FDP-Brief

Aus Freiheit statt Angst!

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(Briefentwurf)
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Politik muss sicherstellen, dass Straftaten wirksam verfolgt werden – im Internet wie in der realen Welt. Gleichzeitig muss die Politik die Meinungs- und Pressefreiheit sowie die persönlichen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten im Internet berücksichtigen.
Politik muss sicherstellen, dass Straftaten wirksam verfolgt werden – im Internet wie in der realen Welt. Gleichzeitig muss die Politik die Meinungs- und Pressefreiheit sowie die persönlichen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten im Internet berücksichtigen.
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Das Eckpunktepapier des Bundesjustizministeriums, auf dessen Grundlage ein Kompromiss mit der Union in Sachen Vorratsdatenspeicherung erarbeitet werden soll, basiert auf Angaben des Bundeskriminalamts, wonach im vergangenen Jahr 830 von 983 (84,4%) durch das BKA angeforderte Auskünfte über die Identität des hinter einer IP-Adresse stehenden Anschlussinhabers nicht erteilt worden seien, weil Internet-Zugangsanbieter nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts keine Verbindungsdaten mehr speicherten.
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Das Eckpunktepapier des Bundesjustizministeriums, auf dessen Grundlage ein Kompromiss mit der Union in Sachen Vorratsdatenspeicherung erarbeitet werden soll, enthält unter Nummer 1 den Vorschlag einer schnellen anlassbezogenen Sicherung von Telekommunikations-Verkehrsdaten, wenn diese voraussichtlich zur Aufklärung des konkreten Verdachts einer Straftat benötigt werden ("Quick Freeze"). Unter Nummer 2 wird dann aber vorgeschlagen, Internet-Zugangsanbieter zu verpflichten, flächendeckend und ohne Anlass für die Dauer von sieben Tagen auf Vorrat zu speichern, wer wann unter welcher IP-Adresse mit dem Internet verbunden war. Solche Protokolle sollen es Staatsbeamten ermöglichen, schon bei dem Verdacht einer Bagatellstraftat die Identität des Nutzers einer IP-Adresse ohne richterliche Anordnung offenlegen zu lassen, voraussichtlich aber auch schon präventiv sowie für geheimdienstliche Ermittlungen (§ 113 TKG). Alleine die Deutsche Telekom AG musste 2010 21.000 Staatsanfragen nach der Identität des Nutzers einer IP-Adressen beantworten, das entspricht über 50 Identifizierungen pro Tag.
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Die Zahlen des Bundeskriminalamts werfen mehr Fragen auf als sie beantworten: Inwieweit beruhten erfolglose Anfragen auf Verzögerungen seitens des Bundeskriminalamts bei der Anforderung von Auskünften? Waren Anfragen des Bundeskriminalamts zu Zeiten der Vorratsdatenspeicherung nicht ebenso häufig erfolglos? Wie häufig wurden Ermittlungsverfahren trotz erfolgreicher Datenabfrage folgenlos eingestellt und sind erteilte Auskünfte mithin im Ergebnis ohne Nutzen? Diese und sieben weitere Fragen richtete der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung an Bundeskriminalamt und Bundesinnenministerium - nicht eine Frage wurde beantwortet. Ohne Antworten auf die genannten Fragen können relevante Schlüsse aus den Zahlen des Bundeskriminalamts nicht gezogen werden.
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Soweit einige Anbieter die Zuordnung von IP-Adressen schon heute einige Tage lang auf Vorrat speichern, ist die Notwendigkeit und Zulässigkeit dieser Praxis Gegenstand laufender Gerichtsverfahren und bereits von mehreren Gerichten verworfen worden. Während man sich derzeit vor einem Bekanntwerden sensibler Informationen über die eigene Lebenssituation durch Inanspruchnahme eines nicht auf Vorrat speichernden Zugangsanbieters (z.B. Freenet, Hansenet) schützen kann, wäre dies im Fall einer Zwangsspeicherfrist nicht mehr möglich. Datenschutz durch marktwirtschaftlichen Wettbewerb ist eine liberale Lösung, die ein Speicherzwang auslöschen würde.
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Bei der Information, wer wann unter welcher IP-Adresse mit dem Internet verbunden war, handelt es sich um Telekommunikations-Verkehrsdaten des Internet-Zugangsanbieters, die - nicht anders als Telefon-Verbindungsdaten - dem Schutz des Fernmeldegeheimnisses unterliegen. Eine kompetente Netzpolitik begreift IP-Adressen nicht als "Telefonnummer" oder "Kfz-Kennzeichen des Internets". Mit dem Telefon oder dem Pkw lesen wir keine Zeitung, recherchieren wir keine Informationen, schauen uns keine Produkte an und veröffentlichen wir keine Kommentare. Normalerweise schreibt niemand mit, von welchen Rufnummern er angerufen oder von welchen Pkws er aufgesucht wird. Genau diese minuziöse Verhaltensprotokollierung wird aber im Internet praktiziert.
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Eine identifizierte IP-Adresse ermöglicht zwar für sich genommen noch keinen unmittelbaren Rückschluss auf Gesprächspartner. In Verbindung mit Internet-Nutzungsdaten, die staatliche Stellen ohne richterliche Anordnung bei Internetanbietern wie Google anfordern können (§ 15 Abs. 5 S. 4 TMG), lässt sich mit einer identifizierten IP-Adresse aber sogar der Inhalt der Telekommunikation einer Person nachvollziehen, also wer wonach im Internet gesucht, sich wofür interessiert und welchen Beitrag veröffentlicht hat. Information und Meinungsäußerung ohne Furcht vor Nachteilen werden durch eine IP-Vorratsdatenspeicherung unmöglich. Daneben wird in die meisten E-Mails die IP-Adresse des Absenders aufgenommen, ohne dass man einfach eine Unterdrückung dieser "Rufnummernübermittlung" wählen könnte. Durch eine IP-Vorratsdatenspeicherung werden Meinungsäußerungen per E-Mail ohne Furcht vor Nachteilen unmöglich. Schließlich ermöglichen es IP-Adressen gerade beim mobilen Internetzugang, Bewegungsprofile zu erstellen, weil aus der jeweiligen IP-Adresse der ungefähre Standort des Nutzers ermittelt werden kann.
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Insgesamt träfe eine IP-Vorratsdatenspeicherung junge Menschen und zukünftige Generationen, deren privater und beruflicher Alltag sich zu einem immer größeren Teil im Internet abspielt, in ungleich gewaltigerem Ausmaß als internetfernere Generationen. Sie ermöglichte es Staatsbeamten, einen bislang ungeahnten Teil unseres Privat- und Berufslebens aufzudecken. In den Worten des Bundesverfassungsgerichts: Es handelte sich um einen "besonders schweren Eingriff mit einer Streubreite, wie sie die Rechtsordnung bisher nicht kennt". Die anlasslose Speicherung von Internet-Verbindungsdaten ist "geeignet, ein diffus bedrohliches Gefühl des Beobachtetseins hervorzurufen, das eine unbefangene Wahrnehmung der Grundrechte in vielen Bereichen beeinträchtigen kann", nämlich in allen Bereichen, in denen das Internet zum Einsatz kommt.
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Der von dem Bundesjustizministerium erarbeitete Vorschlag einer flächendeckenden Internet-Verbindungsdatenspeicherung, der auch für viele FDP-Abgeordnete völlig überraschend kam, basiert auf Angaben des Bundeskriminalamts, wonach im vergangenen Jahr 830 von 983 (84,4%) durch das BKA angeforderte Auskünfte über die Identität des hinter einer IP-Adresse stehenden Anschlussinhabers nicht erteilt worden seien, weil Internet-Zugangsanbieter nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts keine Verbindungsdaten mehr speicherten.
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Diese Zahlen des Bundeskriminalamts werfen jedoch mehr Fragen auf als sie beantworten: Inwieweit beruhten erfolglose Anfragen auf Verzögerungen seitens des Bundeskriminalamts bei der Anforderung von Auskünften? Waren Anfragen des Bundeskriminalamts zu Zeiten der Vorratsdatenspeicherung nicht ebenso häufig erfolglos? Wie häufig wurden Ermittlungsverfahren trotz erfolgreicher Datenabfrage folgenlos eingestellt und sind erteilte Auskünfte mithin im Ergebnis ohne Nutzen? Diese und sieben weitere Fragen richtete der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung an Bundeskriminalamt und Bundesinnenministerium - nicht eine Frage wurde beantwortet. Ohne Antworten auf die genannten Fragen können relevante Schlüsse aus den Zahlen des Bundeskriminalamts nicht gezogen werden.
Die Angaben des Bundeskriminalamts sind nicht aussagekräftig. So betrafen 147 der ergebnislosen Auskunftsersuchen des BKA beispielsweise Internetverbindungen, die im Zeitpunkt der Anfrage (25.05.2010) länger als sechs Monate zurück lagen (Zeitstempel: 29.05.2009-11.09.2009) und deswegen selbst im Fall einer sechsmonatigen Vorratsdatenspeicherung ergebnislos geblieben wären. Dr. Michael Kilchling vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg hat die BKA-Zahlen mit den Worten kommentiert: "Für eine seriöse wissenschaftliche Stellungnahme fehlt jede Basis".
Die Angaben des Bundeskriminalamts sind nicht aussagekräftig. So betrafen 147 der ergebnislosen Auskunftsersuchen des BKA beispielsweise Internetverbindungen, die im Zeitpunkt der Anfrage (25.05.2010) länger als sechs Monate zurück lagen (Zeitstempel: 29.05.2009-11.09.2009) und deswegen selbst im Fall einer sechsmonatigen Vorratsdatenspeicherung ergebnislos geblieben wären. Dr. Michael Kilchling vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg hat die BKA-Zahlen mit den Worten kommentiert: "Für eine seriöse wissenschaftliche Stellungnahme fehlt jede Basis".
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Umgekehrt droht eine IP-Vorratsdatenspeicherung die Strafverfolgung im Internet massiv zu beeinträchtigen. Schon die Einführung der letzten Internet-Vorratsdatenspeicherung im Jahr 2009 führte dazu, dass 46,4% aller Internetnutzer Anonymisierungsdienste nutzten oder nutzen wollten und 24,6% öffentliche Internet-Cafés. Im Ergebnis war trotz sechsmonatiger IP-Vorratsdatenspeicherung nur ein geringerer Teil der registrierten Internetdelikte (75,7%) aufzuklären als noch im Vorjahr ohne IP-Vorratsdatenspeicherung (79,8%)! Eine IP-Vorratsdatenspeicherung führt zu Vermeidungsverhalten, welches die Verhinderung und Verfolgung selbst schwerer Straftaten erschwert. Denn Vermeidungsmaßnahmen können zugleich verdachtsabhängige Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen vereiteln, wie sie ohne Vorratsdatenspeicherung noch möglich sind. Dadurch entfaltet eine Vorratsdatenspeicherung auf Gefahrenabwehr und Strafverfolgung kontraproduktive Wirkungen und verkehrt den erhofften Nutzen der Maßnahme offenbar in sein Gegenteil.
Umgekehrt droht eine IP-Vorratsdatenspeicherung die Strafverfolgung im Internet massiv zu beeinträchtigen. Schon die Einführung der letzten Internet-Vorratsdatenspeicherung im Jahr 2009 führte dazu, dass 46,4% aller Internetnutzer Anonymisierungsdienste nutzten oder nutzen wollten und 24,6% öffentliche Internet-Cafés. Im Ergebnis war trotz sechsmonatiger IP-Vorratsdatenspeicherung nur ein geringerer Teil der registrierten Internetdelikte (75,7%) aufzuklären als noch im Vorjahr ohne IP-Vorratsdatenspeicherung (79,8%)! Eine IP-Vorratsdatenspeicherung führt zu Vermeidungsverhalten, welches die Verhinderung und Verfolgung selbst schwerer Straftaten erschwert. Denn Vermeidungsmaßnahmen können zugleich verdachtsabhängige Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen vereiteln, wie sie ohne Vorratsdatenspeicherung noch möglich sind. Dadurch entfaltet eine Vorratsdatenspeicherung auf Gefahrenabwehr und Strafverfolgung kontraproduktive Wirkungen und verkehrt den erhofften Nutzen der Maßnahme offenbar in sein Gegenteil.
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Auf der anderen Seite hätte eine verdachtslose Vorratsspeicherung von Internet-Verbindungsdaten massive Nachteile für Bürger, aber auch für Unternehmen, Ärzte, Rechtsanwälte, Psychologen, Beratungsstellen und viele mehr zur Folge: Im Zuge einer Vorratsdatenspeicherung würden ohne jeden Verdacht einer Straftat Informationen gesammelt, die die Rückverfolgung praktisch jeden Klicks und jeder Eingabe im Internet von über 80 Millionen Bundesbürgerinnen und Bundesbürgern ermöglichen würden. Während man sich derzeit vor einem Bekanntwerden sensibler Informationen über die eigene Lebenssituation durch Inanspruchnahme eines nicht auf Vorrat speichernden Zugangsanbieters (z.B. Freenet, Hansenet) schützen kann, wäre dies im Fall einer Zwangsspeicherfrist nicht mehr möglich.
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Auf der anderen Seite hätte eine verdachtslose Vorratsspeicherung von Internet-Verbindungsdaten massive Nachteile für Bürger, aber auch für Unternehmen, Ärzte, Rechtsanwälte, Psychologen, Beratungsstellen und viele mehr zur Folge: Im Zuge einer Vorratsdatenspeicherung würden ohne jeden Verdacht einer Straftat Informationen gesammelt, die die Rückverfolgung praktisch jeden Klicks und jeder Eingabe im Internet von über 80 Millionen Bundesbürgerinnen und Bundesbürgern ermöglichen würden.
Der Vorschlag einer Vorratsspeicherung von IP-Adressen lässt auch vollkommen die technische Entwicklung außer Acht. Mit der ab Ende 2011 geplanten Umstellung des Internets auf das neue Adress-System "IPv6" droht die individuelle Verfolgbarkeit jedes unserer Online-Schritte über lange Zeiträume hinweg. Denn die neuen Internet-Adressen verändern sich fast nie - im Gegensatz zu der derzeitigen, veränderlichen Nummernzuteilung. Mit einer einzigen polizeilichen Abfrage der IP-Adresszuordnung und nachfolgenden Anfragen an die privaten Anbieter nach Logdateien kann künftig auf Monate hinaus ein Online-Leben nachvollzogen werden. Aus Gründen des Datenschutzes ist es dringend geboten, weiterhin eine häufig wechselnde Vergabe vorzuschreiben. Der Vorschlag einer Vorratsdatenspeicherung geht genau in die falsche Richtung.
Der Vorschlag einer Vorratsspeicherung von IP-Adressen lässt auch vollkommen die technische Entwicklung außer Acht. Mit der ab Ende 2011 geplanten Umstellung des Internets auf das neue Adress-System "IPv6" droht die individuelle Verfolgbarkeit jedes unserer Online-Schritte über lange Zeiträume hinweg. Denn die neuen Internet-Adressen verändern sich fast nie - im Gegensatz zu der derzeitigen, veränderlichen Nummernzuteilung. Mit einer einzigen polizeilichen Abfrage der IP-Adresszuordnung und nachfolgenden Anfragen an die privaten Anbieter nach Logdateien kann künftig auf Monate hinaus ein Online-Leben nachvollzogen werden. Aus Gründen des Datenschutzes ist es dringend geboten, weiterhin eine häufig wechselnde Vergabe vorzuschreiben. Der Vorschlag einer Vorratsdatenspeicherung geht genau in die falsche Richtung.
