Endspurt/Demonstration in Göttingen/Pressemitteilung vom 5. November 2007
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Pressemitteilung vom 5.11.2007
Gesendet an die Lokalredaktionen von "Hitradio Antenne", ffn, NDR1, an das Stadtradio Göttingen und das Göttinger Tageblatt
Sehr geehrte Damen und Herren,
Am morgigen Dienstag findet in über 40 Städten in Deutschland ein bundesweiter Aktionstag unter dem Motto "Freiheit statt Angst - Für Grundrechte gegen Überwachung"statt. Der Aktionstag wird vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, einem unabhängigen Bündnis von Bürgerrechtlern, Datenschützern und Internet-Nutzern, organisiert und koordiniert. Im Rahmen dieses Aktionstages wird auf dem Göttinger Marktplatz eine Mahnwache stattfinden.
In dieser E-Mail sende ich ihnen 1. die deutschlandweite Pressemitteilung des Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung vom 2.11.2007 sowie 2. die aktuelle Pressemitteilung der Ortsgruppe Göttingen vom 5.11.2007.
1. Pressemitteilung des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung zur Pressekonferenz am 2. November 07
Herausgeber: - Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung - Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. - Deutsche AIDS-Hilfe e.V. - Deutsche Journalisten-Union dju in ver.di - Freie Ärzteschaft e.V. - Verband deutscher Zeitschriftenverleger VDZ e.V.
Anlass
In Berlin fand heute eine Pressekonferenz von Gegnern der Vorratsdatenspeicherung statt, die an die Bundestagsabgeordneten
von SPD und Union appellierten, die Zustimmung zum aktuellen Gesetzentwurf der Bundesregierung zu verweigern. Dieser soll
voraussichtlich am Freitag nächster Woche in den Bundestag
eingebracht werden und sieht die verdachtsunabhängige, sechsmonatige
Speicherung sämtlicher Telekommunikationsverbindungsdaten aller
Bürger in Deutschland vor.
Die Pressekonferenz bildet zugleich den Auftakt zu dem, am
6.November stattfindenden, bundesweiten Aktionstag gegen die
Vorratsdatenspeicherung. An diesem Tag werden in über 40 deutschen
Städten Protestaktionen stattfinden, um die geplante
Totalprotokollierung der Telekommunikation in letzter Minute zu
stoppen.
Das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung soll ab 2008 für
Sicherheitsbehörden rückblickend über 6 Monate nachvollziehbar
machen, wer, wann und mit welchen Adressen das Internet genutzt hat
und wer mit wem per Telefon oder E-Mail Kontakt hatte, bei
Handy-Nutzung einschließlich des Standorts. Diese Pläne der
Regierungskoalition zur Aufzeichnung von Informationen über die
Kommunikation, Beziehungen, Bewegung und Mediennutzung jedes Bürgers
stellen einige der bislang größten Gefahren für unser Recht auf ein
furchtloses, selbstbestimmtes und privates Leben dar. Der
Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung fordert daher eine Abkehr von
diesem verfassungswidrigen Generalangriff auf Bürgerrechte und
Datenschutz in Deutschland.
Gäste:
Als geladene Podiumsgäste der Pressekonferenz waren anwesend:
- Dr. Christoph Fiedler, Leiter Europa- und Medienpolitik, Verband deutscher Zeitschriftenverleger VDZ e.V.
- Martin Grauduszus, Präsident, Freie Ärzteschaft e.V.
- Karl Lemmen, Referent / Dr. Luis Carlos Escobar Pinzón, Bundesgeschäftsführer, Deutsche AIDS-Hilfe e.V.
- Werner Lohl, Präsidiumsbeauftragter für Datenschutzfragen, Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V.
- Ulrike Maercks-Franzen, Geschäftsführerin, Deutsche Journalisten-Union dju in ver.di
Die Teilnehmer appellierten unter anderem aus den folgenden Gründen
an die Bundestagsabgeordneten von SPD und Union, der geplanten
Vorratsdatenspeicherung ihre Zustimmung zu verweigern:
1. Quellenschutz im Journalismus
Wie Erfahrungen aus Belgien zeigen, wird die geplante Vorratsdatenspeicherung das Ende für viele Kontakte zwischen Informanten und Presse bedeuten. Wichtige Informationen über Missstände könnten nicht mehr per Telefon, Fax oder Internet weitergegeben werden, weil Informanten damit rechnen müssten, mithilfe von Verbindungsdaten als Quelle identifiziert zu werden.
