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Aktuelle Version vom 2. November 2008, 23:04 Uhr

Die Datensammler

Stellen Sie sich vor, Sie kommen aus dem Supermarkt, haben zwei prallvolle Plastiktüten in der Hand und werden angesprochen: „Packen Sie bitte mal alle ihre Einkäufe aus und legen sie sie hier auf den Tisch, so, dass wir alles gut sehen können. Mein Mitarbeiter wird jetzt notieren, was sie gekauft haben, dafür benötigen wir auch noch ihren Personalausweis, ihre Telefonnummer und ihre E-Mail-Adresse.“ Würden Sie sich das gefallen lassen? Nein?

Viele tun das im Prinzip aber – allerdings häufig, ohne dies zu wissen. Am schnellsten wird man mit einer Kundenkarte zum gläsernen Shopper. Um mit den inzwischen weit verbreiteten Rabattkarten (z.B. PAYBACK) ein bisschen was zu sparen, füllt man schnell mal ein Antragsformular aus. Meist im Vorraum des Supermarktes, etwas in Eile, und schwupps hat man im Kleingedruckten übersehen, dass man der Datensammelleidenschaft der Supermarktkette zustimmt. Und: Man hat auch schnell übersehen, dass man durch einfaches Nicht-Widersprechen zugestimmt hat, dass alle persönlichen Daten an Dritte weitergegeben werden können. Ein Vergleich der Zeitschrift Finanztest im Februar 2005 hat gezeigt, dass der Kunde nur bei 2 von 36 Karten anonym bleiben kann, obwohl Name und Adresse für ein Rabattsystem gar nicht nötig wären.

Und was ist so schlimm daran, dass jemand weiss, wann und welchen Käse ich kaufe oder wieviel Toilettenpapier ich brauche? Nun, das Problem sind oft nicht die einzelnen Informationen über eine Person, sondern die theoretische oder tatsächlich auch praktische Möglichkeit, diese zu kombinieren. Und die Masse an personenbezogenen Daten, die bereits in Hunderten von Datenbanken lagern. Konstruieren wir uns mal ein Beispiel: Dirk H. hat jahrelang an seiner Schule die Oberstufendisco organisiert. Dazu gehörte auch der Getränkeeinkauf, u.a. jeweils ein paar Kästen Bier. Die hat er im großen Supermarkt vor Ort gekauft. Natürlich mit Kundenkarte, weil das bei der Summe ganz schon Bonus-Punkte gab. Nach dem Abitur hat sich Dirk H. bei dem Supermarkt um einen Ausbildungsplatz beworben. Die Personalabteilung hat sich mal schnell das Kundenprofil von Dirk H. angeschaut und festgestellt, dass er durchschnittlich drei Kästen Bier pro Woche gekauft hat. Ob er wohl zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen wird? Das eigentliche Problem dabei ist nämlich, dass man nur allzu schnell einen Stempel aufgedrückt bekommt – und nicht mehr los wird. Einmal ein Etikett, ist man vielleicht für ewige Zeiten der Bierkastenkäufer, der Pornoleser, der Kettenraucher oder was auch immer.

Oder auch der Mieter zweiter Klasse: Auf eine ganz clevere Idee ist z.B. die Firma infas GEOdaten gekommen. Sie ist systematisch durch Deutschland gefahren und hat fast alle Straßen und Gebäude danach bewertet, ob dort Mehrfamilienhäuser oder teure Villen sind, welche Autos vor der Tür stehen etc. Man kann also zu vielen Adresse in Deutschland abfragen, ob dort augenscheinlich reiche Leute wohnen oder eher Sozialhilfeempfänger. Sucht man eine Wohnung und kommt aus einem schlecht bewerteten Gebiet, stehen die Chancen mit Sicherheit schlechter... Eine andere Firma bietet Hauseigentümern und Vermietern die Möglichkeit, unliebsame Mieter in eine Liste einzutragen. Da kann dann jeder andere Vermieter vor dem Abschluss eines Mietvertrags nachschauen, ob der Wohnungsinteressent woanders schon mal wegen lauter Musik oder Zahlungsschwierigkeiten aufgefallen ist. Wenn die Daten auf Reise gehen...

Noch schwieriger wird es, wenn verschiedene Datenbanken miteinander verknüpft werden, ohne dass der Betroffene etwas davon weiss. So etwas darf eigentlich gar nicht vorkommen. Das Datenschutzgesetz verbietet es, Kundenprofile weiterzugeben oder gar zu verkaufen. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung besagt u.a., dass jeder selbst über die Veröffentlichung und Nutzung seiner persönlichen Daten entscheiden darf.