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Dementsprechend ist der Vorstoß des Bundesjustizministeriums unter anderem bei dem Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, dem Deutschen Journalistenverband, dem Chaos Computer Club, der Neuen Richtervereinigung, dem LSVD und dem Verband der deutschen Internetwirtschaft (eco) auf Ablehnung gestoßen.
Dementsprechend ist der Vorstoß des Bundesjustizministeriums unter anderem bei dem Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, dem Deutschen Journalistenverband, dem Chaos Computer Club, der Neuen Richtervereinigung, dem LSVD und dem Verband der deutschen Internetwirtschaft (eco) auf Ablehnung gestoßen.
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===Sexuellem Kindesmissbrauch wirksam begegnen===
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Dem Bundesjustizministerium zufolge soll eine Rückverfolgbarkeit jeder Internetnutzung "insbesondere zum Vorgehen gegen Kinderpornografie" geschaffen werden. Das Ziel, Kinder zu schützen und sowohl ihren Missbrauch als auch dessen Dokumentation zu verhindern, stellen wir keineswegs nicht in Frage. Alle hierzu geeigneten und erforderlichen Mittel, die nicht mehr schaden als sie nutzen, müssen eingesetzt werden. Gerade wegen der hohen Bedeutung der Rechte von Kindern und der Abscheulichkeit ihres Missbrauchs dürfen dringend benötigte Ressourcen allerdings nicht für wirkungslose oder gar kontraproduktive Maßnahmen verschleudert werden. Sexuell missbrauchte Kinder dürfen nicht politisch ein zweites Mal für Vorhaben missbraucht werden, die in Wahrheit keinen Beitrag zum Kinderschutz leisten. Nach unserer Überzeugung ist genau dies aber bei einer generellen und pauschalen Vorratsspeicherung der Internet-Zugangsdaten von Unverdächtigen der Fall.
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====Eine Vorratsdatenspeicherung ist ungeeignet zum Schutz von Kindern====
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Eine Vorratsspeicherung der IP-Adressen Unverdächtiger ist zum Schutz von Kindern denkbar ungeeignet, wie an vielen Stellen offengelegt und von Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen mehrfach bestätigt worden ist. Eine Vorratsdatenspeicherung hatte weder in Deutschland noch hat sie im Ausland irgend einen messbaren Einfluss auf die körperliche und seelische Unversehrtheit missbrauchter Kinder.
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Zunächst einmal geht die strafrechtliche Verfolgung von "Kinderpornografie" von vornherein an dem größten Teil des problems sexuellen Kindesmissbrauchs vorbei. Der Anteil von Kinderpornografiedelikten an allen polizeilich bekannten Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung ist mit 7% gering. Nur ausnahmsweise kann Opfern sexuellen Kindesmissbrauchs durch Verfolgung des Austauschs kinderpornografischer Darstellungen geholfen werden. Nicht mehr als 1% der polizeilich registrierten Fälle von Kindesmissbrauch werden überhaupt fotografisch dokumentiert, meist von Familienmitgliedern oder nahen Verwandten. Den Hauptteil der Straftaten im Bereich des sexuellen Missbrauchs begehen nicht Pädophile, die sich für Kinderpornografie interessieren können, sondern Täter, die sich an dem Opfer als Ersatz für Sexualkontakt mit Erwachsenen vergehen. Neun von zehn Fällen von Kindesmissbrauch und sogar 98% der Fälle familiären Missbrauchs von Kindern werden der Polizei nie bekannt. Es kommt hinzu, dass Kindesmissbrauch nicht identisch ist mit Strafbarkeit. Vernachlässigung und nicht-sexueller Missbrauch kann ebenso schwerwiegende Folgen für Kinder haben wie sexueller Missbrauch.
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In der Medienwirkungsforschung und sonstigen Wissenschaft ist umstritten, ob die Verfügbarkeit von Darstellungen sexuellen Missbrauchs überhaupt das Risiko eigener Übergriffe der Konsumenten erhöht oder ob sie es umgekehrt durch Eröffnung eines "Ventils" für Pädophile senkt. Nach Angaben des renommierten Berliner Krankenhauses Charité kann nach gegenwärtigem Stand der Forschung nicht abschließend beurteilt werden, inwiefern der Konsum kinderpornografischer Materialien den Wunsch nach Realisierung eines tatsächlich direkten sexuellen Kontaktes mit einem Kind verstärkt. Der Klinik zufolge ist Pädophilie Bestandteil der Persönlichkeit von geschätzt 200.000 Menschen in Deutschland und nicht "wegzutherapieren". Ziel einer Therapie ist vielmehr, die pädophile Neigung nur noch in der Fantasie auszuleben - dies kann um der Sicherheit von Kindern willen nicht verboten oder geächtet werden. In der Praxis soll es nach der Aufhebung oder Lockerung von Kinderpornographieverboten in Tschechien, Dänemark und Japan zu einem Rückgang der Kindesmissbrauchsfälle gekommen sein. Die faktisch erhöhte Verfügbarkeit von Darstellungen sexuellen Missbrauchs durch das Internet in Deutschland ist mit einem Rückgang der Fälle von Kindesmissbrauch einher gegangen. 2009 registrierte die Polizei die niedrigste Zahl von Kindesmissbrauchsfällen seit 1987. Die Häufigkeit geht bereits seit den 1950er Jahren deutlich zurück.
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Noch zweifelhafter ist, ob eine Intensivierung der strafrechtlichen Verfolgung des Austauschs kinderpornografischer Darstellungen in Deutschland zum Schutz von Kindern vor sexuellen Übergriffen beitragen kann. In keinem Fall ist belegt oder auch nur plausibel, dass gerade eine IP-Vorratsdatenspeicherung auch nur ein Kind vor sexuellem Missbrauch schützen könnte. Weder aus Deutschland noch aus einem anderen Staat der Welt ist bekannt, dass die Zahl von Missbrauchsfällen nach Einführung einer Vorratsdatenspeicherung zurückgegangen wäre. Wir sind zwar der Meinung, dass der Staat zum Schutz von Kindern für ein ernsthaftes Entdeckungsrisiko sorgen muss, um potenzielle Täter von entsprechenden Straftaten abzuschrecken. Werden auch ohne Vorratsdatenspeicherung die meisten Fälle des Austauschs von Kinderpornografie aufgeklärt, so ist diese Abschreckungswirkung aber ausgeschöpft. Es gibt keinen Beleg dafür und ist kriminologisch unwahrscheinlich, dass eine - unterstellt - um einige Prozentpunkte höhere Aufklärungsquote die Entscheidung potenzieller Täter für oder gegen einen Kindesmissbrauch beeinflussen könnte. Tatsächlich ist eine höhere Aufklärungsquote nicht zu erwarten. Nach Einführung einer sechsmonatigen IP-Vorratsdatenspeicherung am 01.01.2009 fiel die Aufklärungsquote im Bereich der Verbreitung pornographischer Schriften über das Internet sogar von zuvor 87,5% auf 83,8%. Bei den ausführlichen Diskussionen des Runden Tisches der Bundesregierung zu sexuellem Kindesmissbrauch ist eine Vorratsdatenspeicherung von keiner Arbeitsgruppe als Lösungsweg empfohlen worden.
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====Eine Vorratsdatenspeicherung schadet dem Schutz von Kindern====
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Anonyme Internetzugänge sind nicht das Problem, sondern wichtige Voraussetzung der Bewältigung von Missbrauchsfällen. Eine unterschiedslose IP-Vorratsdatenspeicherung würde Opfern und potenziellen Opfern sexuellen Missbrauchs massiv schaden, indem sie tausenden von Opfern und Tätern den Zugang zu anonymen Beratungs-, Selbsthilfe- und Therapieangeboten verschließen würde. Gerade im Bereich des sexuellen Missbrauchs sind Opfer und Täter sehr oft nur im Schutz absoluter Anonymität bereit, sich zu informieren und Hilfe anzunehmen, da sie andernfalls soziale Ächtung oder - bei Tätern - strafrechtliche Verfolgung zu befürchten haben. Eine Einschränkung der Möglichkeiten anonymer Hilfe vertieft das Leiden von Opfern und schafft, wo die Therapie von Tätern vereitelt wird, weitere Opfer von Kindesmissbrauch. Es ist unverantwortlich, den Wunsch von Strafverfolgern nach Überführung möglichst noch des letzten Delinquenten über den Schutz und das Wohl von Kindern zu stellen.
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====Wirksamer Kinderschutz: Retten statt Mitschreiben!====
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Sexueller Missbrauch passiert in Schulen, Kindergärten, Kinderheimen, Internaten, Sportvereinen, Jugendvereinen und in den Familien der Opfer, so dass dort zuerst angesetzt werden muss.
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Kinderpornografie spielt bei der ausführlichen Diskussion des Runden Tisches der Bundesregierung zu sexuellem Kindesmissbrauch dementsprechend keine Rolle.
===Internetkriminalität – Intelligente Strategien für ein sicheres Netz===
===Internetkriminalität – Intelligente Strategien für ein sicheres Netz===
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Politik kann viel tun, um den Schutz vor Kriminalität im Internet zu optimieren. Einige Lösungsansätze existieren bereits, viele neue können erarbeitet werden. Eine IP-Vorratsdatenspeicherung ist allerdings keiner davon: weder für die zu schützenden Internetnutzer noch für unsere Informationsgesellschaft insgesamt.
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Bei 97% der im Internet begangenen Straftaten und 99,8% der insgesamt in Deutschland registrierten Kriminalität handelt es sich nicht um den Austausch kinderpornografischer Darstellungen. Auch jenseits von Kinderpornografie kann die Politik viel tun, um den Schutz vor Kriminalität im Internet zu optimieren. Einige Lösungsansätze existieren bereits, viele neue können erarbeitet werden. Eine IP-Vorratsdatenspeicherung ist allerdings keiner davon: weder für die zu schützenden Internetnutzer noch für unsere Informationsgesellschaft insgesamt.
Dies unterstreicht auch die 2010 eingesetzte Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" des Deutschen Bundestages. Diese wurde nicht zuletzt wegen schlechter netzpolitischer Erfahrungen zu den Zeiten der Großen Koalition im Bund einberufen, um in Zukunft Fehlentscheidungen zu vermeiden. Die Vorratsdatenspeicherung, die vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft wurde, das Zugangserschwerungsgesetz („Netzsperren“), das inzwischen allgemein als nicht zielführend angesehen wird und als Hauptgrund für das Erstarken
Dies unterstreicht auch die 2010 eingesetzte Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" des Deutschen Bundestages. Diese wurde nicht zuletzt wegen schlechter netzpolitischer Erfahrungen zu den Zeiten der Großen Koalition im Bund einberufen, um in Zukunft Fehlentscheidungen zu vermeiden. Die Vorratsdatenspeicherung, die vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft wurde, das Zugangserschwerungsgesetz („Netzsperren“), das inzwischen allgemein als nicht zielführend angesehen wird und als Hauptgrund für das Erstarken
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Es gibt bereits gute Beispiele für modernen Schutz vor Internetkriminalität. Eine Schlüsselrolle spielt hierbei die Prävention, denn 82% aller polizeilich registrierten Internetdelikte sind Betrugsdelikte zulasten von Personen, die sich haben täuschen lassen. Hinzu kommt zunehmend Daten- und Identitätsdiebstahl unter Ausnutzung ungesicherter IT-Systeme (z.B. Trojaner) oder der Sorglosigkeit von Nutzern (z.B. Phishing) zur Vorbereitung von Betrug und anderer Straftaten.
Es gibt bereits gute Beispiele für modernen Schutz vor Internetkriminalität. Eine Schlüsselrolle spielt hierbei die Prävention, denn 82% aller polizeilich registrierten Internetdelikte sind Betrugsdelikte zulasten von Personen, die sich haben täuschen lassen. Hinzu kommt zunehmend Daten- und Identitätsdiebstahl unter Ausnutzung ungesicherter IT-Systeme (z.B. Trojaner) oder der Sorglosigkeit von Nutzern (z.B. Phishing) zur Vorbereitung von Betrug und anderer Straftaten.
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Leicht verständliche Tipps und Anleitungen zum Schutz vor Netzkriminalität (z.B. Weißer Ring) und zur Sicherung des eigenen Computers (z.B. BITKOM) sind bereits entwickelt und veröffentlicht worden. Sie erreichen aber bislang nur sehr wenige Menschen. Wir könnten uns vorstellen, kurze Verhaltensempfehlungen als "Beipackzettel" jedem neu verkauften Computer und Smartphone beizulegen.
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Leicht verständliche Tipps und Anleitungen zum Schutz vor Netzkriminalität (z.B. Weißer Ring) und zur Sicherung des eigenen Computers (z.B. BITKOM) sind bereits entwickelt und veröffentlicht worden. Sie erreichen aber bislang nur sehr wenige Menschen. Wir könnten uns vorstellen, kurze Verhaltensempfehlungen für Erwachsene und Jugendliche als "Beipackzettel" jedem neu verkauften Computer und Smartphone beizulegen.
Software zur Gewährleistung der Sicherheit des eigenen Computers ist bereits entwickelt und veröffentlicht worden. Sie aufzufinden, zu installieren und in Stand zu halten überfordert aber viele Menschen. Sinnvoll erschiene uns eine Hotline, die kostenfreie Beratung bei der Absicherung der eigenen Computer und bei der Beseitigung von Schadprogrammen anbietet. Wir könnten uns auch vorstellen, Hersteller und Anbieter kommerzieller Internetdienste zu verpflichten, gebrauchsfertige Geräte zur Internetnutzung sowie öffentliche Internetdienste so voreinzustellen und in Stand zu halten, dass die Vertraulichkeit, Verfügbarkeit und Unversehrtheit des Systems und der darauf gespeicherten Nutzerdaten dauerhaft nach den anerkannten Regeln der Technik gewährleistet ist (z.B. automatische Sicherheitspatches, Firewall, Schadprogrammerkennung). Der Nutzer muss allerdings stets die volle Kontrolle über Vorkehrungen zu seinem Schutz behalten und diese auch abschalten können.
Software zur Gewährleistung der Sicherheit des eigenen Computers ist bereits entwickelt und veröffentlicht worden. Sie aufzufinden, zu installieren und in Stand zu halten überfordert aber viele Menschen. Sinnvoll erschiene uns eine Hotline, die kostenfreie Beratung bei der Absicherung der eigenen Computer und bei der Beseitigung von Schadprogrammen anbietet. Wir könnten uns auch vorstellen, Hersteller und Anbieter kommerzieller Internetdienste zu verpflichten, gebrauchsfertige Geräte zur Internetnutzung sowie öffentliche Internetdienste so voreinzustellen und in Stand zu halten, dass die Vertraulichkeit, Verfügbarkeit und Unversehrtheit des Systems und der darauf gespeicherten Nutzerdaten dauerhaft nach den anerkannten Regeln der Technik gewährleistet ist (z.B. automatische Sicherheitspatches, Firewall, Schadprogrammerkennung). Der Nutzer muss allerdings stets die volle Kontrolle über Vorkehrungen zu seinem Schutz behalten und diese auch abschalten können.
