Pro und Contra Vorratsdatenspeicherung: Unterschied zwischen den Versionen

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==Bürgerrechte werden nicht beschnitten==
 
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Version vom 11. April 2007, 12:49 Uhr

Argumente der Befürworter einer Vorratsdatenspeicherung kritisch beleuchtet:

Verbindungsdaten sind zur Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität unverzichtbar

Falsch. Zur Kriminalitätsbekämpfung sind auch ohne eine Totalprotokollierung jeder Benutzung von Telefon, Handy und Internet genügend Verbindungsdaten verfügbar:

  • Zu Abrechnungszwecken werden bestimmte Verbindungsdaten ohnehin gespeichert, in Deutschland bis zu sechs Monate lang.
  • Darüber hinaus können die Sicherheitsbehörden bei Bedarf eine gerichtliche Anordnung beantragen, derzufolge die Verbindungsdaten bestimmter Verdächtiger aufzuzeichnen sind.
  • Die terroristischen Anschläge in Madrid im Jahr 2004 konnten mit Hilfe von Verbindungsdaten aufgeklärt werden, die ohnehin verfügbar waren. Eine Vorratsdatenspeicherung war nicht erforderlich.
  • Bis zum Beschluss der Vorratsspeicherungs-Richtlinie 2006 gab es weltweit nur wenige Länder mit Vorratsspeicherungspflichten. In keinem Land gab es eine so umfassende Protokollierung wie in der EU-Richtlinie vorgesehen. Die weltweiten Sicherheitsbehörden sind bisher stets ohne eine Totalprotokollierung der Telekommunikation ausgekommen.

Eine Vorratsdatenspeicherung ist gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität wirkungslos:

  • Ernsthafte Kriminelle bleiben unentdeckt, indem sie Umgehungsstrategien einsetzen (z.B. wechselnde Benutzung unregistrierter Prepaid-Handykarten) oder auf andere Kommunikationskanäle ausweichen (z.B. Post, persönliche Treffen).
  • Der Präsident des Europäischen Verbands der Polizei Heinz Kiefer warnte 2005: "Für Kriminelle bliebe es einfach, mit relativ simplen technischen Mitteln eine Entdeckung zu verhindern, z.B. durch den Einsatz und häufigen Wechsel im Ausland gekaufter, vorausbezahlter Mobiltelefonkarten. Das Ergebnis wäre ein enormer Aufwand mit wenig mehr Wirkung auf Kriminelle und Terroristen, als sie etwas zu verärgern."
  • Klaus Jansen, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, klagt bereits heute: "Da es sich herumgesprochen hat, dass Telefongespräche relativ leicht abgehört werden können, reden die Verdächtigen nur noch selten offen am Telefon". Wenn eine Vorratsdatenspeicherung kommt, werden sich Kriminelle auch darauf schnell einrichten.

Auch sonst verhindert eine Vorratsdatenspeicherung keine Kriminalität. Irland, das 2002 eine dreijährige Vorratsdatenspeicherung eingeführt hat, hat keinen Rückgang der Kriminalität vermelden können.

Wirklich nützlich für die Arbeit der Sicherheitsbehörden wären andere Maßnahmen, etwa verbesserte Zugriffsmöglichkeiten auf ausländische Verbindungsdaten:

  • Sicherheitsbehörden klagen, dass Auskünfte über Verbindungsdaten aus anderen EU-Staaten nur sehr langsam, aus Nicht-EU-Staaten überhaupt nicht zu erlangen sind. Dies beeinträchtige ihre Arbeit viel stärker als das Fehlen von Verbindungsdaten im Inland. Etwa 80% der Ermittlungen im Bereich Terrorismus und organisierte Kriminalität weisen internationale Bezüge auf.
  • Das Bundeskriminalamt nennt in seiner Untersuchung 361 Fälle, in denen den Ermittlungsbehörden Verbindungsdaten fehlten – gemessen an den 6 Mio. pro Jahr begangenen Straftaten eine verschwindend geringe Zahl.
  • Laut Bundeskriminalamts fehlen Verbindungsdaten im Wesentlichen nicht bei der Bekämpfung von Terrorismus und organisierte Kriminalität, sondern bei der Verfolgung des Austauschs von Kinderpornografie im Internet und bei der Ermittlung wegen Betrugsdelikten. Bei diesen Straftaten werden allerdings bereits ohne Vorratsdatenspeicherung die meisten positiven Ermittlungsergebnisse aller Straftaten erreicht. Außerdem ist bei Betrugsdelikten Prävention sehr viel wirkungsvoller als Strafverfolgung. Eine Sensibilisierung der Nutzer kann verhindern, dass sie leichtgläubig etwa auf Phishing-Mails hereinfallen und Schaden erleiden.

