Position von Dr. Wolfgang Götzer

Aus Freiheit statt Angst!

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2010-03-16

Vorratsdatenspeicherung


Sehr geehrter Herr xxx,


für Ihre Email vom 12. März dieses Jahres, in dem Sie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung vom 2. März 2010 ansprechen, danke ich Ihnen.

Das Bundesverfassungsgericht hat die gesetzgeberische Grundentscheidung, dass in bestimmten Fällen schwerwiegender Straftaten ein Eingriff in das Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 GG möglich ist, bestätigt. Es hat auch zugestanden, dass die Vorratsdatenspeicherung und der darauf gründende Verkehrsdatenabruf zur Aufklärung solcher Straftaten erforderliche und geeignete Ermittlungsinstrumente sind. Lediglich die konkrete Ausgestaltung der Vorratsdatenspeicherung hat das Bundesverfassungsgericht für nicht verfassungsgemäß und (mit 4:4 Stimmen) für nichtig gehalten.

Der Gesetzgeber ist jetzt gefordert, das Urteil sorgfältig zu analysieren. Da das Gericht in seinen Urteilsgründen für die Korrektur der Regelungen klare Vorgaben gemacht hat, kann aus Sicht von CDU und CSU jetzt zügig nachgebessert werden.

Die gegenwärtige Situation, in der die Vorratsdatenspeicherung zur Strafverfolgung oder Gefahrenabwehr gar nicht mehr eingesetzt werden kann, halte ich für nicht hinnehmbar. Von den kritischen Kommentaren aus Fachkreisen, sei hier nur auf die Stellungnahme des Bundes Deutscher Kriminalbeamter vom 02.03.2010 hingewiesen. Dort wird u. a. befürchtet, dass das Recht und der Anspruch des Bürgers, nicht Opfer einer Straftat zu werden, erheblich reduziert werden. Das Urteil schütze den Täter, der sich der elektronischen Kommunikation bediene. Wir sind als CDU/CSU-Fraktion nicht bereit, uns dem Vorwurf auszusetzen, durch gesetzgeberisches Unterlassen die Sicherheit der Menschen zu gefährden.

Zudem verpflichtet uns auch die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung zur Umsetzung. Diese Richtlinie gilt nach wie vor.

Zur grundsätzlichen Erforderlichkeit der Vorratsdatenspeicherung möchte ich noch auf folgendes hinweisen:

Die Rechtspolitik bewegt sich im Bereich der Telekommunikationsüberwachung in einem Spannungsfeld. Dem Grundrechtsschutz der Bürger steht die ebenfalls verfassungsrechtlich gebotene Pflicht des Staates zu einer effektiven Strafverfolgung gegenüber. Das Bundesverfassungsgericht hat immer wieder das öffentliche Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren betont und die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten als einen wesentlichen Auftrag des staatlichen Gemeinwesens hervorgehoben (BVerfGE 107, 299, 316 m. w. N.). Grundrechtsschutz der Bürger und Strafverfolgungsinteresse des Staates müssen deshalb in einen vernünftigen Ausgleich gebracht werden.

Die sogenannte Vorratsdatenspeicherung ist ein Ermittlungsinstrument, das für die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten unabdingbar ist. In der Diskussion hierüber wird vielfach übersehen, dass bereits nach der gegenwärtigen Rechtslage Telekommunikationsunternehmen Verbindungsdaten (Verkehrsdaten) zu Abrechnungszwecken speichern dürfen. Gesprächsinhalte dürfen insoweit nicht gespeichert werden. Über diese Daten haben die Telekommunikationsunternehmen nach den Vorschriften der Strafprozessordnung den Strafverfolgungsbehörden Auskunft zu erteilen, wenn es um die Verfolgung schwerer Straftaten geht. Die Anordnung der Erteilung einer Auskunft ist an strenge rechtsstaatliche Voraussetzungen (u. a. konkreter begründeter Verdacht, keine anderweitige Möglichkeit der Aufklärung, Richtervorbehalt) geknüpft. Dieses Instrument der Verbindungsdatenabfrage hat sich in der Vergangenheit als unverzichtbar bei der Bekämpfung und Aufdeckung schwerer Kriminalität erwiesen. Mit der stetigen Zunahme sogenannter „Flatratetarife“, bei denen eine Speicherung von Verbindungsdaten zu Abrechnungszwecken durch die Telekommunikationsunternehmen nicht mehr erforderlich war, drohte es mehr und mehr seine Wirksamkeit zu verlieren. Die Möglichkeit, alleine durch Nutzung solcher Flatratetarife, Strafverfolgungsmaßnahmen zu erschweren oder zu vereiteln, dürfte insbesondere der organisierten Kriminalität nicht verborgen geblieben sein. Deshalb war es erforderlich, eine entsprechende Speicherungsverpflichtung der Telekommunikationsunternehmen, unabhängig davon, ob diese Daten zu Abrechnungszwecken benötigt werden, gesetzlich festzulegen.

Nicht zuletzt diese Erwägungen hatten die Bundesregierung bewogen, der Richtlinie Nr. 2006/24/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, zuzustimmen. Die Bundesregierung hat dies mit Unterstützung des Deutschen Bundestages getan (vgl. Entschließungsantrag der Fraktionen von CDU/CSU und SPD vom 7. Februar 2006 BT- Drs. 16/545). Auch der Deutsche Bundestag hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein Zugriff auf Telekommunikationsverkehrsdaten insbesondere bei Straftaten mit komplexen Täterstrukturen, wie sie für den internationalen Terrorismus und die organisierte Kriminalität kennzeichnend sind, und bei mittels Telekommunikation begangenen Straftaten unverzichtbar ist (Nr. I. 5 und 6 der Beschlussempfehlung).

Diese Gründe gelten auch angesichts der jetzigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts unverändert fort.


Mit freundlichen Grüßen


gez. Dr. Wolfgang Götzer, MdB

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