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Die Aufklärung von Internetkriminalität gelingt bereits jetzt in den meisten Fällen. Gleichwohl bestehen vielfältige Möglichkeiten für eine effizientere Strafverfolgung im Netz: Die Einrichtung leistungsfähiger Spezialdienststellen der Polizei und von Schwerpunktstaatsanwaltschaften zur Verfolgung von Computerkriminalität erscheint sinnvoll. Gefordert werden auch besonders qualifizierte Polizeibeamte und Staatsanwälte für diese Aufgaben, die Entwicklung eines Berufsbildes "Computerkriminalist", die Entwicklung standardisierter Sachbearbeitungsverfahren auf nationaler und die Entwicklung von Standards für IT-Forensik auf internationaler Ebene.
Die Aufklärung von Internetkriminalität gelingt bereits jetzt in den meisten Fällen. Gleichwohl bestehen vielfältige Möglichkeiten für eine effizientere Strafverfolgung im Netz: Die Einrichtung leistungsfähiger Spezialdienststellen der Polizei und von Schwerpunktstaatsanwaltschaften zur Verfolgung von Computerkriminalität erscheint sinnvoll. Gefordert werden auch besonders qualifizierte Polizeibeamte und Staatsanwälte für diese Aufgaben, die Entwicklung eines Berufsbildes "Computerkriminalist", die Entwicklung standardisierter Sachbearbeitungsverfahren auf nationaler und die Entwicklung von Standards für IT-Forensik auf internationaler Ebene.
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Laut periodischem Sicherheitsbericht ist bei ca. 80% der Ermittlungen wegen Internetdelikten ein Zugriff auf im Ausland vorhandene Informationen notwendig. Sinnvoller als jede nationale Maßnahme erschiene es daher, in rechtsstaatlichem Rahmen eine unverzügliche, schnelle Sicherung im Ausland gespeicherter Computer- und Verkehrsdaten für nachfolgende Übermittlungsersuchen zu ermöglichen, die nicht nur auf dem Papier besteht.
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Laut periodischem Sicherheitsbericht ist bei ca. 80% der Ermittlungen wegen Internetdelikten ein Zugriff auf im Ausland vorhandene Informationen notwendig. Sinnvoller als jede nationale Maßnahme erschiene es daher, in rechtsstaatlichem Rahmen und nicht nur auf dem Papier eine unverzügliche, schnelle Sicherung im Ausland gespeicherter Computer- und Verkehrsdaten für nachfolgende Übermittlungsersuchen zu ermöglichen. Solange die Möglichkeiten des gegenwärtigen Rechtsrahmens aus personellen, organisatorischen und finanziellen Gründen nicht annähernd ausgeschöpft sind, darf es keinen Masseneingriff in die Rechte Unschuldiger geben.
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Befähigung ist besser als Überwachung, Dialoge vermeiden Verordnungen, informationelle Selbstbestimmung braucht keine Totalprotokollierung. Sich mutig für neue Wege zu öffnen ist der beste Schritt nach vorne, um sich von nicht-funktionalen Wunschvorstellungen zu verabschieden und chancenorientiert das Internet als Zukunft unsere Gesellschaft zu begreifen. Internetnutzer und Strafverfolger, die ernst genommen werden, werden selbstgewählte Sicherheitsvorkehrungen und Verbesserungen mit hoher Akzeptanz aufnehmen. Damit ist die eigentliche Absicht, einen gesellschaftlich getragenen Diskurs über die Information und Kommunikation der Zukunft zu eröffnen, konstruktiv angegangen. Der Schutz von Internetnutzern bekommt endlich die stabile Basis, die den Forderungen nach totaler Rückverfolgbarkeit abhanden gekommen ist.
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Befähigung ist besser als Überwachung, Dialoge vermeiden Paragrafen, informationelle Selbstbestimmung braucht keine Totalprotokollierung. Sich mutig für neue Wege zu öffnen ist der beste Schritt nach vorne, um sich von nicht-funktionalen Wunschvorstellungen zu verabschieden und chancenorientiert das Internet als Zukunft unserer Gesellschaft zu begreifen. Internetnutzer und Strafverfolger, die ernst genommen werden, werden selbstgewählte Sicherheitsvorkehrungen und Verbesserungen mit hoher Akzeptanz aufnehmen. Damit ist die eigentliche Absicht, einen gesellschaftlich getragenen Diskurs über die Information und Kommunikation der Zukunft zu eröffnen, konstruktiv angegangen. Der Schutz von Internetnutzern bekommt endlich die stabile Basis, die den Forderungen nach totaler Rückverfolgbarkeit abhanden gekommen ist.
====Medienkompetenzland Deutschland====
====Medienkompetenzland Deutschland====
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Medienkompetenz ist der Schlüssel zu Partizipation an der digitalen Gesellschaft und verlangt heute
Medienkompetenz ist der Schlüssel zu Partizipation an der digitalen Gesellschaft und verlangt heute
mehr als Medienwissen, Medienkritik und gestaltende Medienproduktion. Die neue Dimension der zu stärkenden Medienkompetenz ist die verantwortungsvolle Mitwirkung an der gesellschaftlichen Entwicklung mittels Medien. Dazu gehört auch das Verständnis und Kommunizieren
mehr als Medienwissen, Medienkritik und gestaltende Medienproduktion. Die neue Dimension der zu stärkenden Medienkompetenz ist die verantwortungsvolle Mitwirkung an der gesellschaftlichen Entwicklung mittels Medien. Dazu gehört auch das Verständnis und Kommunizieren
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gesetzlicher Maßnahmen zum Schutz vor und zur Verfolgung von Internetdelikten.
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bewährter Maßnahmen zum Schutz vor und zur Verfolgung von Internetdelikten.
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Die Bundesregierung sollte eine nationale Strategie zur Kriminalprävention im Internet entwickeln und die bisher zersplitterten Ministerialzuständigkeiten auf ein Bundesministerium vereinen. Es gilt, eine Offensive für aufgeklärte Internetnutzung zu starten. Ziel muss hierbei vorrangig die Qualifizierung von Lehrenden, Pädagogen und (politischen) Entscheidern sein. Nur so kann schon den Ursachen von Kriminalität entgegengewirkt werden. Es ist ratsam, auf eine breite Beteiligung zu setzen und die bereits von Bund und Ländern geförderten Einrichtungen in die Pflicht zur Mitentwicklung von Konzepten und Inhalten zu nehmen. Dazu sollten Best-Practice-Beispiele aus der bisherigen medienpädagogischen Arbeit aufgegriffen werden. Ein runder Tisch „Medienkompetenz“, der sich auch online transparent abbildet, trägt die besten Ideen für das Medienkompetenzland zusammen. Die geförderten, erfahrenen Institutionen sollten federführend diesen Prozess moderieren. Ergebnis wird ein inhaltlicher Fahrplan sein, der das „Netzpferdchen“ zum Galopp bringen wird und Deutschland mit seiner Bildungsoffensive für ein sicheres digitales Zeitalter verdient herausstellt.
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Strafverfolgungsinteressen dürfen nicht zur Chancen-Bremse im Internet werden. Eine einseitig an Gefährdungsszenarien ausgerichtete Politik verhindert eine Verbesserung der Möglichkeiten und zementiert Risiken.
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Es gilt, eine Offensive für den Jugendschutz in Kindergarten, Schule und Jugendzentrum zu starten. Ziel
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muss hierbei vorrangig die Qualifizierung von Lehrenden, Pädagogen und (politischen) Entscheidern
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====Gemeinsam für Sicherheit im Netz====
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sein. Jugendschutz darf nicht zur Chancen-Bremse im Internet werden. Eine einseitig an Gefährdungsszenarien
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ausgerichtete Politik verhindert eine Verbesserung der Möglichkeiten und zementiert Risiken.
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Bereits das Eckpunktepapier des Bundesjustizministeriums vom Januar 2011 ist in einer intransparenten Weise zustande gekommen. Das Ministerium hat bis heute nicht zu einer Anhörung von Vertretern der Betroffenen in Beruf und Gesellschaft eingeladen. Dies zeigt, dass von Anfang an wenige (oder gar keine) Personen aus dem Netzpolitik- oder Informatikspektrum vertreten waren. Doch das ist elementar, bevor Politik so grundlegend in eine Technikentwicklung eingreift. Entscheidungen dürfen nicht ohne frühestmögliche Beteiligung derjenigen gefällt werden, die sie betreffen. Die Idee einer Rückverfolgbarkeit jeder Internetnutzung "insbesondere zum Vorgehen gegen
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Jugendschutz muss als Katalysator für bessere Sozialisationsbedingungen verstanden und angewendet
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Kinderpornografie" zeigt, dass über Sinnhaftigkeit und Erfolgsaussichten des Vorhabens nicht transparent mit Internetnutzern als Betroffenen gesprochen worden ist.
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werden. Dazu gehören auch digitale Ecken und Kanten.
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Die Pläne für einen Medienkompetenzführerschein in NRW müssen noch mit Inhalten gefüllt werden.
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Letztlich kann nur erlerntes verantwortungsvolles Handeln von Eltern und Jugendlichen einen tragenden Schutz vor entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten gewährleisten. Dieser Königsweg ist lang und anstrengend – aber nachhaltig. Technische Lösungen können qualifizierte Erziehung
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Es ist ratsam, hier gleichwohl auf eine breite Beteiligung zu setzen und die bereits vom Land geförderten
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Einrichtungen in die Pflicht zur Mitentwicklung von Konzepten und Inhalten zu nehmen.
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Tatsächlich ist ein Führerschein nur sinnvoll, wenn es etwas zu bewegen gibt. Dazu sollten Best-Practice-
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Beispiele aus der wertvollen medienpädagogischen Arbeit in NRW aufgegriffen werden. Ein runder
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Tisch „Medienkompetenz“, der sich auch online transparent abbildet, trägt die besten Ideen für das Medienkompetenzland
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zusammen. Die geförderten, erfahrenen Institutionen im Land NRW – besonders die
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Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur in Bielefeld, das JFC Medienzentrum
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Köln, die Landesarbeitsgemeinschaft Lokale Medienarbeit in Duisburg und die Akademie Remscheid –
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sollten federführend diesen Prozess moderieren. Ergebnis wird ein inhaltlicher Fahrplan sein, der das
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„Netzpferdchen“ zum Galopp bringen wird und NRW mit seiner Bildungsoffensive fürs digitale Zeitalter
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verdient herausstellt.
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Gemeinsam für Jugendschutz im Netz – eine „Online“-Novelle
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Bereits in der ersten Fassung des Entwurfs zum neuen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag konnten Probleme
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bei der Differenzierung der einzelnen Anbieterbegriffe festgemacht werden. Wer ist Accessprovider,
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wer Content- und wer Hostprovider? Dies hat gezeigt, dass bereits im Grundstadium des Entwurfs wenige
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(oder gar keine) Personen aus dem Netzpolitik- oder Informatikspektrum vertreten waren. Doch das
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ist elementar, wenn Politik in eine Technikentwicklung eingreift.
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Entscheidungen dürfen nicht ohne Beteiligung derjenigen gefällt werden, die sie betreffen. Auch die Idee
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der (statischen) Klassifikation in einem dynamischen Medium zeigt, dass vermutlich mit heißer Nadel
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gestrickt worden ist: Bewährte Ideen zum Jugendschutz der klassischen Medien (Rundfunk, Videodatenträger,
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Computerspiele etc.) sollen auch auf das relativ neue Medium Internet übertragen werden. Das
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Internet ist aber kein Rundfunk, wie bereits oben belegt. Mit den Ideen zum Jugendschutz-Crowdsourcing
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auf der Benutzerseite und einem starken Ausbau der Medienkompetenz auf der bildungspolitischen
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Ebene ist ein zeitgemäßer und auch funktionierender Jugendschutz im Netz möglich.
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Medienkompetenz-Stärkung ist nur eine der Notwendigkeiten der pädagogischen Arbeit mit Medien
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und Internet. Eine Stärkung der kritischen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Anforderungen
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und das anwaltliche Einfordern der Beteiligung Jugendlicher an sie betreffenden Entscheidungsfindungen
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wird zur prioritären pädagogischen Aufgabe. Angebote, die die Kompetenz der Nutzer stärken, müssen
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immanenter Bestandteil des Jugendschutzes sein und untrennbar in dem zukünftigen JMStV als Verpflichtung
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verankert werden. Letztlich kann nur erlerntes verantwortungsvolles Handeln von Eltern und
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Jugendschutz im Internet: Kluge Strategien für ein sicheres Netz – Jugendmedienschutz-Staatsvertrag stoppen!
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Jugendlichen einen tragenden Schutz vor entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten gewährleisten. Dieser
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Königsweg ist lang und anstrengend – aber nachhaltig. Technische Lösungen können qualifizierte Erziehung
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nicht ersetzen.
nicht ersetzen.
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Wir – und auch viele weitere Sachverständige aus der „Online-Welt“ – wollen die politischen Prozesse
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begleiten, so dass kurz- und mittelfristig gute, funktionierende und sinnvolle gesetzliche Regelungen entstehen
