht auch dem Anteil der Banken am Privatkundengeschäft geschuldet ist.

Anteil der Privatkunden der einzelnen Banken bzw. Bank-Gruppen (Zahlen aus 2010, Quelle):

  • 50 Mio. - Sparkassen
  • 30 Mio. - Volks-, Raiffeisen- und Genossenschaftsbanken
  • 24 Mio. - Postbank und Deutsche Bank (Anm.: Die Postbank gehört inzwischen der Deutschen Bank)
  • 11 Mio. - Commerzbank
  • 07 Mio. - Ing.Diba.
  • 04 Mio. - HVB- bzw. UniCredit-Bank
  • 03 Mio. - Targo-Bank

Konkreter ist uns von folgenden Banken bekannt, dass sie am Girogo-Projekt teilnehmen:

Sparkassen

Grundsätzlich wollen alle Sparkassen allen ihrer Kunden eine "girogo"-Girokarte aushändigen.

  • Sparkasse Hannover (seit Anfang 2012)
  • Sparkasse Braunschweig (seit Anfang 2012)
  • Sparkasse Wolfsburg (seit Anfang 2012)

Volks-, Raiffeisen- und andere Genossenschaftsbanken

Grundsätzlich stehen die Volks- und Raiffeisenbanken dem "girogo"-Projekt sehr förderlich gegenüber.

  • Volksbank Hannover (seit April 2012)
  • Volksbank Braunschweig-Wolfsburg (seit April 2012)
  • Volksbank Hildesheim (seit April 2012)
  • Volksbank in Schaumburg (seit April 2012)

Welche Händler/Ketten beteiligen sich?

Am 11.7.2012 gab es bundesweit genau 322 Akzeptanz-Stellen für "girogo":

  • Gillmeister Buchhandlung (2x)
  • Christ Juweliere (9x)
  • Ditsch "Bäckerei" (6x)
  • dm Drogeriemarkt (51x)
  • Douglas "Parfümerie" (22x)
  • EDEKA und E-Center (69x)
  • Esso Tankstellen (56x)
  • Freibad Lahstedt (1x)
  • Fuckes Bäckerei (1x)
  • Hussel Süßigkeiten (12x)
  • Jet Tankstelle (3x)
  • Marktkauf (1x)
  • Netto Supermarkt (2x) (Netto ist Teil von EDEKA Minden-Hannover!)
  • NP Supermarkt (78x) (NP ist Teil von EDEKA Minden-Hannover!)
  • Sanifair Öffentliche Toiletten (1x)
  • Süßes Kaufhaus (1x)
  • Thalia Buchhandlung (3x)

Man erkennt den gewaltigen Einfluß der EDEKA-Gruppe, die zu diesem Zeitpunkt inklusive ihrer Tochterfirmen Netto und NP insgesamt 149 der insgesamt 322 Akzeptanzstellen betreibt. Das sind mehr als 46%.

Die vollständige Liste mit Stand vom 11.7.2012 gibt es hier.

Weitere einzelne Projektteilnehmer

  • FC Ingolstadt 04 (ab Herbst 2012)
  • BASF-Betriebskantinen (ab Herbst 2012)
  • Schulmensa der Real- und Wirtschaftsschule Krauß in Aschaffenburg (ab Mai 2012)

Absichten hinter "girogo"

Angeblich

Wie man der massiven PR-Kampagne entnehmen kann, geht es bei "girogo" angeblich darum, um uns das Leben zu erleichtern. Wir sollen weniger lange an der Kasse warten müssen, alles wird schöner.

In dem von der "Initiative Geldkarte e.V. - Gemeinsam für den Chip im Alltag" (ebenfalls von der Euro Kartensysteme GmbH und damit von der "Deutschen Kreditwirtschaft" betrieben und finanziert!) herausgegebenen PR-Zeitschrift "ProChip" (Ausgabe 9, Mai 2012) heißt es in der Einleitung treffenderweise:

Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie mich direkt mit einer sehr guten Neuigkeit beginnen: Wir werden immer mobiler - und das Bezahlen auch. Das ist auch notwendig. Denn insbesondere kleinere Besorgungen kosten bislang überdurchschnittlich viel Zeit. In der Mittagspause oder nach Feierabend sind die Warteschlangen überall lang. Da die meisten Umsätze im Einzelhandel (rund 94%) mit Beträgen unter 20 Euro generiert werden, müssen gerade diese Bezahlvorgänge kürzer werden.