Aber wie schnell hat man zugestimmt? Mal eben bei einem Gewinnspiel am Bahnhof mitgemacht (man musste sowieso warten und es gab einen Porsche zu gewinnen...!) und schon wird man Zuhause mit Werbeanrufen von Versicherungen und Autovermietungen belästigt. Wie kommt’s? Auf der Teilnahmekarte wurde neben der Adresse auch nach Hobbies, Einkommen und der Telefonnummer gefragt ("Alle Gewinner werden telefonisch benachrichtigt"). Im Kleingedruckten stand "Ich bin damit einverstanden, dass mir telefonisch und schriftlich interessante Angebote unterbreitet werden. Meine Daten dürfen an ausgewählte Geschäftspartner weitergegeben werden".

Aus: checked4you, dem Online-Jugendmagazin der Verbraucherzentrale NRW


„Knallhartes Datensammeln“

Kundenkarten gehören zum Alltag der meisten Deutschen dazu. Bei Datenschützern sind sie dagegen nicht besonders beliebt. Rena Tangens vom Bürgerrechtsverein FoeBuD gehört zu den größten Kritikern dieser Art von Kundenbindung.

ARD.de: Frau Tangens, Kundenkarten sind meist kostenlos und bringen Rabatte – ist das die ganze Wahrheit?

Tangens: Das Wichtigste ist, den Menschen bewusst zu machen, dass Daten, die sie als belanglos ansehen, etwas Wertvolles sind. Welche Kaffeesorte ich einkaufe, das ist erst mal eine banale Information. Die meisten Menschen sehen kein Problem darin, dass ein Geschäft das von ihnen weiß. Aber es wird übersehen, dass Daten, die in Mengen gesammelt werden, vielfältige Schlüsse zulassen, zum Beispiel auf das Einkommen. In Kombination damit, dass die Daten lange aufbewahrt werden, kann daraus ein aussagekräftiges Profil werden.

ARD.de: Aber die Betreiberfirmen großer Kundenkartensysteme wie Payback betonen, dass sie nicht im Detail wissen, welches Produkt der Kunde gekauft hat ...

Tangens: Wenn Sie mit ihrer Real-Paybackkarte bei Real einkaufen, dann haben Sie Ihre Daten Real preisgegeben, selbst wenn Payback sie nicht zentral speichert. Und auch wenn die Datensätze derzeit vielleicht noch nicht ausgewertet werden - die Datenbanken, mit denen diese Firmen arbeiten, sind darauf angelegt, die Produkte einzeln zu erfassen. Alexander Rittweger, Geschäftsführer von Loyalty Partner – der Firma, die hinter Payback steht –, hat in einem Interview auch nahe gelegt, dass einzelne Produkte analysiert werden sollen, zum Beispiel in Bezug auf die Packungsgröße. Die Möglichkeit ist also da, und die grundsätzliche Einwilligung der meisten Kunden auch.

ARD.de: Was werfen Sie Firmen wie Loyalty Partner, Betreiber von Payback, oder CAP, Betreiber von Happy Digits, vor?

Tangens: Es geht bei den Bonussystemen nicht wirklich um Kundenbindung, sondern knallhart ums Datensammeln. Aber die Kundenkartenanbieter verschleiern ihre wahren Absichten. Dadurch können sich die Menschen nicht vorstellen, dass Ihnen echte Nachteile entstehen. Nehmen Sie den Fall Tchibo, bei dem Kundendaten an einen Adressenhändler weitergegeben wurden. In den Geschäftsbedingungen hieß es: "Die Weitergabe Ihrer [...] persönlichen Daten an unberechtigte Dritte außerhalb des Unternehmens Tchibo ist grundsätzlich ausgeschlossen." Daraus schließen arglose Menschen, dass die Daten auf keinen Fall weitergegeben werden. Das Gegenteil ist der Fall, denn es gibt auch berechtigte Dritte – nämlich Unternehmen, mit denen Tchibo einen Vertrag geschlossen hat. Tchibo sagt, das ist doch legal. Wenn das Unternehmen die Kunden vorher gefragt hätte: "Sind Sie einverstanden, dass Ihre Adresse, angereichert mit Wohnortgröße, Kaufkraft und Versandhandelsneigung auf dem kommerziellen Adressmarkt verkauft wird?" – dann wäre es fair gewesen. Es bleibt die Frage, wer da "ja" angekreuzt hätte.

ARD.de: Worauf sollte man also achten?

Tangens: Wenn Sie etwas unterschreiben, sollten Sie immer genau auf die Informationen achten, die angeben, wie Ihre Daten verarbeitet werden. Dann sollten Sie überlegen, welche Daten für Ihr Anliegen wirklich notwendig sind und nur diese angeben – und alles durchstreichen, was Ihnen nicht plausibel erscheint. Zu erwähnen sind auch positive Beispiele, wie die Aktion von Aral, bei der Autofahrer Marken sammeln, die sie in ein Heft einkleben müssen. Um die Punkte gegen Prämien einzutauschen, muss man keine persönlichen Daten angeben. Das zeigt: Kundenbindung geht auch anders.

Aus: ARD-Online Ratgeber – Der gläserne Mensch

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