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Wir – und auch viele weitere Sachverständige aus der „Online-Welt“ – wollen die politischen Prozesse begleiten, so dass kurz- und mittelfristig gute, funktionierende und sinnvolle gesetzliche Regelungen entstehen können und langfristig die Medienpädagogik Weg und Ziel zugleich ist. Bis diese Prozesse zu Ergebnissen führen, ist der derzeitig gültige JMStV die bessere Alternative.
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können und langfristig die Medienpädagogik Weg und Ziel zugleich ist. Bis diese Prozesse zu Ergebnissen
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führen, ist der derzeitig gültige JMStV die bessere Alternative.
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Wir bitten Sie, wir bitten Euch, die Novelle des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags abzulehnen, wie es auch der Landesparteirat der Grünen seinen Landtagsabgeordneten empfohlen hat. Er würde mehr Schaden als Nutzen anrichten, den Jugendschutz nicht stärken und das Vertrauen der "Netzgemeinschaft" in die Politik endgültig zerstören.
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Wir bitten Sie, wir bitten Euch, die Novelle des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags abzulehnen, wie
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es auch der Landesparteirat der Grünen seinen Landtagsabgeordneten empfohlen hat. Er würde mehr
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Mit den besten Grüßen
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Schaden als Nutzen anrichten, den Jugendschutz nicht stärken und das Vertrauen der „Netzgemeinschaft“
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in die Politik endgültig zerstören.
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Mit den besten Grüßen und einem herzlichen Glückauf!
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Jürgen Ertelt
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Medien- und Sozialpädagoge, Mitglied der GMK und des JFF, Redaktionsmitglied der Zeitschrift „Medien und Erziehung“
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Alvar Freude
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Vorstandsmitglied Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft e.V.; von der SPD benannter Sachverständiger in der
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Enquête-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Deutschen Bundestages
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Henning Tillmann
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Mitglied des Gesprächskreises „Netzpolitik und digitale Gesellschaft“ des SPD-Parteivorstands
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Veith Lemmen
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Landesvorsitzender NRW Jusos
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Sascha Vogt
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Bundesvorsitzender der Jusos
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Guido Brombach
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Kompetenzzentrumsleiter digitale Kommunikation, Lernen und Medien, DGB Bildungswerk
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Christian Scholz
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Unternehmer, Web-Entwickler, politisch aktiver Blogger und Podcaster, Mitglied des „Dialog Internet“ des Bundesfamilienministeriums
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Andreas Maurer
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Leiter Social Media, & Internet AG
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Jugendschutz im Internet: Kluge Strategien für ein sicheres Netz – Jugendmedienschutz-Staatsvertrag stoppen!
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Markus Beckedahl
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netzpolitik.org und Sachverständiger in der Enquête-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Deutschen Bundestages
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Mario Sixtus
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Journalist (ZDF) und geschäftsführender Autor der Blinkenlichten Produktionen, Grimme-Online-Preisträger , Kategorie „Wissen
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und Bildung“, Mitglied des „Dialog Internet“ des Bundesfamilienministeriums
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Jan Mönikes
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Rechtsanwalt, Mitglied des SPD-Parteirates und Sprecher des Managerkreises der FES Baden-Württemberg
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Matthias Spielkamp
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Journalist, Gründungsredakteur und Projektleiter iRights.info – Urheberrecht in der digitalen Welt, Grimme-Online-Award ;
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geladener Experte für die Enquête-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Deutschen Bundestages
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Michael Reschke
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Mitglied des Juso-Bundesvorstands
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Annette Mühlberg
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Vorstandsmitglied der europäischen Internetnutzerorganisation von ICANN, Sachverständige der Enquête-Kommission „Internet
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und digitale Gesellschaft“ des Deutschen Bundestages
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Tim Bartel
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Wikimedia Deutschland e.V.
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Wolfgang Michal
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Journalist, carta.info, magda.de, Vorstandsmitglied Freischreiber e.V.
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Oliver Zeisberger
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Inhaber barracuda digitale agentur GmbH, Experte an der Schnittstelle Internet und Politik, Mitglied des Gesprächskreises „Netzpolitik
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und digitale Gesellschaft“ des SPD-Parteivorstands
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Jens Matheuszik
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SPD-Basismitglied, Blogger pottblog.de
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Stefan Laurin
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Journalist und Blogger ruhrbarone.de
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Jeanette Hofmann
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Wissenschaftszentrum Berlin, Sachverständige in der Enquête-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Deutschen
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Bundestages
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Gwenn Dauen
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Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur, Netzpolitischer Aktivist
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Valentina Kerst
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Leiterin Forum Netzpolitik der KölnSPD, Mitglied des Gesprächskreises „Netzpolitik und digitale Gesellschaft“ des SPD-Parteivorstands,
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Mitglied des FES-Expertenbeirats zur Enquetekommission „Internet und digitale Gesellschaft“, Mitglied des Kernteams
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„Dialogkreis Netzpolitik“ von Martin Dörmann
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Dominik Boecker
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Rechtsanwalt, Fachanwalt für Informationstechnologierecht
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Jugendschutz im Internet: Kluge Strategien für ein sicheres Netz – Jugendmedienschutz-Staatsvertrag stoppen!
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Stephan Urbach
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Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur, Netzpolitischer Aktivist
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omas Stadler
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Fachanwalt für IT-Recht und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz
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Karsten Wenzlaff
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Online-Redakteur im vorwärts-Verlag, Gründer des Instituts für Kommunikation in sozialen Medien
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Christian Wöhrl
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Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur (AK Zensur)
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Mathias Richel
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Mitglied des Gesprächskreises „Netzpolitik und digitale Gesellschaft“ des SPD-Parteivorstands, Strategie und Konzeption
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Bernd Fachinger
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Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur, netzpolitischer Aktivist
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Joachim Bellé
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Vater, Mitglied des AK Zensur
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Kim Quermann
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Landesvorstand NRW Jusos, AK Freiheitsrechte, Kultur und digitales Leben der NRW Jusos
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Vera Bunse
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AK Zensur, Bloggerin, Blog „... Kaffee bei mir?“
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Pascal Geißler
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koop. Landesvorstand NRW Jusos, AK Freiheitsrechte, Kultur und digitales Leben der NRW Jusos
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Michael Seidlitz
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Rechtsanwalt
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Nathalie Golla
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Dipl.-Medienwirtin, Mitglied im Juso-Landesvorstand NRW, AK Freiheitsrechte, Kultur und digitales Leben der NRW Jusos
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Michael Krause
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Projekt Jugendmedienschutz, AWO Familienglobus gGmbH Düsseldorf
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Peter Piksa
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Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur, netzpolitischer Aktivist, Blogger
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Markus Hagge
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Selbstständig, u.a. Betreiber soziserver.de
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Benjamin Siggel
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Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur
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Maritta Strasser
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freiberufliche Kommunikationsberaterin, ehem. Pressesprecherin von Herta Däubler-Gmelin im BMJ, Mitglied des Gesprächskreises
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„Netzpolitik und digitale Gesellschaft“ des SPD-Parteivorstands
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Jugendschutz im Internet: Kluge Strategien für ein sicheres Netz – Jugendmedienschutz-Staatsvertrag stoppen!
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Rena Tangens
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FoeBuD e.V., BigBrotherAwards
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Claudio Kerst
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Inhaber TopicLodge GbR, Initiator „Internetwoche Köln”, Mitglied des Gesprächskreises „Infrastruktur“ des SPD-Parteivorstands,
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Mitglied des Kernteams „Dialogkreis Netzpolitik” von Martin Dörmann
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Daniel Bär
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Geschäftsführer der Jusos Köln
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Jens Berger
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Journalist und Blogger spiegelfechter.com
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Dragan Espenschied
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Medienkünstler, Stuttgart
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Michael Servos
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Dipl.-Math., SPD-Ratsherr der Stadt Aachen
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Gerald Jörns
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Medienreferent, Freier Journalist, „Computerspielberatung.de“
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Joerg Heidrich
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Rechtsanwalt, Justiziar, Fachanwalt für IT-Recht
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padeluun
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FoeBuD e.V., Sachverständiger in der Enquête-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Deutschen Bundestages
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Felix Neumann
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Blogger (fxneumann.de, carta.info), Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken
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omas Knüwer
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Gründer der Unternehmensberatung „kpunktnull – Beratung für das digitale Zeitalter“
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Udo Vetter
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Fachanwalt für Strafrecht, Lehrbeauftragter für Medienrecht an der Fachhochschule Düsseldorf
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Cornelia Tausch
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von der SPD-Bundestagsfraktion benannte Sachverständige in der Enquête-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des
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Deutschen Bundestages
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Jugendschutz im Internet: Kluge Strategien für ein sicheres Netz – Jugendmedienschutz-Staatsvertrag stoppen!
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Version vom 18:26, 25. Apr. 2011