2. Ärztliches Vertrauensverhältnis
Das Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und ihren Ärzten würde gestört, weil die Erfassung der Kontakte mit bestimmten Ärzten Rückschlüsse auf persönliche Problemlagen zulässt (z.B. Krankheiten, Ehekrisen, Suchtprobleme). Dies würde Patienten in bestimmten Situationen davon abschrecken, Ärzte anzurufen oder per Internet zu kontaktieren.
3. Psycho-soziale Hilfe ist auf Vertraulichkeit angewiesen
Der faktische Wegfall anonymer Beratungsmöglichkeiten würde die Hemmschwelle für viele Menschen in seelischer Not erhöhen, sich telefonisch oder per Internet beraten und helfen zu lassen. Dies könnte unter anderem Suizidgefährdete, AIDS-Kranke, Alkoholiker, Gewaltopfer oder Opfer sexuellen Mißbrauchs davon abhalten, im Internet Erfahrungen auszutauschen oder am Telefon anonym Rat zu suchen.
4. Datenmissbrauch
Bis die ersten vorratsgespeicherten Kommunikationsdaten missbräuchlich offengelegt werden, ist erfahrungsgemäß nur eine Frage der Zeit. Dies zeigten in jüngster Vergangenheit etwa spektakuläre Fälle in Italien, aber auch der Fall eines Bundesnachrichtendienstmitarbeiters aus Berlin. Das Bekanntwerden eines solchen Missbrauchs von Kommunikationsdaten wird Menschen weiter davon abschrecken, auch in schwierigen Situationen unbefangen miteinander zu kommunizieren.
5. Schutz durch Richtervorbehalt?
Der im Gesetzesentwurf vorgesehene Richtervorbehalt deckt viele Fälle nicht ab. Wer Inhaber einer Rufnummer ist oder im Internet gesurft hat (Stammdaten), kann ohne richterliche Kontrolle abgefragt werden. Die Geheimdienste können Verbindungs- und Standortdaten ohne richterliche Genehmigung abfragen. Letztlich ändert ein Richtervorbehalt nichts daran, dass der Richter den Zugriff genehmigen muss, wenn die niedrigen gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind.
6. Grundrechtseingriff auch bei Bagetelldelikten
Im Gegensatz zur EU-Richtlinie erlaubt das deutsche Gesetz eine Verwendung der Vorratsdaten nicht nur zur Aufklärung schwerer Straftaten, sondern bei "allen mittels Telekommunikation begangenen Straftaten". Dies werden im Schwerpunkt leichte Vergehen wie Beleidigungen im Internet oder das Herunterladen von Klingeltönen und Musik sein. Mit dieser fehlenden Begrenzung auf schwere Straftaten schießt das deutsche Gesetz weit über die europäische Richtlinie hinaus. Die oft genannte Begrenzung der Speicherfrist auf 6 Monate ist daher nichts weiter als ein Feigenblatt.
7. Präventive Schutzfunktion?
Ausländische Staaten, die eine verdachtslose Speicherung von Kommunikationsdaten eingeführt haben, konnten ihre Kriminalitätsrate nicht reduzieren. Dies widerlegt die Behauptung von Justizministerin Brigitte Zypries, ein Sicherheitsgewinn sei zu erwarten. Kommunikationsdaten sind notwendig vergangenheitsbezogen und können allenfalls die Aufklärung bereits abgeschlossener Straftaten erleichtern. Aber auch hier ist es im Ausland nicht zu einer statistisch signifikanten Erhöhung der Aufklärungsquote gekommen.
Über uns:
Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) ist ein
bundesweiter Zusammenschluss von Bürgerrechtlern, Datenschützern und
Internet-Nutzern, der die Arbeit gegen die geplante
Vollprotokollierung der Telekommunikation koordiniert. Er ist
politisch unabhängig, überparteilich und setzt sich gerade mit
seiner Heterogenität in besonderer Weise für eine freie und offene
Gesellschaft ein.
