Vortrag zum Film A Scanner Darkly

Aus Freiheit statt Angst!

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Dieser Vortrag wurde in Tübingen für das Filmfestival Aktion Mensch 2008 gehalten. Ihr könnt ihn gerne für andere Termine verwenden und vorallem verbessern und erweitern. Hp 15:30, 14. Apr. 2008 (CEST)

Inhaltsverzeichnis

A scanner darkly

Einleitung

Liebe Freunde und Freundinnen und interessierte Gäste!

Ich bin VORNAME NACHNAHME vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung STADT.

Ich möchte gerne mit Ihnen über den eben gezeigten Film sprechen und ihn mit der aktuellen Situation im Bereich Bürgerrechte und Überwachung in Zusammenhang bringen.

Dazu habe ich einen kurzen Vortrag vorbereitet und würde mich freuen wenn wir dann in eine interessante Diskussion einsteigen würden.

Filmanalyse

Zunächst sah das ja alles nach Science Fiction aus - ist es natürlich auch im Bezug auf den alltäglichen Einsatz der Technologien. In filmischer Überspitzung sehen wir die Auswirkungen eines vollständig überwachten Lebens: An die Privatsphäre der einzelnen Menschen ist nicht mehr zu denken, das Leben kann vollständig mehrdimensional erfasst und ausgewertet werden - es verbleibt kein unbeobachteter Bereich.

Ich frage mich da immer: Ob die Leute, die von sich behaupten sie hätten nichts zu verbergen, dieses Konzept von Überwachung ihrer Person auch gutheißen würden. Aber wahrscheinlich glauben sie, das sie nicht davon betroffen sein werden.

Ich persönlich finde den Film im Zusammengang mit einer Veranstaltung zum Thema Überwachung sehr anspruchsvoll, weil das Thema Drogen zunächst im Vordergrund steht. Wenn man es ganz technokratisch haben will könnte man die menschlichen Verwerfungen sogar ausblenden und zum Schluß kommen, dass ja am Ende die Polizei New Path auf die Spur gekommen ist - sozusagen im Kampf gegen Substanz T erfolgreich war.

Das ist aber gleichzeitig auch die Herausforderung des Films: Überwachung kann das Sicherheitsgefüge in dem wir Leben verändern. Zu fragen bleibt aber, wie bei jeder staatlichen oder sonstwie gearteten Maßnahme: Wieviel mehr an Verbrechensbekämpfung tauschen wir gegen unsere Freiheit ein?

Auch wenn Benjamini Franklin bald zu Tode zitiert sein wird: Trifft seine Zusammenfassung aus dem Jahre 1759 den Punkt am besten:

 Wer die Freiheit aufgibt, um etwas Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.

Was nur zu gerne vergessen wird ist ja gerade, dass wir mit jeder zusätzlichen Überwachungmaßnahme ein Stück Sicherheit, vom Staat unbehelligt zu bleiben, verlieren.

Dazu zeigt der Film recht deutlich das trotz unglaublich ausgefeilter Überwachungsmehtoden die Kriminaltiät - wobei es sich bei A Scanner darkly ja primär nur um Drogenkriminalität handelt - nicht verhindert oder gar vermindert wird. Ein riesiger Überwachungsapparat scannt alle Telefonate und Kommunikation - sozusagen Vorratsdatenspeicherung 2.0 in Echtzeit - und verhindert trotzdem nicht, dass die Gesellschaft in den Abgrund schlittert.

Ganz alltäglich können wir das auch bei der Videoüberwachung sehen: Die Installation von öffentlichen Kameras findet großen Zuspruch in der Bevölkerung. Soweit wundert das erstmal niemand werden doch zunächst nur sogenannte Kriminalitätsschwerpunkte überwacht. Doch meist verlagern sich die Kriminalitätsschwerpunkte nur in nicht überwachte Gebiete. Und zur Belustigung der Menschen die sich etwas intensiver damit beschäftigen, wird dann oft noch von Erfolgen gesprochen weil sich die Deliktzahl insgesamt verringert: Im Klartext: Die durch die Videoüberwachung verschlechterte Polizeiarbeit wird als Erfolg deklariert! Frei nach dem Motto: Wo wir keine Kenntnis von Kriminalität haben ist auch keine.

Aber der spannendste Punkt bei Videoüberwachung ist eigentlich ein ganz anderer: Die Menschen fühlen sich an den überwachten Orten nichtmal sicherer als vor der Überwachung. Hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit objektiv Opfer einer Straftat zu werden ist das ja falsch. Wobei die Deutungstheorie interessant ist, das sich da teilweise unbewusste unangenehme Gefühl durch die Überwachung zu einem neuen Unsicherheitsgefühl zusammensetzen.

Und das spiegelt auch der Film wieder - wenn auch in einem krassen extrem: Wir haben gesehen wie die allgegenwärtige Überwachung dazu führt, dass man sein Verhalten anpasst.