Inhaltsverzeichnis

Worum geht es?

Die Bundesjustizministerin hat im Januar einen fatalen Vorschlag auf den Tisch gelegt, demzufolge künftig alle Internet-Verbindungsdaten auf Vorrat gespeichert und dadurch dynamisch zugewiesene IP-Adressen noch sieben Tage nach Verbindungsende zuzuordnen wären, ohne richterliche Anordnung. Da Polizei und Nachrichtendienste zugleich die Herausgabe von Internet-Nutzungsprotokollen (Logfiles) verlangen können, wäre der Vorschlag das Ende der Anonymität im Internet und die Wiedereinführung einer Vorratsdatenspeicherung. Die 7-tägige Speicherdauer änderte nichts daran, dass laut Statistik gerade in der ersten Woche nach Verbindungsende die meisten Behördenanfragen erfolgen. Darüber hinaus betrachtet die Ministerin ihren Vorschlag erst als "Grundlage", also Ausgangspunkt, für die anstehenden Verhandlungen mit der Union, die noch weit mehr protokollieren lassen will. Als "Kompromiss" droht daher eine allgemeine "Vorratsdatenspeicherung light" für sämtliche Verbindungsdaten ("Quick Freeze Plus"), obwohl die FDP überhaupt keinen Kompromiss eingehen müsste.

In einer ähnlichen Situation, nämlich als der Landtag in NRW über den Jugendmedien-Staatsvertrag abstimmen sollte und die SPD einzuknicken drohte, haben 50 Prominente aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, der „Netzgemeinschaft“ sowie Juristen, Journalisten und Netz-Künstler einen offenen Brief an die SPD-Landtagsabgeordneten geschrieben mit der Bitte, die Novelle des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags abzulehnen (http://ak-zensur.de/download/JMStV-Brief--Alternativen--SPD-MdL-NRW.pdf) . Unter den Unterzeichnern waren auch viele SPD-nahe Personen. Diese Initiative war viel beachtet und hat letztlich mit zur Ablehnung des JMStV geführt.

Wir wollen deswegen einen offenen Brief an alle FDP-Bundestagsangeordnete entwerfen, um sie zu bitten, entsprechend ihrem Wahlversprechen keinerlei verdachtsloser Speicherung von Verbindungsdaten Unschuldiger und Unverdächtiger zuzustimmen, auch nicht von IP-Adressen.

Briefentwurf

Strafverfolgung im Internet: Intelligente Strategien für ein sicheres Netz – IP-Vorratsdatenspeicherung stoppen!

An die

Abgeordneten der FDP-Fraktion des

Deutschen Bundestages

... Mai 2011

Strafverfolgung im Internet: Warum eine Vorratsspeicherung von Internet-Verbindungsdaten nicht nur ihr Ziel verfehlt, sondern auch schädlich ist und welche Alternativen besser sind

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Abgeordnete des Deutschen Bundestages,

Politik muss sicherstellen, dass Straftaten wirksam verfolgt werden – im Internet wie in der realen Welt. Gleichzeitig muss die Politik die Meinungs- und Pressefreiheit sowie die persönlichen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten im Internet berücksichtigen.

Das Eckpunktepapier des Bundesjustizministeriums, auf dessen Grundlage ein Kompromiss mit der Union in Sachen Vorratsdatenspeicherung erarbeitet werden soll, enthält unter Nummer 1 den Vorschlag einer schnellen anlassbezogenen Sicherung von Telekommunikations-Verkehrsdaten, wenn diese voraussichtlich zur Aufklärung des konkreten Verdachts einer Straftat benötigt werden ("Quick Freeze"). Unter Nummer 2 wird dann aber vorgeschlagen, Internet-Zugangsanbieter zu verpflichten, flächendeckend und ohne Anlass für die Dauer von sieben Tagen auf Vorrat zu speichern, wer wann unter welcher IP-Adresse mit dem Internet verbunden war. Solche Protokolle sollen es Staatsbeamten ermöglichen, schon bei dem Verdacht einer Bagatellstraftat die Identität des Nutzers einer IP-Adresse ohne richterliche Anordnung offenlegen zu lassen, voraussichtlich aber auch schon präventiv sowie für geheimdienstliche Ermittlungen (§ 113 TKG). Alleine die Deutsche Telekom AG musste 2010 21.000 Staatsanfragen nach der Identität des Nutzers einer IP-Adressen beantworten, das entspricht über 50 Identifizierungen pro Tag.

Soweit einige Anbieter die Zuordnung von IP-Adressen schon heute einige Tage lang auf Vorrat speichern, ist die Notwendigkeit und Zulässigkeit dieser Praxis Gegenstand laufender Gerichtsverfahren und bereits von mehreren Gerichten verworfen worden. Während man sich derzeit vor einem Bekanntwerden sensibler Informationen über die eigene Lebenssituation durch Inanspruchnahme eines nicht auf Vorrat speichernden Zugangsanbieters (z.B. Freenet, Hansenet) schützen kann, wäre dies im Fall einer Zwangsspeicherfrist nicht mehr möglich. Datenschutz durch marktwirtschaftlichen Wettbewerb ist eine liberale Lösung, die ein Speicherzwang auslöschen würde.