Links:
- Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung: http://www.vorratsdatenspeicherung.de
- Die aktuelle Pressemitteilung:
- Hochauflösende Fotos der Pressekonferenz: http://wiki.vorratsdatenspeicherung.de/Aktuelle_Photos
(zur honorarfreien Verwendung freigegeben)
Pressekontakt:
Ricardo Cristof Remmert-Fontes
Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung
c/o Humanistische Union e.V.
Haus der Demokratie und Menschenrechte
Greifswalder Straße 4
D-10405 Berlin Fon: +49-30-94881297
Fax: +49-700-25808789
Mobile: +49-170-2487266
E-Mail: <enkode>rcrf@vorratsdatenspeicherung.de</enkode>
2. Pressemitteilung der Ortsgruppe Göttingen des Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung vom 05.11.2007
Betreff: Freiheit statt Angst -- Mahnwache auf dem Göttinger Marktplatz
Am Dienstag, den 6. November, findet in über 40 deutschen Städten
ein Aktionstag gegen die geplante sechsmonatige Erfassung aller
Verbindungsdaten (Vorratsdatenspeicherung) statt. Koordinator ist
der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, ein Zusammenschluss von
Bürgerrechtlern, Datenschützern und Internet-Nutzern. Die
bundesweiten Demonstrationen stehen unter dem Motto "Freiheit statt
Angst - Für die Grundrechte gegen Überwachung!" . Sie knüpfen an
die Berliner Großdemonstration vom 22. September an, die mit 15.000 Teilnehmern
die größte Bürgerrechtsdemonstration seit der deutschen
Wiedervereinigung war.
Die Ortsgruppe Göttingen des Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung
wird in Göttingen eine Mahnwache auf dem Göttinger Marktplatz
veranstalten.
Termin: Dienstag, 6. November 2007
Zeit: 17:30 bis 19 Uhr
Ort: Vor dem alten Rathaus/ Gänseliesel
Wir rufen alle Bürgerinnen und Bürger der Region Göttingen auf, in
friedlichem Protest auf dem Rathausplatz mit uns für unsere
gemeinsamen Grundrechte einzutreten! Wir bitten die
Teilnehmer/innen, zu der Kundgebung Grundgesetze und Kerzen,
Grablichter oder Laternen mitzubringen, falls vorhanden.
Die Veranstaltung wird von künstlerischen Aktionen begleitet werden,
die auf die Probleme und Auswirkungen des zunehmenden Abgleitens
unseres Staates in einen Überwachungsstaat aufmerksam machen.
Ziel der Kundgebungen ist es, die Vorratsdatenspeicherung in letzter
Minute zu stoppen. Voraussichtlich am Freitag, den 9. November wird
der Deutsche Bundestag über den Gesetzesentwurf zur Neugestaltung
der Telekommunikationsüberwachung abstimmen. Danach soll ab 2008
nachvollziehbar werden, wer mit wem in den letzten sechs Monaten per
Telefon, Handy oder E-Mail in Verbindung gestanden oder das Internet
genutzt hat. Bei Handy-Telefonaten und SMS soll auch der jeweilige
Standort des Benutzers festgehalten werden. Anonymisierungsdienste
sollen verboten werden. Ein Anfangsverdacht soll nicht mehr
Voraussetzung der Erfassung des Kommunikations-, Bewegungs- und
Internetnutzungsverhaltens sein. Von der Erfassung werden die
Kontakte und Verbindungen alle Bürger, aber auch sämtlicher
Berufsgeheimnisträger wie z.B. Rechtsanwälte, Steuerberater, Ärzte,
Geistliche, Seelsorger und Journalisten betroffen sein. Wir fordern
die Abkehr von diesem verfassungswidrigen Generalangriff auf
Bürgerrechte und Datenschutz in Deutschland!
Die Beschwichtigungen der Regierung, es würden nur bereits heute gespeicherte Daten länger aufgehoben, Zugriffe auf die Daten setzten eine richterliche Anordnung voraus oder es müsse EU-Recht umgesetzt werden, sind in wesentlichen Teilen falsch. Diese Nebelkerzen von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries werden auf der folgenden Internetseite richtig gestellt: http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/83/87/
Weitere Informationen zu dem Aktionstag "Freiheit statt Angst":
[1] http://www.vorratsdatenspeicherung.de/
[2] http://www.freiheitstattangst.de/
[3] http://www.heise.de/newsticker/meldung/98254