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„Wovon Mielke nur träumen konnte, will Schäuble Wirklichkeit werden lassen.“

Nach Plänen von CDU, CSU und SPD soll ab 2008 nachvollziehbar werden, wer mit wem in den letzten sechs Monaten per Telefon, Handy oder E-Mail in Verbindung gestanden hat. Bei Handy-Telefonaten und SMS soll auch der jeweilige Standort des Benutzers festgehalten werden. Anonymisierungsdienste wie beispielsweise TOR [1], sollen ebenfalls zur Speicherung verpflichtet werden, wodurch anonyme Telekommunikation faktisch „verboten“ wird. Mit Hilfe der über die gesamte Bevölkerung gespeicherten Daten können Bewegungsprofile erstellt, geschäftliche Kontakte rekonstruiert und Freundschaftsbeziehungen identifiziert werden. Auch Rückschlüsse auf den Inhalt der Kommunikation, auf persönliche Interessen und die Lebenssituation der Kommunizierenden werden möglich. Zugriff auf die Daten sollen Polizei, Staatsanwaltschaft, Nachrichtendienste und ausländische Staaten erhalten, die sich davon eine verbesserte Strafverfolgung versprechen. Wie bei allen Datenbergen laden auch diese praktisch zum Missbrauch ein und wecken entsprechende Zugriffswünsche erst durch Ihr Vorhandensein. Derzeit dürfen Telekommunikationsanbieter nur die zur Abrechnung erforderlichen Verbindungsdaten speichern. Dazu gehören Standortdaten und Email-Verbindungsdaten noch nicht. Der Kunde kann verlangen, dass Abrechnungsdaten mit Rechnungsversand gelöscht werden. Durch die Benutzung von Pauschaltarifen, sogenannter „Flatrates“ kann eine Speicherung zudem bisher gänzlich vermieden werden, was für viele Berufsgruppen wie Rechtsanwälte, Journalisten und Beratungsstellen sehr wichtig sein kann.

Die aktuellen Pläne zur Aufzeichnung von Informationen über die Kommunikation, Bewegung und Mediennutzung jedes Bürgers stellen die bislang größte Gefahr für unser Recht auf ein selbstbestimmtes und privates Leben dar. Denn unter einer Vorratsdatenspeicherung werden wir alle leiden. Eine Vorratsdatenspeicherung greift unverhältnismäßig in die persönliche Privatsphäre ein und beeinträchtigt berufliche Aktivitäten (z.B. in den Bereichen Medizin, Recht, Kirche, Journalismus) ebenso wie politische, juristische und unternehmerische Aktivitäten, die Vertraulichkeit voraussetzen. Dadurch schadet sie letztlich unserer freiheitlichen Gesellschaft insgesamt.

Die Vorratsdatenspeicherung stellt ein Instrument zur Mustererkennung sozialen Verhaltens dar. Der Anschlag auf die Londoner U-Bahn hat gezeigt, dass das Verhalten von planenden Terroristen oder Schwerkriminellen aber eben nicht vorhersehbar ist oder Maßnahmen zur Umgehung eingesetzt werden. Somit trifft diese Maßnahme nicht die angebliche „Zielgruppe“.

Dadurch, dass die Vorratsdatenspeicherung das (mitunter intime) Kommunikationsverhalten aller Bürger pauschal nachvollzieh- und staatlich kontrollierbar macht, verstößt sie massiv gegen das Menschenrecht auf Privatsphäre und informationelle Selbstbestimmung aus Artikel 10 des Grundgesetzes. Auf diesen Umstand wurde die Bundesregierung nicht nur durch den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages, sondern auch von vielen anderen unabhängigen Experten immer wieder detailliert hingewiesen. Ferner ist die Umsetzung dieses Vorhabens teuer und belastet Wirtschaft und Verbraucher. Alleine die Speicherung der Terabyte großen Datenmengen würde die Kommunikationskosten um mind. 10 bis 15% pro Monat steigern. An einem der größten Internetknoten in Frankfurt a.M. fallen beispielsweise über 150 MB [2] Daten in der Sekunde an. Der Gesetzesentwurf wurde am 18 April diesen Jahres vom Bundeskabinett mit leichten Änderungen angenommen worden und Bundesjustizministerin Brigitte Zypries verkaufte dies als Erfolg für den Schutz von Demokratie und Bürgerrechten – das Gegenteil ist der Fall. Die pauschale Speicherung stellt einen gefährlichen Präzedenzfall für das Rechtssystem der Demokratie dar, bedeutet sie doch die faktische Abschaffung der Unschuldsvermutung.

Vor allem CDU/CSU, aber auch große Teile des Koalitionspartners SPD tragen den Speicher- und Überwachungswahn maßgeblich mit. Der Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung koordiniert daher bundesweit durch Öffentlichkeitsarbeit, die Organisation von Protestaktionen und Infoveranstaltungen die Arbeit gegen die geplante Vollprotokollierung der gesamten Bevölkerung und versucht, die Politik auch direkt zu beeinflussen, indem er direkt mit Abgeordneten und anderen „Entscheidungsträgern“ spricht. Unterstützt wird er dabei durch ein breites Bündnis von Bürgerrechtsorganisationen und Berufsverbänden, Datenschützern und Bürgern – jeder einzelne kann sich also an der Arbeit beteiligen.

Ob die Vorratsdatenspeicherung noch verhindert werden kann, hängt wesentlich vom öffentlichen Druck ab. Wie man selbst aktiv werden kann, beispielsweise durch einen Offenen Brief an die Bundestagsabgeordneten oder Unterzeichnung der geplanten Verfassungsbeschwerde, wird auf der Internetseite des AK Vorrat [3] erläutert. Hier finden sich auch Informationen zu kommenden Veranstaltungen und Aktionen oder den lokalen Ortsgruppen.

Aber natürlich: die Vorratsdatenspeicherung ist nur ein Baustein zur umfassenden und präventiven Überwachung aller EU-Bürger, wenn auch das drastischste und gefährlichste Beispiel.


Michael Kappes IT-Systemberater / Berlin

Ricardo Cristof Remmert-Fontes Künstler, Berater / Berlin

Quellen und Links:

[1] TOR Anonymisierungsdienst: http://tor.eff.org/index.html.de

[2] Trafficquelle (DE-CIX) https://ecc.equinix.com/peering/ExchangeTrafficHome.jsp

[3] AK Vorratsdatenspeicherung: https://www.vorratsdatenspeicherung.de


-- Kein Hinweis auf LinuxTag, da die Planung noch nicht abgeschlossen. TOR ist übrigens mitnichten ein Projekt des Fraunhofer Institutes und FFII, siehe http://de.wikipedia.org/wiki/TOR

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