Bei der Information, wer wann unter welcher IP-Adresse mit dem Internet verbunden war, handelt es sich um Telekommunikations-Verkehrsdaten des Internet-Zugangsanbieters, die - nicht anders als Telefon-Verbindungsdaten - dem Schutz des Fernmeldegeheimnisses unterliegen. Eine kompetente Netzpolitik begreift IP-Adressen nicht als "Telefonnummer" oder "Kfz-Kennzeichen des Internets". Mit dem Telefon oder dem Pkw lesen wir keine Zeitung, recherchieren wir keine Informationen, schauen uns keine Produkte an und veröffentlichen wir keine Kommentare. Normalerweise schreibt niemand mit, von welchen Rufnummern er angerufen oder von welchen Pkws er aufgesucht wird. Genau diese minuziöse Verhaltensprotokollierung wird aber im Internet praktiziert.

Eine identifizierte IP-Adresse ermöglicht zwar für sich genommen noch keinen unmittelbaren Rückschluss auf Gesprächspartner. In Verbindung mit Internet-Nutzungsdaten, die staatliche Stellen ohne richterliche Anordnung bei Internetanbietern wie Google anfordern können (§ 15 Abs. 5 S. 4 TMG), lässt sich mit einer identifizierten IP-Adresse aber sogar der Inhalt der Telekommunikation einer Person nachvollziehen, also wer wonach im Internet gesucht, sich wofür interessiert und welchen Beitrag veröffentlicht hat. Information und Meinungsäußerung ohne Furcht vor Nachteilen werden durch eine IP-Vorratsdatenspeicherung unmöglich. Daneben wird in die meisten E-Mails die IP-Adresse des Absenders aufgenommen, ohne dass man einfach eine Unterdrückung dieser "Rufnummernübermittlung" wählen könnte. Durch eine IP-Vorratsdatenspeicherung werden Meinungsäußerungen per E-Mail ohne Furcht vor Nachteilen unmöglich. Schließlich ermöglichen es IP-Adressen gerade beim mobilen Internetzugang, Bewegungsprofile zu erstellen, weil aus der jeweiligen IP-Adresse der ungefähre Standort des Nutzers ermittelt werden kann.

Insgesamt träfe eine IP-Vorratsdatenspeicherung junge Menschen und zukünftige Generationen, deren privater und beruflicher Alltag sich zu einem immer größeren Teil im Internet abspielt, in ungleich gewaltigerem Ausmaß als internetfernere Generationen. Sie ermöglichte es Staatsbeamten, einen bislang ungeahnten Teil unseres Privat- und Berufslebens aufzudecken. In den Worten des Bundesverfassungsgerichts: Es handelte sich um einen "besonders schweren Eingriff mit einer Streubreite, wie sie die Rechtsordnung bisher nicht kennt". Die anlasslose Speicherung von Internet-Verbindungsdaten ist "geeignet, ein diffus bedrohliches Gefühl des Beobachtetseins hervorzurufen, das eine unbefangene Wahrnehmung der Grundrechte in vielen Bereichen beeinträchtigen kann", nämlich in allen Bereichen, in denen das Internet zum Einsatz kommt.

Der von dem Bundesjustizministerium erarbeitete Vorschlag einer flächendeckenden Internet-Verbindungsdatenspeicherung, der auch für viele FDP-Abgeordnete völlig überraschend kam, basiert auf Angaben des Bundeskriminalamts, wonach im vergangenen Jahr 830 von 983 (84,4%) durch das BKA angeforderte Auskünfte über die Identität des hinter einer IP-Adresse stehenden Anschlussinhabers nicht erteilt worden seien, weil Internet-Zugangsanbieter nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts keine Verbindungsdaten mehr speicherten.

Diese Zahlen des Bundeskriminalamts werfen jedoch mehr Fragen auf als sie beantworten: Inwieweit beruhten erfolglose Anfragen auf Verzögerungen seitens des Bundeskriminalamts bei der Anforderung von Auskünften? Waren Anfragen des Bundeskriminalamts zu Zeiten der Vorratsdatenspeicherung nicht ebenso häufig erfolglos? Wie häufig wurden Ermittlungsverfahren trotz erfolgreicher Datenabfrage folgenlos eingestellt und sind erteilte Auskünfte mithin im Ergebnis ohne Nutzen? Diese und sieben weitere Fragen richtete der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung an Bundeskriminalamt und Bundesinnenministerium - nicht eine Frage wurde beantwortet. Ohne Antworten auf die genannten Fragen können relevante Schlüsse aus den Zahlen des Bundeskriminalamts nicht gezogen werden.

Die Angaben des Bundeskriminalamts sind nicht aussagekräftig. So betrafen 147 der ergebnislosen Auskunftsersuchen des BKA beispielsweise Internetverbindungen, die im Zeitpunkt der Anfrage (25.05.2010) länger als sechs Monate zurück lagen (Zeitstempel: 29.05.2009-11.09.2009) und deswegen selbst im Fall einer sechsmonatigen Vorratsdatenspeicherung ergebnislos geblieben wären. Dr. Michael Kilchling vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg hat die BKA-Zahlen mit den Worten kommentiert: "Für eine seriöse wissenschaftliche Stellungnahme fehlt jede Basis".

Die BKA-Zahlen betreffen nur einen sehr kleinen und nicht repräsentativen Ausschnitt aus der Kriminalitätswirklichkeit. 74,4% der in die BKA-Zahlen eingeflossenen, erfolglosen Anfragen zu IP-Adressen galten der Verfolgung der Verbreitung, des Erwerbs oder des Besitzes kinder- und jugendpornographischer Schriften, weil sich die Recherchestelle ZaRD des BKA schwerpunktmäßig damit befasst. Nur 3% der insgesamt an staatliche Stellen erteilten Auskünfte werden aber zur Strafverfolgung wegen pornografischer Schriften erteilt. Nicht mehr als 6.092 von 6.054.330 im Jahr 2009 polizeilich registrierten Straftaten betrafen die Verbreitung pornographischer Schriften im Internet, also gerade einmal 0,1% aller bekannten Straftaten. Die FDP darf vor dem Totschlagargument "Kinderpornografie" nicht kapitulieren, sondern ist den Menschen eine sachliche Auseinandersetzung auch mit diesem Thema schuldig.

Der Vorschlag einer flächendeckenden Vorratsspeicherung von Internet-Verbindungsdaten lässt die Eigenheiten des Internets völlig außer Acht. Aus einer Untersuchung des Max-Planck-Instituts im Auftrag des Bundesjustizministeriums ist bekannt, dass 72% der Ermittlungsverfahren mit erfolgreicher Verbindungsdatenabfrage gleichwohl eingestellt wurden. Bei IP-Adressen ist selbst im Fall einer Vorratsdatenspeicherung eine Identifizierung des Täters nicht möglich. In vielen Fällen verwenden Straftäter Internet-Cafés, offene Internetzugänge (WLAN), Anonymisierungsdienste, öffentliche Telefone, unregistrierte Handykarten usw. Laut einer Umfrage nutzen schon 12,8% der Internetnutzer einen Anonymisierungsdienst, weitere 33,6% beabsichtigten dies in Zukunft. Ein Anonymisierungsdienst ersetzt die IP-Adresse des Kunden durch eine andere, nicht rückverfolgbare IP-Adresse. Solche Dienste werden für ein geringes monatliches Pauschalentgelt in Deutschland, Europa und weltweit legal angeboten. Eine seriöse Rechtspolitik setzt auf Strafverfolgungsmaßnahmen, die einen ernsthaften Beitrag zur Aufklärung von Straftaten leisten. Damit muss eine Vorratsdatenspeicherung bei Internet-Zugangsanbietern, die auf vielfältige Weise schon mit geringem Aufwand umgangen werden kann, ausscheiden.

Eine moderne und zukunftsfähige Internetpolitik setzt Internetnutzer keinen Überwachungsmaßnahmen aus, die bei vergleichbaren Tätigkeiten außerhalb des Internet unbekannt sind. Wer außerhalb des Internets Bücher liest, fernsieht oder CDs tauscht, hinterlässt keine identifizierbaren Spuren. Es gibt keinen Grund, weshalb dies im Internet anders sein sollte. Es ist nicht zu rechtfertigen, dass Anrufe mit unterdrückter Rufnummernanzeige bei Telefon-Flatrates ebenso spurenlos möglich bleiben sollen wie postalische Meinungsäußerungen ohne Absender und mündliche Äußerungen gegenüber Unbekannten, dass einzig im Internet aber potenziell jede E-Mail und jeder Kommentar anhand einer auf Vorrat gespeicherten IP-Adresse identizifierbar bleiben soll.

Im Internet begangene Straftaten werden auch ohne Vorratsspeicherung von Internet-Zugangsdaten deutlich häufiger aufgeklärt als außerhalb des Internet begangene Straftaten. Die ersten Zahlen für das Jahr 2010, also im Wesentlichen nach dem Ende der Vorratsdatenspeicherung, belegen: Im Jahr 2010 wurden in Nordrhein-Westfalen auch ohne Vorratsdaten fast zwei von drei Internetdelikten aufgeklärt (64,4%). Damit waren im Internet begangene Straftaten auch ohne Vorratsdatenspeicherung deutlich häufiger aufzuklären als außerhalb des Internet begangene Straftaten (49,4%). Auch die Verbreitung von Kinderpornografie wurde nach dem Ende der Vorratsdatenspeicherung deutlich häufiger aufgeklärt (60,8%) als außerhalb des Internet begangene Straftaten. Vor diesem Hintergrund besteht keinerlei Rechtfertigung für ein Anonymitätsverbot gerade im Internet.

Dass die Speicherung nur der Daten von Verdächtigen eine wirksame Verfolgung auch von Internetdelikten ermöglicht, zeigt die Praxis vieler Staaten weltweit. Sicherlich will niemand ernsthaft behaupten, dass in Staaten wie Österreich, Schweden oder Kanada das Internet ein rechtsfreier Raum sei, weil Internet-Verbindungsdaten dort wie in Deutschland mit Verbindungsende zu löschen sind.

Umgekehrt droht eine IP-Vorratsdatenspeicherung die Strafverfolgung im Internet massiv zu beeinträchtigen. Schon die Einführung der letzten Internet-Vorratsdatenspeicherung im Jahr 2009 führte dazu, dass 46,4% aller Internetnutzer Anonymisierungsdienste nutzten oder nutzen wollten und 24,6% öffentliche Internet-Cafés. Im Ergebnis war trotz sechsmonatiger IP-Vorratsdatenspeicherung nur ein geringerer Teil der registrierten Internetdelikte (75,7%) aufzuklären als noch im Vorjahr ohne IP-Vorratsdatenspeicherung (79,8%)! Eine IP-Vorratsdatenspeicherung führt zu Vermeidungsverhalten, welches die Verhinderung und Verfolgung selbst schwerer Straftaten erschwert. Denn Vermeidungsmaßnahmen können zugleich verdachtsabhängige Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen vereiteln, wie sie ohne Vorratsdatenspeicherung noch möglich sind. Dadurch entfaltet eine Vorratsdatenspeicherung auf Gefahrenabwehr und Strafverfolgung kontraproduktive Wirkungen und verkehrt den erhofften Nutzen der Maßnahme offenbar in sein Gegenteil.

