Hannover/fragen-zum-4-aug-2012

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Fragen und Informationen zu Videoüberwachung und Versammlungsfreiheit
am Samstag des 4. August 2012 in Bad Nenndorf und Hannover

Inhaltsverzeichnis

Wie alles anfing

Der 4.8.2012

Am 4. August 2012 haben in Bad Nenndorf (ca. 30 km westlich von Hannover) und in Hannover Proteste und Demonstrationen von Menschen aus der rechten Szene sowie Gegnern davon stattgefunden.

Auch wenn die für den Nachmittag in Hannover am Zentralen Omnisbusbahnhof (ZOB, hinter dem Hauptbahnhof gelegen) angemeldete Demo der Rechten offiziell nicht durchgeführt wurde, befanden sich dort eine größere Menge von Menschen aus allen politischen Zusammenhängen sowie Schaulustige, ein paar Punker und Interessierten.

Es kam zu mindestens einem Flaschenwurf durch einen betrunkenen Menschen, es fand eine Einkesselung statt, das gesamte Vorgehen wurde von der Polizei umfangreich gefilmt und fotografiert, zum Teil sogar heimlich!

Der offene Brief

Wir (= AK Vorrat Hannover) haben das zum Anlaß genommen, um der Polizeidirektion am 7.8.2012 einen Offenen Brief zu schreiben und darin 20 Fragen zu stellen.

Inhaltlich kann man unsere Fragen im wesentlichen auf folgende vier Schwerpunkte aufteilen:

  • Einsatz der Überwachungsdrohne in Bad Nenndorf und im allgemeinen
  • Sinn und Rechtmäßigkeit von verdeckter und offener Videoüberwachung bei Demos
  • Auskunftspflicht von Polizisten
  • Verhältnismäßigkeit der Einkesselung am 4.8. und im allgemeinen

Schließlich gab es noch eine private Frage um Auskunftsersuchen an den Datenschutzbeauftragten der Polizeidirektion Hannover, siehe hier.

Weitere Infos

Der gesamte Vorgang hat mediales Aufsehen erregt, hier einige Links:

Antworten auf den Offenen Brief

Überraschend schnell gingen schon zwischen 22. und 24.8.2012 die Antworten auf unsere Fragen ein. Für die Fragen rund um den Drohneneinsatz in Bad Nenndorf hat uns die Polizeidirektion Göttingen als zuständige Behörde geantwortet.

Im folgenden die Auflistung unserer Fragen und der Antworten dazu.

Zur Erläuterung:

  • Der Text unserer Briefes (Fragen und Anmerkungen) sind in normaler Schrift zu lesen.
  • Die Antworten der Polizei wurden blau markiert.
  • Subjektive Kommentare wurden kursiv hervorgehoben.

Zum Einsatz der Überwachungsdrohne in Bad Nenndorf und im allgemeinen

Frage 1: Übersichtsaufnahmen aus der Luft?

Haben Sie in den genannten Zusammenhängen eine Videoüberwachung aus der Luft, z.B. für die Anfertigung von Übersichtsaufnahmen durchgeführt?

"Nein."

Wenigstens einmal wurde der ZOB von einem Polizeihubschrauber mit Kamera überflogen. War diese zu diesem Zeitpunkt außer Betrieb?

Frage 2: Luftbilder mit welchen Mitteln?

Mittels welcher Hilfsmittel (Helikopter, Quadrocopter-Drohne und/oder Satellitentechnik) sind diese Bilder aufgenommen worden und können Sie bestätigen, dass es sich bei den so entstandenen Bildern um keine Aufnahmen handelt, die die Identifizierung von Menschen oder Fahrzeugen gestattet?

Frage entfällt wegen der Antwort zu Frage 1.

Frage 3: Umfang des Drohneneinsatzes

In welchem Umfang wurde die der niedersächsischen Polizei zur Verfügung stehende Quadrocopter-Drohne für die vorherigen Demonstrationen in Bad Nenndorf und Umfeld am gleichen Tag eingesetzt?

Einsatz der Drohne am 4.8.2012 insgesamt sieben mal, zwischen 6 und 11 Uhr, vor Beginn der angemeldeten Versammlungen, "um ausschließlich die Gegebenheiten des Einsatzraumes (Probleme des Verkehrsflusses, ggf. blockierte Rettungswege, die Baustellensituation, technische Einrichtungen, Sperrstellen, Bereitstellungsräume der Polizei und Behandlungsplätze) zu dokumentieren.
Ein Flug über die Versammlungsteilnehmer bzw. deren Überwachung fand zu keinem Zeitpunkt statt."