Der Polizist Fred, der sich in seiner Deckidentität Bob Arctor ja letztendlich selbst bespitzeln muss, tut dies ab einem gewissen Zeitpunkt völlig authentisch. Das Überwachungsszenario im Film ist derart umfassend, dass für den Protagonisten eine schizophrene Situation ensteht: die Grenze zwischen Realität und Abbildung verschwimmt.

Der Film zeigt die vollständige Überwachungsstaat, wie aber sieht es denn aktuell bei uns aus? Wie balanciert sich der Anspruch aus Gefahrenabwehr und Bürgerrechten der einzelnen Personen aus?

Aktuelle Tendenzen aus dem Bereich Überwachung

Die Kurzzusammenfassung lautet ungefähr: Die Legislative lotet bewusst die Verfassung, aus in dem es verfassungswidrige Gesetze verabschiedet, die dann vom Bundesverfassungsgericht wieder eingeschränkt werden.

Zu diesem Rechtsverständnis von Schäuble, Zypries und deren Länderpendants ließe sich ein eigener Abend füllen.

Auf alle aktuellen Punkte aus dem Bereich Überwachung einzugehen würde hier den Zeitrahmen deutlich sprengen, dazu verweise ich auf unsere Zusatzveranstaltung

Falls vorhanden !!!

Zu dieser Veranstaltung würde ich sie hier alle gerne einladen.

kurze Pause

Die grundsätzliche Tendenz bei allen staatlichen Maßnahmen im Bereich der sogenannten Terrorabwehr weicht leider den Grundsatz

 Man ist solange unschuldig bis das Gegenteil bewiesen wurde!

auf.

Bei Themen wie der Mautdatenverwendung, dem Zugriff auf Passfotos und Fingerabdrücken in den Pässen, der Flug- und Seereisendatenspeicherung und der Vorratsdatenspeicherung werden zunächst alle Bürger unter Generalverdacht gestellt.

Wer sich jetzt zurücklehnt und denkt, ich bin ja kein Terrorist und muslimisch sowieso nicht, sollte einerseits wissen, dass in Deutschland im Gegensatz zu amerikanischen Filmen eben kein Beweisverwertungsverbot besteht.

Im Klartext: Nebenfunde aus Abhörmaßnahmen können, dürfen und werden polizeilich verfolgt.

Etwas zugespitzt: Wenn sie also unter Terrorverdacht stehen, aber nur das neueste Album ihrer Lieblingsband heruntergeladen haben, können sie dafür belangt werden.

Dazu kommt aber jetzt, dass durch die generelle Speicherung der Daten jeder Deutsche ein potenzieller Terrorist ist – eben bis die Daten das Gegenteil beweisen.

Die diffuse Terrorabwehr soll inzwischen alles rechtfertigen. In der Natur der Sache liegt es allerdings das keiner wirklich objektive Zahlen zur Terrorgefahr vorlegen kann. Da kann man dann passend Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble zitieren:

 Ob die Daten geeignet wären, den Täter zu fassen, weiß kein Mensch.

Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Da geben die entsprechenden Stellen sogar zu, dass Sie eigentlich wild ins Blaue schießen. Als ob in einem Rechtsstaat alles erlaubt wäre was vielleicht Erfolge bringt. Sicherlich wünscht sich keiner, dass schlampig gearbeitet wird und so ein Anschlag nicht verhindert werden kann. Aber die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Mittel muss erlaubt bleiben.

Ich möchte dazu mal einen Vergleich bringen: Die Zahl der jährlichen Verkehrstoten in Deutschland ist weit größer als die Zahl der Terrorismusopfer in Europa in den letzten zehn Jahren.

Beim Straßenverkehr haben wir das Restrisiko akzeptiert. Der Bereich Terrorismus lässt sich hingegen noch wunderbar instrumentalisieren.

Wir leben in einer freien Gesellschaft in der es Restrisikos gibt und immer geben wird - nur in perfekten Dystopien wie George Orwells 1984 lässt sich ein Restrisiko ausschließen.

Im Bereich Datenschutz und Bürgerrechte haben wir es allerdings mit einem Recht interessanten Phänomen zu tun. Das vermutete Unwohlsein eines Volkes unter Generalverdacht ist eher akademischer Natur: Die meisten Menschen haben entweder eine grenzenloses Vertrauen in die vielen datenverarbeitenden Stellen oder erfassen die Möglichkeiten digitaler Datenverarbeitung nicht. Ganz zu schweigen von denen die entweder nicht informiert bzw. die sich nicht informieren wollen.

Das könnte vielleicht auch daran liegen, dass die meisten Menschen den Begriff informationelle Selbstbestimmung nicht wirklich fassen und für sich einordnen können.

Selbst für lächerliche Rabatte ist man gerne bereit seine Daten an Wirtschaftsunternehmen zu geben, um so gezielt von sich ein Profil erstellen zu lassen. Hier kann ich als mündiger Bürder allerdings noch selbst entscheiden, hole ich mir eine Payback Karte oder verzichte ich darauf mein Einkaufsverhalten unterbewusst steuern zu lassen.