Auf der anderen Seite hätte eine verdachtslose Vorratsspeicherung von Internet-Verbindungsdaten massive Nachteile für Bürger, aber auch für Unternehmen, Ärzte, Rechtsanwälte, Psychologen, Beratungsstellen und viele mehr zur Folge: Im Zuge einer Vorratsdatenspeicherung würden ohne jeden Verdacht einer Straftat Informationen gesammelt, die die Rückverfolgung praktisch jeden Klicks und jeder Eingabe im Internet von über 80 Millionen Bundesbürgerinnen und Bundesbürgern ermöglichen würden.

Der Vorschlag einer Vorratsspeicherung von IP-Adressen lässt auch vollkommen die technische Entwicklung außer Acht. Mit der ab Ende 2011 geplanten Umstellung des Internets auf das neue Adress-System "IPv6" droht die individuelle Verfolgbarkeit jedes unserer Online-Schritte über lange Zeiträume hinweg. Denn die neuen Internet-Adressen verändern sich fast nie - im Gegensatz zu der derzeitigen, veränderlichen Nummernzuteilung. Mit einer einzigen polizeilichen Abfrage der IP-Adresszuordnung und nachfolgenden Anfragen an die privaten Anbieter nach Logdateien kann künftig auf Monate hinaus ein Online-Leben nachvollzogen werden. Aus Gründen des Datenschutzes ist es dringend geboten, weiterhin eine häufig wechselnde Vergabe vorzuschreiben. Der Vorschlag einer Vorratsdatenspeicherung geht genau in die falsche Richtung.

Besonders Sorgen macht uns, dass die FDP im Bereich des Internetzugangs erstmals eine Abkehr von dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Verdachtsabhängigkeit von Ermittlungsmaßnahmen und einen Einstieg in die Logik einer vorsorglichen Massenerfassung Unschuldiger ins Blaue hinein vollziehen würde, indem sie eine flächendeckende Informationssammlung über Verhalten der gesamten Bevölkerung erstmals als notwendig und verhältnismäßig anerkennen würde. Ist dieser Damm einmal gebrochen und ein Präzedenzfall geschaffen, dann könnte die FDP dem Hunger von Sicherheitsideologen nach weiteren vermeintlich "unverzichtbaren" Informationen über die gesamte Bevölkerung (z.B. Telefonverbindungsdaten und -standortdaten bei Flatrates, Reisedaten, Büchereidaten, Bestelldaten, Internet-Nutzungsdaten) zukünftig keinen grundsätzlichen Einwand gegen anlasslose Totalspeicherungen mehr entgegen setzen.

Eine IP-Vorratsdatenspeicherung würde Anbieter und deren Kunden schon wegen der hohen Sicherheitsanforderungen Millionen von Euro kosten. Um diese Kosten zu vermeiden, besteht die Gefahr, dass die Anbieter einfach auf der Grundlage des § 100 TKG ohne Sicherheitsvorkehrungen auf Vorrat speichern, um die Daten auch für eigene Zwecke und zur millionenfachen Auskunfterteilung an Private (§ 101a UrhG) verwenden zu können. Ungelöst ist auch die Frage, wie für die vom Bundesverfassungsgericht angesprochenen, auf besondere Vertraulichkeit angewiesenen Verbindungen im Internetbereich ein grundsätzliches Übermittlungsverbot vorgesehen werden soll. Internetanbieter können nicht wissen, ob eine Internetverbindung der anonymen Kontaktaufnahme zu Beratungsstellen oder Journalisten gedient hat.

Dementsprechend ist der Vorstoß des Bundesjustizministeriums unter anderem bei dem Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, dem Deutschen Journalistenverband, dem Chaos Computer Club, der Neuen Richtervereinigung, dem LSVD und dem Verband der deutschen Internetwirtschaft (eco) auf Ablehnung gestoßen.

Sexuellem Kindesmissbrauch wirksam begegnen

Dem Bundesjustizministerium zufolge soll eine Rückverfolgbarkeit jeder Internetnutzung "insbesondere zum Vorgehen gegen Kinderpornografie" geschaffen werden. Das Ziel, Kinder zu schützen und sowohl ihren Missbrauch als auch dessen Dokumentation zu verhindern, stellen wir keineswegs nicht in Frage. Alle hierzu geeigneten und erforderlichen Mittel, die nicht mehr schaden als sie nutzen, müssen eingesetzt werden. Gerade wegen der hohen Bedeutung der Rechte von Kindern und der Abscheulichkeit ihres Missbrauchs dürfen dringend benötigte Ressourcen allerdings nicht für wirkungslose oder gar kontraproduktive Maßnahmen verschleudert werden. Sexuell missbrauchte Kinder dürfen nicht politisch ein zweites Mal für Vorhaben missbraucht werden, die in Wahrheit keinen Beitrag zum Kinderschutz leisten. Nach unserer Überzeugung ist genau dies aber bei einer generellen und pauschalen Vorratsspeicherung der Internet-Zugangsdaten von Unverdächtigen der Fall.

Eine Vorratsdatenspeicherung ist ungeeignet zum Schutz von Kindern

Eine Vorratsspeicherung der IP-Adressen Unverdächtiger ist zum Schutz von Kindern denkbar ungeeignet, wie an vielen Stellen offengelegt und von Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen mehrfach bestätigt worden ist. Eine Vorratsdatenspeicherung hatte weder in Deutschland noch hat sie im Ausland irgend einen messbaren Einfluss auf die körperliche und seelische Unversehrtheit missbrauchter Kinder.

Zunächst einmal geht die strafrechtliche Verfolgung von "Kinderpornografie" von vornherein an dem größten Teil des problems sexuellen Kindesmissbrauchs vorbei. Der Anteil von Kinderpornografiedelikten an allen polizeilich bekannten Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung ist mit 7% gering. Nur ausnahmsweise kann Opfern sexuellen Kindesmissbrauchs durch Verfolgung des Austauschs kinderpornografischer Darstellungen geholfen werden. Nicht mehr als 1% der polizeilich registrierten Fälle von Kindesmissbrauch werden überhaupt fotografisch dokumentiert, meist von Familienmitgliedern oder nahen Verwandten. Den Hauptteil der Straftaten im Bereich des sexuellen Missbrauchs begehen nicht Pädophile, die sich für Kinderpornografie interessieren können, sondern Täter, die sich an dem Opfer als Ersatz für Sexualkontakt mit Erwachsenen vergehen. Neun von zehn Fällen von Kindesmissbrauch und sogar 98% der Fälle familiären Missbrauchs von Kindern werden der Polizei nie bekannt. Es kommt hinzu, dass Kindesmissbrauch nicht identisch ist mit Strafbarkeit. Vernachlässigung und nicht-sexueller Missbrauch kann ebenso schwerwiegende Folgen für Kinder haben wie sexueller Missbrauch.

In der Medienwirkungsforschung und sonstigen Wissenschaft ist umstritten, ob die Verfügbarkeit von Darstellungen sexuellen Missbrauchs überhaupt das Risiko eigener Übergriffe der Konsumenten erhöht oder ob sie es umgekehrt durch Eröffnung eines "Ventils" für Pädophile senkt. Nach Angaben des renommierten Berliner Krankenhauses Charité kann nach gegenwärtigem Stand der Forschung nicht abschließend beurteilt werden, inwiefern der Konsum kinderpornografischer Materialien den Wunsch nach Realisierung eines tatsächlich direkten sexuellen Kontaktes mit einem Kind verstärkt. Der Klinik zufolge ist Pädophilie Bestandteil der Persönlichkeit von geschätzt 200.000 Menschen in Deutschland und nicht "wegzutherapieren". Ziel einer Therapie ist vielmehr, die pädophile Neigung nur noch in der Fantasie auszuleben - dies kann um der Sicherheit von Kindern willen nicht verboten oder geächtet werden. In der Praxis soll es nach der Aufhebung oder Lockerung von Kinderpornographieverboten in Tschechien, Dänemark und Japan zu einem Rückgang der Kindesmissbrauchsfälle gekommen sein. Die faktisch erhöhte Verfügbarkeit von Darstellungen sexuellen Missbrauchs durch das Internet in Deutschland ist mit einem Rückgang der Fälle von Kindesmissbrauch einher gegangen. 2009 registrierte die Polizei die niedrigste Zahl von Kindesmissbrauchsfällen seit 1987. Die Häufigkeit geht bereits seit den 1950er Jahren deutlich zurück.

Noch zweifelhafter ist, ob eine Intensivierung der strafrechtlichen Verfolgung des Austauschs kinderpornografischer Darstellungen in Deutschland zum Schutz von Kindern vor sexuellen Übergriffen beitragen kann. In keinem Fall ist belegt oder auch nur plausibel, dass gerade eine IP-Vorratsdatenspeicherung auch nur ein Kind vor sexuellem Missbrauch schützen könnte. Weder aus Deutschland noch aus einem anderen Staat der Welt ist bekannt, dass die Zahl von Missbrauchsfällen nach Einführung einer Vorratsdatenspeicherung zurückgegangen wäre. Wir sind zwar der Meinung, dass der Staat zum Schutz von Kindern für ein ernsthaftes Entdeckungsrisiko sorgen muss, um potenzielle Täter von entsprechenden Straftaten abzuschrecken. Werden auch ohne Vorratsdatenspeicherung die meisten Fälle des Austauschs von Kinderpornografie aufgeklärt, so ist diese Abschreckungswirkung aber ausgeschöpft. Es gibt keinen Beleg dafür und ist kriminologisch unwahrscheinlich, dass eine - unterstellt - um einige Prozentpunkte höhere Aufklärungsquote die Entscheidung potenzieller Täter für oder gegen einen Kindesmissbrauch beeinflussen könnte. Tatsächlich ist eine höhere Aufklärungsquote nicht zu erwarten. Nach Einführung einer sechsmonatigen IP-Vorratsdatenspeicherung am 01.01.2009 fiel die Aufklärungsquote im Bereich der Verbreitung pornographischer Schriften über das Internet sogar von zuvor 87,5% auf 83,8%. Bei den ausführlichen Diskussionen des Runden Tisches der Bundesregierung zu sexuellem Kindesmissbrauch ist eine Vorratsdatenspeicherung von keiner Arbeitsgruppe als Lösungsweg empfohlen worden.

Eine Vorratsdatenspeicherung schadet dem Schutz von Kindern

Anonyme Internetzugänge sind nicht das Problem, sondern wichtige Voraussetzung der Bewältigung von Missbrauchsfällen. Eine unterschiedslose IP-Vorratsdatenspeicherung würde Opfern und potenziellen Opfern sexuellen Missbrauchs massiv schaden, indem sie tausenden von Opfern und Tätern den Zugang zu anonymen Beratungs-, Selbsthilfe- und Therapieangeboten verschließen würde. Gerade im Bereich des sexuellen Missbrauchs sind Opfer und Täter sehr oft nur im Schutz absoluter Anonymität bereit, sich zu informieren und Hilfe anzunehmen, da sie andernfalls soziale Ächtung oder - bei Tätern - strafrechtliche Verfolgung zu befürchten haben. Eine Einschränkung der Möglichkeiten anonymer Hilfe vertieft das Leiden von Opfern und schafft, wo die Therapie von Tätern vereitelt wird, weitere Opfer von Kindesmissbrauch. Es ist unverantwortlich, den Wunsch von Strafverfolgern nach Überführung möglichst noch des letzten Delinquenten über den Schutz und das Wohl von Kindern zu stellen.

Wirksamer Kinderschutz: Retten statt Mitschreiben!

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Sexueller Missbrauch passiert in Schulen, Kindergärten, Kinderheimen, Internaten, Sportvereinen, Jugendvereinen und in den Familien der Opfer, so dass dort zuerst angesetzt werden muss.