Einer mündlichen Zeugenaussage zufolge soll die Drohne mindestens einmal auch über der Versammlung eingesetzt worden sein, und zwar direkt am Bahnhof von Bad Nenndorf.

Frage 4: Identifizierbarkeit von Drohnenbildern

Können Sie bestätigen, dass es sich bei mittels Drohne entstandenen Bildern um keine Aufnahmen handelt, die die Identifizierung von Menschen oder Fahrzeugen gestattet?

"Das der Einsatzleitung der Polizeiinspektion Nienburg/Schaumburg vorliegende Original-Bildmaterial des Einsatzmittels lässt definitiv keine Identifizierung von Menschen oder Fahrzeugen zu mit der Ausnahme, dass einige Polizeibeamte einer angetretenen Hundertschaft möglicherweise identifizierbar wären, weil das Einsatzmittel in diesem Fall etwas tiefer flog."

Das Bildmaterial liegt also immer noch vor und wurde nicht gelöscht? Warum und auf welcher Rechtsgrundlage?

Und es sei "definitiv keine Identifizierung" möglich? Eine reichlich gewagte Aussage.

Frage 5: Wirkung von Drohneneinsätzen

Halten Sie es theoretisch für denkbar, dass aufgrund des angekündigten Einsatzes der Polizei-Drohne zur Überwachung der Proteste weniger Menschen zu den Protesten in Bad Nenndorf gekommen sind, als wenn Sie auf den Einsatz des filmenden Fluggeräts verzichtet hätten?

"Ob trotz der im Vorfeld in den Schaumburger Nachrichten angekündigten und umfassend erläuterten Einsatzvorraussetzungen und Einsatzausschlüsse des Einsatzmittels sich potentielle Demonstranten von einer Teilnahme an einer Demonstration abhalten ließen, ist hinsichtlich der subjektiven Bewertungen vieler verschieden reagierender Personen zu spekulativ, als dass diesbezüglich eine verlässliche Einschätzung gegeben werden kann."

Man drückt sich um die konkrete Beantwortung der Fragestellung, ob man es denn theoretisch für denkbar hielte. Zwischen den Zeilen kann man herauslesen: Ja.

Was ist mit Demonstranten, die von außerhalb von Schaumburg kommen oder diese Zeitung nicht lesen?

Was ist mit der abschreckenden Wirkung auf Menschen, die sich auf den Weg zur Demo befinden?

Zum Sinn und Rechtmäßigkeit von verdeckter und offener Videoüberwachung bei Demos / Auskunftspflicht von Polizeibeamten

Vorbemerkung

Wie wir aus einem persönlichen Gespräch mit Polizisten vor Ort wissen, waren (augenscheinlich) drei einzelne Beamte dafür abgestellt worden, Fotografien von der Demonstration am ZOB aufzunehmen. Die Polizisten waren nicht bereit, ihre Identifikations- oder eine andere pseudonyme Personalnummer anzugeben. Auf mehrfaches Nachfragen wurde allerdings mitgeteilt, dass Sie der 11. Hundertschaft zugehörig seien. Zwischen 18:50 und 19:00 Uhr befanden sich die Beamten in einem zivilen grünen VW-Transporter mit aufgesetztem Blaulicht, der auf der Nordspur der Hamburger Allee vor einem Brückenpfeiler stand: http://www.openstreetmap.org/?mlat=52.37930&mlon=9.7438&zoom=18.

Von dort hat der Beamte vom Fahrersitz aus Fotos von den Menschenansammlungen an der ZOB-Ecke Lister Meile/Hamburger Allee gemacht. Dazu setzte der Beamte eine hochwertige Spiegelreflexkamera mit Teleobjektiv ein. Auf Nachfrage teilte der Beamte mit, dass es sich nur um Übersichtsaufnahmen handele und sein Aufnahmegerät auf diese Entfernung keinerlei Aufnahme zuließe, die eine Identifizierung der Menschen an der ZOB-Ecke ermögliche.

Diese Aussage halten wir für unglaubwürdig.

Darum die weiteren Fragen.

Wir möchten betonen, dass sich bis zu diesem Zeitpunkt für uns keinerlei Anzeichen erkennbar waren, die eine Rechtfertigung von Bildaufnahmen gerechtfertigt hätten.

Frage 6: Umfang und Rechtsgrundlage der Aufnahmen

Bitte teilen Sie uns mit, in welchem Umfang und mit welcher Rechtsgrundlage Aufnahmen von diesen drei Beamten vorgenommen worden sind.