Jedes schwere Verbrechen, das verhindert wird, rechtfertigt schon die Vorratsdatenspeicherung

Falsch. Zunächst einmal wird es kaum jemals vorkommen, dass mithilfe von Verbindungsdaten eine Straftat verhindert werden kann. Selbst, wenn dies im Ausnahmefall einmal gelingen könnte, rechtfertigt die Verhinderung einzelner Straftaten keine Aufzeichnung der Kommunikation der gesamten Bevölkerung.

Nachteile

Die Nachteile einer Totalprotokollierung überwiegen deren Nutzen bei weitem:

  • Eine Vorratsspeicherung schreckt Informanten von Journalisten davon ab, wichtige Informationen über Missstände per Telefon, Fax oder Internet weiterzugeben. Informanten müssten ständig damit rechnen, dass ihr Kontakt mithilfe von Verbindungsdaten aufgedeckt werden kann.
  • Wer bei einem Anwalt, einem Arzt oder einer Beratungsstelle (z.B. Eheberatung, Suchtberatung, Telefonseelsorge) Rat sucht, müsste bedenken, das der Kontakt Rückschlüsse auf sein persönliches Problem (z.B. Ermittlungsverfahren, Krankheit, Ehekrise, Suchtproblem) zulassen kann und im Fall des Bekanntwerdens Nachteile drohen. Für Prominente, denen die Sensationspresse auf Schritt und Tritt nachspioniert, ist dies eine besondere Gefahr.
  • Vertrauliche Verhandlungen in der Wirtschaft über Großaufträge oder Fusionen würden behindert, weil die Beteiligten mit Wirtschaftsspionage rechnen müssten. Konkurrenzunternehmen könnten auf Verbindungsdaten zugreifen, um Aufträge "wegzuschnappen" oder Zusammenschlüsse zu verhindern.
  • Politiker würden erpressbar, weil ihre Kontakte zu umstrittenen Personen (z.B. Lobbyisten, Industrielle) nachvollziehbar würden.
  • Die Arbeit von politischen Aktivisten (z.B. Globalisierungskritiker, Castorgegner) würde behindert, weil sie mit einer - auch nachträglichen - Aufdeckung ihrer Netzwerke durch den Verfassungsschutz rechnen müssten.

Insgesamt würde die Unbefangenheit weiter Teile der zwischenmenschlichen Kommunikation verloren gehen, und zwar spätestens, wenn der erste Missbrauchsfall an das Licht der Öffentlichkeit gelangt. Abhörskandale hat es bereits in Griechenland und Italien gegeben. In den USA können Verbindungsdaten käuflich erworben werden. In Deutschland ist Missbrauch mit Bonusmeilen-Daten und die Bespitzelung von Journalisten durch Geheimdienste bekannt geworden. Dass auch vorratsgespeicherte Kommunikationsdaten missbraucht würden, ist nur eine Frage der Zeit - und der Geldsumme, die z.B. einem Telekom-Mitarbeiter für eine Auskunft angeboten wird.