Tatsächlich

Es ist ganz klar: Wo Unternehmen (wie in diesem Fall vorrangig der Deutsche Sparkassen- und Giroverband) derartig viel Geld in eine Kampagne wie hier das für das Produkt "girogo" stecken, dann stecken da weniger die guten Absichten zur Verbesserung unserer Wartezeiten im Vordergrund, sondern es geht um Geld.

Derzeit drängen auch andere Finanzdienstleister, wie z.B. der US-Konzern "MasterCard" mit seinem vergleichbaren Funkchip-Bezahlsystem "PayPass" auf den Markt und versuchen Kunden und Händler mit allen möglichen Mitteln und Methoden davon zu überzeugen, wie toll das berührungslose (allgemeiner: das bargeldlose) Bezahlen doch ist.

Bei jedem bargeldlosen Bezahlvorgang wird ein bestimmter Prozentsatz des Umsatzes als Bearbeitungsgebühr an den Kartenbetreiber abgeführt. Es geht hierbei um Summen von vielen Millionen Euro jährlich, die auf diese Weise Jahr für Jahr "erwirtschaftet" werden können und um genau dieses Geld geht es.

Ob bzw. in welchem Umfang diese Summen an "girogo" oder "PayPass" gehen, das ist der Kern der PR-Hypes um diese Systeme.

Um wie viel Geld geht es?

In einer aktuellen Verlautbarung des Handelsverbands Deutschlands vom April 2012 wird zunächst bestätigt: "Das Zahlen mit Karte wird immer beliebter."

Ausgehend von einem Einzelhandels-Umsatz von ca. 380 Milliarden Euro für das Jahr 2011 (woanders heißt es sogar: 414 Milliarden Euro)werden davon insgesamt 39,7% bargeldlos mit Hilfe von ec-Karten (gesamt 33,7%), Kreditkarten (5,3%) oder Handelskarten (0,7%) umgesetzt, was rund 150 Milliarden Euro entspricht.

Für jede Transaktion mittels ec-cash-, Geldkarten- oder "girogo"-System werden dem Händler, der diese Transaktion mit dem Einkaufenden durchführt 0,3% des Umsatzes an Gebühren abgezogen, und zwar von den Betreibern der Kartensysteme, der Banken also.

Selbstverständlich darf man diese 0,3% nun nicht auf die 150 Milliarden Euro anrechnen (das entspräche Umsatzgebühren von 450 Millionen Euro), denn die Kreditkarten sind hier außen vor (und verlangen sogar Gebühren in Höhe von 2 bis 4% vom Umsatz!) und "girogo" soll ja (vorerst!) nur die kleineren Summen von bis zu 20 Euro abdecken können. Zahlen, wie hoch der Anteil der Zahlungen von weniger als 20 Euro am Gesamtumsatz ist, liegen uns derzeit leider nicht vor.

Aber klar ist auf jeden Fall auch so: Es geht hier um Gelder und Gewinne von Zig bis Hunderten von Millionen Euro. Dieses Geschäft möchte sich die deutsche Bankenwirtschaft nicht von amerikanischen oder anderen Kreditkarten-Unternehmen abnehmen lassen ...

Händler- und Konzerninteressen

Genau so wie die Banken freut sich jeder Händler und jedes bezahlungsabckelnde Unternehmen darüber, wenn weniger Zahlungen mittels Bargeld vorgenommen werden, denn der Umgang mit Bargeld ist im Verhältnis zur "elektronischen" bzw. "bargeldlosen" Bezahlung mit mehr Aufwand also Kosten verbunden.

Dazu passt auch die Aussage des Vorstandssmitglieds Herr Mücher der EDEKA-Gruppe Minden-Hannover (die gerüchteweise als weiterer "Push"-Akteur agiert) zur Einführung von "girogo":

Vorteile sieht Mücher auch für den Einzelhandel, der perspektivisch den Aufwand für die Bereitstellung und Entsorgung von Bargeld minimieren könne.
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