Digitale Lichtbilder durch die 11. Hundertschaft angefertigt. Grundlage: § 12 Absatz 2 Satz 2 NVersG

Diese Antwort ist lächerlich, weil eine Reihe von Polizeibeamten mit Handkameras am Filmen waren. Doch davon kein Wort.

Auch kein Wort von den eingesetzten Videoüberwachungskamerawagen, zum Teil sogar mit Technik aus Berlin. Siehe hier zum Beispiel.

Warum wird die Frage unvollständig beantwortet und warum wurde Technik aus dem fernen Berlin eingesetzt?

Vor allem: Warum wird mit keinem einzigen Wort auf die schweren Vorwürfe der verdeckten Aufnahme von Versammlungsteilnehmern Bezug genommen? Warum wird das völlig ignoriert?

Frage 7: Technische Ausstattung des Fotoapparat-Polizisten

Bitte teilen Sie uns die fotografische Ausstattung des Kollegen mit (Auflösung, verwendete Objektiv-Brennweiten), damit die von ihm aufgestellte Behauptung der Nicht-Identifizierbarkeit nachvollzogen werden kann.

- keine Antwort hierzu -

Vermutlich würde eine Beantwortung dieser Frage die Unwahrheit der Aussagen des Beamten belegen...

Frage 8: Speicherung der Aufnahmen

Wurden die betreffenen Aufnahmen gespeichert? Falls ja: Mit welcher Rechtsgrundlage, für welchen Zweck und für welche Dauer?

Die digitalen Fotografien seien entsprechend § 12 Absatz 3 NVersG inzwischen gelöscht. Eine Identifizierung von Personen sei angesichts fehlender Vorraussetzungen nicht vorgenommen worden.

Warum kein Wort zu den Videoaufnahmen? Was ist damit? Sind die auch gelöscht?

Immerhin gesteht die Polizei ein, dass diese Bilder eine Identifizierung von Menschen zugelassen hätten.

Frage 9: Zugriff auf Bilddaten

Wer hat Zugriff auf diese Fotoaufnahmen?

Hierzu kein Wort.

Das hätte uns schon interessiert, wer an die Bildaten alles heran kann/konnte ...

Frage 10: Kein Recht auf Pseudo-Identifizierung der Polizeibeamten?

Ist das Verweigern der Nennung einer pseudonymisierten Beamten-Identifikationsnummer aus Ihrer Sicht rechtens? Wir würden uns freuen, wenn Sie uns Ihren Standpunkt dazu erläutern könnten.

In Niedersachsen gäbe es keine Dienstnummer für Polizeibeamte und -beamtinnen. Und weiter: "Sofern Sie Adressat einer Maßnahme, die in ihre Grundrechte eingreift, sind, erhalten Sie Namen und Dienststelle der / des einschreitenden Beamtin / Beamten. Abweichend hiervon wird Ihnen die Einsatzeinheit mitgeteilt, sofern die Beamtin / der Beamte, wie es am 4.8.2012 der Fall war, im Rahmen einer besonderen Führungsstruktur eingesetzt wird."

Der Datenschutzbeauftragte der Polizeidirektion Hannover teilte in einer anderen Antwort weiterhin mit:

"Es gibt auch keine Verpflichtung eines Polizeibeamten, der als solcher eindeutig erkennbar ist (Uniformträger), seinen Namen im Einsatz zu nennen. Der Behördenleitung sind die Namen der beiden Beamten der 11. Hundertschaft bekannt, die sich in dem von ihnen benannten Fahrzeug befunden haben."

Es ist doch allerhand, dass sich ein Bürger der Polizei auf deren Verlangen zu erkennen geben muß, diese aber noch nicht einmal verpflichtet sind, sich mit einer pseudonymisierten Kennung auszuweisen. Was ist das für ein Selbstverständnis der Polizei als Teil einer demokratischen Gesellschaft?

Der Verweis auf die Uniform lässt an den Hauptmann von Köpenick denken ...

Frage 11: Videoaufnahmen durch Wasserwerfer

In welchem Umfang und in welchem technischen Detail sind die anwesenden Wasserwerfer mit Videoüberwachungsanlagen oder anderen Fotokameras ausgerüstet gewesen und wird etwaig auf diesem Wege entstandenes Bildmaterial den späteren Ermittlungsmaßnahmen zugeführt oder nicht?

Erläuterungen zu Fragen zur Videoüberwachung

Neben einer seit längerem am Bredero-Hochhaus angebrachten und von der PD Hannover betriebenen Videoüberwachungsanlage haben wir zwei weitere Videoüberwachungskamers auf dem Bredero-Hochhaus bemerkt. Zudem befanden sich mindestens zwei Menschen auf dem Dachgeschoß des Hochhauses, die den Menschenauflauf auf dem ZOB beobachtet haben. Die dauerhaft installierte Kamera zeigte zeitweise auf die angemeldete Versammlung auf dem Andreas-Hermes-Platz, zeitweise war sie auf den ZOB und die dortige Menschenmenge ausgerichtet.