Unverhältnismäßigkeit

Weil die Nachteile einer generellen Kommunikationsprotokollierung für unsere Gesellschaft deren Vorteile bei weitem überwiegen, ist eine Vorratsdatenspeicherung unverhältnismäßig. Selbst der Schutz vor Verbrechen rechtfertigt keine unverhältnismäßigen Maßnahmen:

  • Würde die Verhinderung eines Verbrechens jegliche Maßnahme rechtfertigen, müssten wir die Grundrechte aufgeben, auch das Folterverbot und den Schutz der Menschenwürde. All diese Menschen- und Bürgerrechte können der Verbrechensbekämpfung nämlich im Einzelfall im Weg stehen. Insgesamt dienen die Grundrechte aber der Erhaltung einer freien Gesellschaft und einer lebendigen Demokratie, letztlich also dem Wohl der gesamten Bevölkerung. Diese Werte sind für uns wichtiger als der Versuch, möglichst jede Straftat zu verhindern.
  • Wer jede Straftat verhindern will, muss konsequenterweise auch für ein Tempolimit auf Autobahnen, für strenge Rauchverbote und für Alkohol-Werbeverbote eintreten. Auch diese Maßnahmen könnten die Anzahl von Todesfällen erheblich senken. Wer dagegen eine "Bevormundung" der Bürger ablehnt und deswegen Verkehrsopfer und Krebstote in Kauf nimmt, kann nicht glaubwürdig jedes einzelne "Verbrechen" verhindern wollen.

Falsche Prioritätensetzung

Wer ständig mehr Sicherheit fordert, lenkt von den Versäumnissen und der falschen Prioritätensetzung der Politik ab. Während die Politik versucht, durch eine lückenlose Überwachung und Kontrolle der Bevölkerung möglichst auch noch den letzten Straftäter zu bestrafen, nimmt sie bewusst in Kauf, dass tausende von Menschen jedes Jahr an den Folgen z.B. von Tabak, Alkohol und Verkehrsunfällen sterben. Zugunsten des Profits einzelner Wirtschaftszweige (Tabakindustrie, Brauereien, Autoindustrie) bleibt die Politik untätig, wo sie Krankheit und Tod unzähliger Menschen leicht verhindern könnte und müsste. Auch bei der Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Armut – seit einigen Jahren die wichtigsten Sorgen der Menschen – hat die herrschende Politik in den letzten Jahren beständig versagt, wie die Statistiken zeigen. Die Auswirkungen von Kriminalität sind im Vergleich zu diesen Problemen ungleich geringer:

  • Eurostat zufolge sterben weniger als 0,002% der Europäer jährlich als Opfer einer Straftat, terroristische Anschläge eingeschlossen.
  • Der Weltgesundheitsorganisation zufolge beruht der Verlust gesunder Lebenszeit für Westeuropäer zu 92% auf Krankheiten, zu 2% auf Verkehrsunfällen, zu 1% auf Stürzen, zu 1,7% auf Suizid und nur zu 0,2% auf Gewalt und Straftaten. Die großen Gesundheitsrisiken sind andere als Kriminalität: Bluthochdruck, Tabak, Alkohol, Cholesterin, Übergewicht, Fehlernäherung und Bewegungsmangel sind die Hauptrisikofaktoren. Auch dass uns Lebensrisiken wie Armut, Arbeitslosigkeit oder Naturkatastrophen treffen, ist weitaus wahrscheinlicher als das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden.
  • Würde man z.B. den Tabakkonsum nur um 2% reduzieren, dann würde man der Gesundheit der Bevölkerung einen größeren Dienst erweisen als durch die Verhinderung sämtlicher Gewalttaten einschließlich Terrorismus.

Wer ständig neue Maßnahmen zur Kriminalitätsbekämpfung fordert, verfehlt damit die wirklichen Probleme der Menschen, mit denen sie täglich zu kämpfen haben.

Kommunikationsinhalte werden nicht gespeichert

Verbindungsdaten werden bereits jetzt gespeichert

Der Zugriff auf die gespeicherten Daten ist nur unter engen Voraussetzungen (z.B. richterliche Anordnung) zulässig

Deutschland ist verpflichtet, die europäische Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung umzusetzen

Die Richtlinie war als Kompromiss nötig, um weiter gehende Speicherpflichten zu verhindern

Deutschland wird über die Mindestanforderungen der Richtlinie nicht hinausgehen

Bürgerrechte werden nicht beschnitten