Kinderpornografie spielt bei der ausführlichen Diskussion des Runden Tisches der Bundesregierung zu sexuellem Kindesmissbrauch dementsprechend keine Rolle.

Internetkriminalität – Intelligente Strategien für ein sicheres Netz

Bei 97% der im Internet begangenen Straftaten und 99,8% der insgesamt in Deutschland registrierten Kriminalität handelt es sich nicht um den Austausch kinderpornografischer Darstellungen. Auch jenseits von Kinderpornografie kann die Politik viel tun, um den Schutz vor Kriminalität im Internet zu optimieren. Einige Lösungsansätze existieren bereits, viele neue können erarbeitet werden. Eine IP-Vorratsdatenspeicherung ist allerdings keiner davon: weder für die zu schützenden Internetnutzer noch für unsere Informationsgesellschaft insgesamt.

Dies unterstreicht auch die 2010 eingesetzte Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" des Deutschen Bundestages. Diese wurde nicht zuletzt wegen schlechter netzpolitischer Erfahrungen zu den Zeiten der Großen Koalition im Bund einberufen, um in Zukunft Fehlentscheidungen zu vermeiden. Die Vorratsdatenspeicherung, die vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft wurde, das Zugangserschwerungsgesetz („Netzsperren“), das inzwischen allgemein als nicht zielführend angesehen wird und als Hauptgrund für das Erstarken der Piratenpartei gedeutet werden kann, und auch die Online-Durchsuchung („Bundestrojaner“), die ebenfalls von Karlsruhe einkassiert worden ist, sind Negativbeispiele der Vergangenheit. Die FDP-Bundestagsfraktion hat es nun in der Hand, ob diese unselige Liste erweitert werden muss.

Wie ein besseres Vorgehen gegen Netzkriminalität jetzt schon möglich ist

Es gibt bereits gute Beispiele für modernen Schutz vor Internetkriminalität. Eine Schlüsselrolle spielt hierbei die Prävention, denn 82% aller polizeilich registrierten Internetdelikte sind Betrugsdelikte zulasten von Personen, die sich haben täuschen lassen. Hinzu kommt zunehmend Daten- und Identitätsdiebstahl unter Ausnutzung ungesicherter IT-Systeme (z.B. Trojaner) oder der Sorglosigkeit von Nutzern (z.B. Phishing) zur Vorbereitung von Betrug und anderer Straftaten.

Leicht verständliche Tipps und Anleitungen zum Schutz vor Netzkriminalität (z.B. Weißer Ring) und zur Sicherung des eigenen Computers (z.B. BITKOM) sind bereits entwickelt und veröffentlicht worden. Sie erreichen aber bislang nur sehr wenige Menschen. Wir könnten uns vorstellen, kurze Verhaltensempfehlungen für Erwachsene und Jugendliche als "Beipackzettel" jedem neu verkauften Computer und Smartphone beizulegen.

Software zur Gewährleistung der Sicherheit des eigenen Computers ist bereits entwickelt und veröffentlicht worden. Sie aufzufinden, zu installieren und in Stand zu halten überfordert aber viele Menschen. Sinnvoll erschiene uns eine Hotline, die kostenfreie Beratung bei der Absicherung der eigenen Computer und bei der Beseitigung von Schadprogrammen anbietet. Wir könnten uns auch vorstellen, Hersteller und Anbieter kommerzieller Internetdienste zu verpflichten, gebrauchsfertige Geräte zur Internetnutzung sowie öffentliche Internetdienste so voreinzustellen und in Stand zu halten, dass die Vertraulichkeit, Verfügbarkeit und Unversehrtheit des Systems und der darauf gespeicherten Nutzerdaten dauerhaft nach den anerkannten Regeln der Technik gewährleistet ist (z.B. automatische Sicherheitspatches, Firewall, Schadprogrammerkennung). Der Nutzer muss allerdings stets die volle Kontrolle über Vorkehrungen zu seinem Schutz behalten und diese auch abschalten können.

Bestehende Datenschutzgesetze enthalten wichtige Vorgaben, die die Verfügbarkeit persönlicher Daten für Straftaten reduzieren und dadurch Identitätsdiebstahl und sonstigen Datenmissbrauch verhüten können. Leider läuft die Durchsetzung dieser Vorgaben im Internet weitgehend leer. Wir hielten es für sinnvoll, wenn Wettbewerber, Verbraucherzentralen und Datenschutzverbände das Recht gegeben würde, Datenschutzverstöße kommerzieller Anbieter von Internetdiensten abzumahnen. Auch sollte der Verlust persönlicher Daten durch kommerzielle Anbieter von Internetdiensten einen Anspruch der Betroffenen auf pauschale Entschädigung nach sich ziehen (z.B. 200 Euro pro Person). Schließlich sollte unterbunden werden, dass kommerzielle informationstechnische Produkte zur Verarbeitung personenbezogener Daten so vertrieben werden, dass der Verwender in der Voreinstellung "automatisch" gegen deutsches Datenschutzrecht verstößt ("privacy by design").

Die Aufklärung von Internetkriminalität gelingt bereits jetzt in den meisten Fällen. Gleichwohl bestehen vielfältige Möglichkeiten für eine effizientere Strafverfolgung im Netz: Die Einrichtung leistungsfähiger Spezialdienststellen der Polizei und von Schwerpunktstaatsanwaltschaften zur Verfolgung von Computerkriminalität erscheint sinnvoll. Gefordert werden auch besonders qualifizierte Polizeibeamte und Staatsanwälte für diese Aufgaben, die Entwicklung eines Berufsbildes "Computerkriminalist", die Entwicklung standardisierter Sachbearbeitungsverfahren auf nationaler und die Entwicklung von Standards für IT-Forensik auf internationaler Ebene.

Laut periodischem Sicherheitsbericht ist bei ca. 80% der Ermittlungen wegen Internetdelikten ein Zugriff auf im Ausland vorhandene Informationen notwendig. Sinnvoller als jede nationale Maßnahme erschiene es daher, in rechtsstaatlichem Rahmen und nicht nur auf dem Papier eine unverzügliche, schnelle Sicherung im Ausland gespeicherter Computer- und Verkehrsdaten für nachfolgende Übermittlungsersuchen zu ermöglichen. Solange die Möglichkeiten des gegenwärtigen Rechtsrahmens aus personellen, organisatorischen und finanziellen Gründen nicht annähernd ausgeschöpft sind, darf es keinen Masseneingriff in die Rechte Unschuldiger geben.

Befähigung ist besser als Überwachung, Dialoge vermeiden Paragrafen, informationelle Selbstbestimmung braucht keine Totalprotokollierung. Sich mutig für neue Wege zu öffnen ist der beste Schritt nach vorne, um sich von nicht-funktionalen Wunschvorstellungen zu verabschieden und chancenorientiert das Internet als Zukunft unserer Gesellschaft zu begreifen. Internetnutzer und Strafverfolger, die ernst genommen werden, werden selbstgewählte Sicherheitsvorkehrungen und Verbesserungen mit hoher Akzeptanz aufnehmen. Damit ist die eigentliche Absicht, einen gesellschaftlich getragenen Diskurs über die Information und Kommunikation der Zukunft zu eröffnen, konstruktiv angegangen. Der Schutz von Internetnutzern bekommt endlich die stabile Basis, die den Forderungen nach totaler Rückverfolgbarkeit abhanden gekommen ist.

Medienkompetenzland Deutschland

Medienkompetenz ist der Schlüssel zu Partizipation an der digitalen Gesellschaft und verlangt heute mehr als Medienwissen, Medienkritik und gestaltende Medienproduktion. Die neue Dimension der zu stärkenden Medienkompetenz ist die verantwortungsvolle Mitwirkung an der gesellschaftlichen Entwicklung mittels Medien. Dazu gehört auch das Verständnis und Kommunizieren bewährter Maßnahmen zum Schutz vor und zur Verfolgung von Internetdelikten.

Die Bundesregierung sollte eine nationale Strategie zur Kriminalprävention im Internet entwickeln und die bisher zersplitterten Ministerialzuständigkeiten auf ein Bundesministerium vereinen. Es gilt, eine Offensive für aufgeklärte Internetnutzung zu starten. Ziel muss hierbei vorrangig die Qualifizierung von Lehrenden, Pädagogen und (politischen) Entscheidern sein. Nur so kann schon den Ursachen von Kriminalität entgegengewirkt werden. Es ist ratsam, auf eine breite Beteiligung zu setzen und die bereits von Bund und Ländern geförderten Einrichtungen in die Pflicht zur Mitentwicklung von Konzepten und Inhalten zu nehmen. Dazu sollten Best-Practice-Beispiele aus der bisherigen medienpädagogischen Arbeit aufgegriffen werden. Ein runder Tisch „Medienkompetenz“, der sich auch online transparent abbildet, trägt die besten Ideen für das Medienkompetenzland zusammen. Die geförderten, erfahrenen Institutionen sollten federführend diesen Prozess moderieren. Ergebnis wird ein inhaltlicher Fahrplan sein, der das „Netzpferdchen“ zum Galopp bringen wird und Deutschland mit seiner Bildungsoffensive für ein sicheres digitales Zeitalter verdient herausstellt.

Strafverfolgungsinteressen dürfen nicht zur Chancen-Bremse im Internet werden. Eine einseitig an Gefährdungsszenarien ausgerichtete Politik verhindert eine Verbesserung der Möglichkeiten und zementiert Risiken.

Gemeinsam für Sicherheit im Netz

Bereits das Eckpunktepapier des Bundesjustizministeriums vom Januar 2011 ist in einer intransparenten Weise zustande gekommen. Das Ministerium hat bis heute nicht zu einer Anhörung von Vertretern der Betroffenen in Beruf und Gesellschaft eingeladen. Dies zeigt, dass von Anfang an wenige (oder gar keine) Personen aus dem Netzpolitik- oder Informatikspektrum vertreten waren. Doch das ist elementar, bevor Politik so grundlegend in eine Technikentwicklung eingreift. Entscheidungen dürfen nicht ohne frühestmögliche Beteiligung derjenigen gefällt werden, die sie betreffen. Die Idee einer Rückverfolgbarkeit jeder Internetnutzung "insbesondere zum Vorgehen gegen Kinderpornografie" zeigt, dass über Sinnhaftigkeit und Erfolgsaussichten des Vorhabens nicht transparent mit Internetnutzern als Betroffenen gesprochen worden ist.

Letztlich kann nur erlerntes verantwortungsvolles Handeln von Eltern und Jugendlichen einen tragenden Schutz vor entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten gewährleisten. Dieser Königsweg ist lang und anstrengend – aber nachhaltig. Technische Lösungen können qualifizierte Erziehung nicht ersetzen.

Wir – und auch viele weitere Sachverständige aus der „Online-Welt“ – wollen die politischen Prozesse begleiten, so dass kurz- und mittelfristig gute, funktionierende und sinnvolle gesetzliche Regelungen entstehen können und langfristig die Medienpädagogik Weg und Ziel zugleich ist. Bis diese Prozesse zu Ergebnissen führen, ist der derzeitig gültige JMStV die bessere Alternative.

Wir bitten Sie, wir bitten Euch, die Novelle des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags abzulehnen, wie es auch der Landesparteirat der Grünen seinen Landtagsabgeordneten empfohlen hat. Er würde mehr Schaden als Nutzen anrichten, den Jugendschutz nicht stärken und das Vertrauen der "Netzgemeinschaft" in die Politik endgültig zerstören.

Mit den besten Grüßen

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