Dazu haben wir folgende Fragen:

Frage 12: Wem gehören die zwei neuen Kameras?

Handelt es sich bei den beiden genannten Kameras um mobile Überwachungskameras der PD Hannover und wenn nicht, wem sind sie sonst zuzuordnen?

Frage 13: Umfang der Videoüberwachung

Hat die PD Hannover (abseits der handgeführten Videokameras einiger Polizisten) weitere mobile Überwachungskameras in diesen Zusammenhängen eingesetzt und falls ja, in welchem Umfang?

Frage 14: Videoüberwachung angemeldeter Demonstrationen? Hinweispflicht erfüllt?

Wurden die Versammlungen (für ZOB und Andreas-Hermes-Platz angemeldet) bzw. deren Teilnehmer und Versammlungsleiter auf die Videoüberwachung hingewiesen?

Frage 15: Begründung für umfangreiche Videoüberwachung?

Mit welcher Begründung wurden die beiden Protestveranstaltungen bzw. Menschenansammlungen von Anfang an gefilmt und fotografiert?

Frage 16: Speicherfristen

Wurden die Bilder der (mutmaßlich mindestens) drei polizeilichen fest montierten Videoüberwachungsanlagen gespeichert? Für wie lange, mit welcher Rechtsgrundlage?

Frage 17: Wer waren die Menschen auf dem Dach des Hochhauses?

Handelte es sich bei den beobachtenden Personen auf dem Bredero-Hochhaus um Personal der PD Hannover?

Verhältnismäßigkeit der Einkesselung am 4.8. und im allgemeinen

Erläuterungen

Um ca. 19:25 haben die Polizeikräfte eine Kette gebildet und zusammen mit Bauwerken des ZOB's einen so genannten Kessel gebildet. Alle auf dem Gebiet des ZOB's befindlichen Menschen, darunter eine ganz offensichtlich große Zahl an völlig unbeteiligten Passanten und Schaulustigen, wurde daraufhin das Verlassen dieser Zone untersagt. Es handelt sich dabei um Freiheitsentzug, die Polizei spricht von einer "Ingewahrsamsnahme". Zudem wurden Kleinstgruppen von Polizisten von ihrem Vorgesetzten auf gezielten Befehl dazu angehalten, einzelne friedliche und gewaltfreie Menschen, die sich noch außerhalb des Kessels befanden, in diesen hereinzubringen. Zwar hätte man diese - aufgrund ihres Aussehens und ihrer Kleidung - der Gruppe der Punks zuordnen können. Diese Menschen verhielten sich jedoch völlig friedlich und es war unersichtlich, warum nach daher beliebig wirkender Auswahl einzelne Menschen in den Kessel abgeführt worden sind.

Aus unserer - zugegebenermaßen subjektiver - Sicht gab es keinerlei nachvollziehbaren Grund, der diese gewichtige Maßnahmen mit der Folge eines massiven Grundrechtseingriffs gerechtfertigt hätte. Es gab zwar im zeitlichen Vorfeld mindestens einen Wurf einer Bierflasche und wenige einzelne angetrunkene Protestierende, ob nun Punk oder nicht Punk. Aber die Situation und Atmosphäre war insgesamt derart entspannt, dass wir die Einkesselung von Menschen als völlig unangemessen und damit rechtswidrig bewerten. Im Gegenteil führte die Einkesselung und die damit verbundenen Gewaltmaßnahmen zu einer völlig unnötigen und kontraproduktiven Zuspitzung von Situation und Atmosphäre. Darum hierzu noch die folgenden Fragen:

Frage 18: Begründung für die Einkesselung

Mit welcher Begründung wurde die Einkesselung von Menschen, darunter zahlreiche Unbeteiligte, vorgenommen?

Frage 19: Rechtsgrundlage für die Zuführung von Leuten von außen in den Kessel

Was ist die Rechtsgrundlage dafür, einzelne Menschen von außerhalb des Kessels auszuwählen, diese mit "Stoßtrupps" ergreifen und in den Kessel abführen zu lassen?

Frage 20: Auswahlkriterien für die Stoßtruppergreifung weiterer Leute für den Kessel

Welche Stelle ist personell für die Auswahl der auf diese Art abgeführten Menschen zuständig und somit verantwortlich?

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