Im Bereich Web 2.0 wirds da schon schwieriger: In ein paar Jahren wird es schlicht nicht mehr möglich sein am normalen Leben teilzunehmen ohne sich bei Datenschleudern wie StudiVZ oder Xing zu registrieren.

Im Bereich staatlicher Überwachung ist es dann vollkommen umnmöglich. Der normale Bürger kann sich zunächst keiner staatlichen Überwachungsmaßnahme entziehen. Aktuell und umfassend ist da ja die Vorratsdatenspeicherung. Erstaunlicherweise wissen rund 70 % der deutschen überhaupt nicht was das ist.

Aus Interesse würde ich gerne mal nachfragen wer den hier im Raum schonmal was von Vorratsdatenspeicherung gehört hat?

kurz abwarten wer sich meldet

Und wer könnte auch kurz zusammenfassen worum es da geht? - keine Angst ich frag jetzt gleich nicht danach:

wieder kurz warten

Vorratsdatenspeicherung was ist das eigentlich?

Für die Leute die noch nicht Bescheid wissen würde ich gerne die Vorratsdatenspeicherung erklären. Die ist ja zum 1. Januar dieses Jahres in Kraft getreten und wurde jetzt vom BundesVerfassungsgericht im Eilverfahren wieder etwas eingeschränkt.

Unter dem Stichwort Vorratsdatenspeicherung versteht man die gesetzliche Verpflichtung für alle Telekommunikationsanbieter, alle Verbindungsdaten für sechs Monate zu speichern um sie den Strafverfolgungsbehörden zugänglich zu machen; Das heißt im Klartext, dass in Zukunft gespeichert werden soll:

  • Wann hat wer mit wem und wie lange telefoniert? (Das gilt auch für Internet-Telefonie!)
  • Bei Handys auch: Wann hat wer mit wem wie lange von wo aus telefoniert? (Es ist bei jedem Handy möglich, sehr zielgenau den Standort zu bestimmen.)
  • Wer hat wem wann eine SMS geschickt?
  • Wann hat sich wer mit welcher IP-Adresse wo wie lange ins Internet eingewählt?
  • Wer hat wem wann welche E-Mail geschickt?

Also wer jetzt da nicht folgen konnte - ich weise nochmal auf unseren Infotisch am Eingang hin.

Dazu kommt das alle Vertrauensberufe also Rechtsanwälte, Ärzte etc. die entweder der Schweigepflicht unterliegen oder denen ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht nicht von der Speicherung ausgenommen sind.

Aber das beste an der ganzen Regelung ist: Für kriminelle und sagen wir mal Terroristen ist die Speicherung sehr leicht zu umgehen. Sich anonym im Internet zu bewegen ist noch nicht verboten und technisch relativ leicht für jeden machbar. Sich ein anonymes Prepaid Handy zu besorgen ist ebenso mit minimalen Aufwand verbunden.

Was bleibt also? Hier sollen angebliche Topterroristen mit Mitteln gegen Kleinkriminelle gefasst werden.

Selbstreflexion

Was mich allerdings neben den ganzen staatlichen oder von Unternehmen veranlassten Datensammelungen immer erstaunt ist die völlige Unbedarftheit mit denen die meisten Mitmenschen mit ihren Daten umgehen.

Ganz aktuell war ich am Sonntag zufälligerweise beim Start- und Zielpunkt von Lustnau Läuft. Da gabs dann Kaffee Kuchen und viele Info Stände zu Sport und drumherum. Die Allgemenein Ortskrankenkasse AOK hatte auch einen Stand aufgebaut, dort konnte man seine Körperfettwerte messen lassen.

Soweit so gut, allerdings wurde einem vor der Messung ganz selbstverständlich ein Blatt hingelegt auf dem alle Persönlichen Daten wie Name, Adresse, Geburtsdatum, Größe und Gewicht eingetragen werden sollten.

Und das bei einer Krankenkasse.

Ich unterstelle hier der AOK gar keine bösen Absichten, allerdings fand ich es erstaunlich wie brav und ungefragt alle diesen Zettel ausfüllten.

Was geht die AOK meine Adresse an? Was geht sie meine Körpergewicht oder meine Größe an? Was geht sie an wo ich krankversichert bin? Ich bin da ja eben nicht bei der AOK versichert. Dazu kommt das die Datensammlung rein rechtlich gesehen nicht mal dazu verwendet werden durfte, neue Mitglieder zu sammeln, da die entsprechende Einwilligung auf dem Papier nicht eingeholt wurde.

Wobei ich mir kaum einen anderen Zweck als diesen für die Datensammlung vorstellen kann. Und da ist doch eingentlich ein leichtes nur die lohnenden Mitglieder - also die mit einem gesunden Body Mass Index - selektiv zu werben, und am besten schonmal die ersten Daten in die Patientenakte einzutragen .

Mit dieser Geschichte möchte ich meinen Vortrag schließen und hoffe das Sie in Zukunft besser auf Ihre Daten aufpassen.

Vielen Dank für's Zuhören!

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