Position von Dr. Guido Westerwelle: Unterschied zwischen den Versionen

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Dr. Guido Westerwelle MdB
 
Dr. Guido Westerwelle MdB
 
Bundesvorsitzender der FDP
 
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==Ursprüngliche Nachricht==
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Gesendet: Montag, 22. März 2010 22:59
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An: Buschmann Marco
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Betreff: Meine Gedanken zur Vorratsdatenspeicherung
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Sehr geehrter Herr Dr. Westerwelle,<br>
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Der Liberalismus ist die philosophische und in der Folge auch politische Geisteshaltung, die das Individuum in den Mittelpunkt stellt und gesellschaftliche Austauschprozesse primär als Marktprozesse ausgestalten will. Staatliche Eingriffe, so ein Kerngedanke des Liberalismus, seien eher schädlich und sollten nur dazu dienen, Freiheit und Selbstbestimmung aufrecht zu erhalten. Heute aber befindet sich der Liberalismus in seiner vermutlich schwersten Krise.
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Der in der Aufklärung wurzelnde Liberalismus begründet die Befreiung von Ideologien aller Art. Die Herrschaft von Gottes Gnaden wird ebenso durch den Liberalismus überwunden wie die vielen totalitären Ideologien der letzten beiden Jahrhunderte. Ein konsequent durchgeführter Liberalismus kann nur eine pluralistische Demokratie mit viel Selbstverantwortung und wenig oder keinem Zwang sein. Leider haben sich die einst großen Hoffnungen auf eine solcherart freie Gesellschaft weitgehend verflüchtigt.
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Besonders drastisch wurde dies durch die Wiedereinführung der Todesstrafe deutlich, ausgerechnet in der Charta der Grundrechte. Ein Grundrecht auf den Todesschuß, so wie einst in China auf dem Platz des himmlischen Friedens? So weit ist es also mit Europa gekommen: Die großen demokratischen Hoffnungen, die einst gegen Ende der Diktaturen des 20.
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Jahrhunderts in den Marktliberalismus gesetzt wurden, wurden damit zutiefst enttäuscht. Auch die europäische Einigung, wir erinnern uns, sollte einst neue Kriege in Europa verhindern helfen. Jetzt wird aus Europa eine Diktatur nach chinesischem Vorbild. Aus Freiheit und Marktwirtschaft wird eine leere Worthülse. Eine scheindemokratische Oberfläche verdeckt zutiefst antidemokratische Strukturen. Davon zeugen auch die vorhandenen Notstandsgesetze, die in den letzten Jahren erheblich erweitert wurden.
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Und nun noch die totale Überwachung nach Vorbild der Stasi und der chinesischen Kommunisten. Die Vorratsdatenspeicherung ist eine Vorstufe der Telekommunikationsüberwachung. Die auf Vorrat zu speichernden Daten erlauben weitgehende Analysen persönlicher sozialer Netzwerke. Mit Hilfe der auf Vorrat zu speichernden Daten lässt sich - ohne dass auf Kommunikationsinhalte zugegriffen wird - das Kommunikationsverhalten jedes Teilnehmers analysieren.
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Die Vorratsdatenspeicherung ist verfassungsrfeindlich , da sie anlasslos in die Grundrechtspositionen sämtlicher Nutzer elektronischer Dienste eingreift. In dem Maße, in dem die Kommunikation über elektronische Medien zunimmt, wird die Bedeutung solcher Analysen für die Erstellung von Persönlichkeitsprofilen wachsen.
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Ich möchte Sie hiermit bitten und fordere Sie auf, diesem Gesetz nicht zuzustimmen. Als Abgeordneter sind Sie dem Wähler verpflichtet und nicht einer Partei! Zur Erinnerung:
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Artikel 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland:
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(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
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(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
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(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
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- Die Würde des Menschen stellt den obersten Verfassungsgrundsatz dar, an dem folglich alle staatliche Gewalt ihr Handeln auszurichten hat. Sie ist daher Maßstab für Legislative, Exekutive und Judikative. Der Staat hat alles zu unterlassen, was die Menschenwürde beeinträchtigen könnte.
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- So wie der erste Absatz und auch ein Großteil des deutschen Grundgesetzes, so ist auch dieser Absatz eine Reaktion auf die menschenverachtenden Ereignisse des Zweiten Weltkrieges, mit dem ethisch und moralisch fundamentalen Hintergedanken, dass sich diese niemals wiederholen sollen.
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Mit freundlichen Grüßen,
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I.H.
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==Antwort==
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From: "Guido Westerwelle" <guido.westerwelle@bundestag.de><br>
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Subject: AW: Meine Gedanken zur Vorratsdatenspeicherung<br>
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Date: Wed, 24 Mar 2010 <br>
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Sehr geehrter Herr H.,<br>
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haben vielen Dank für Ihre Nachricht zur Vorratsdatenspeicherung.<br>
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Die Vorratsdatenspeicherung ist europäisches Recht, wurde aber von den
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Freien Demokraten und mir ganz persönlich immer abgelehnt. Die
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FDP-Bundestagsfraktion hat deshalb gegen das von der Großen Koalition
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beschlossene Gesetz zur Umsetzung der europäischen Vorgaben gestimmt. <br>
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Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bestärkt uns in unserer Forderung,
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die Rechtslage auf der europäischen Ebene zu ändern: Die
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Vorratsdaten-Richtlinie der EU muss auf den Prüfstand. Dabei werden wir
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klären, in welchem Rahmen eine Vorratsdatenspeicherung überhaupt noch
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möglich ist, ohne das Grundgesetz zu verletzen. <br>
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Seien Sie versichert, dass die FDP auch in Zukunft dafür sorgt, dass der
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Datenschutz gestärkt und eine vernünftige Balance von Freiheit und
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Sicherheit in unserem Land erreicht wird. Dabei setze ich auf Ihre
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Nochmals vielen Dank für Ihre Zuschrift. Ihnen persönlich alles Gute.<br>
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Mit freundlichen Grüßen<br>
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Dr. Guido Westerwelle MdB<br>
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Bundesvorsitzender der FDP<br>

Version vom 30. März 2010, 09:13 Uhr

2010-24-03

Ursprüngliche Nachricht


Sehr geehrter Herr Dr. Westerwelle,

nachdem das Bundesverfassungsgericht die Vorratsdatenspeicherung überprüft und in diesem Zuge Mängel bei Datensicherheit und Verhältnismäßigkeit festgestellt hat, wurde dieses Gesetz als Verfassungskonform beurteilt und außer Kraft gesetzt.

Die Wiederaufnahme der Diskussion und Planung einer angepassten Umsetzung einer Vorratsdatenspeicherung nehme ich mit Besorgnis zur Kenntnis.

Ich kann mich nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass der Bürger unter Generalverdacht gestellt wird, und Maßnahmen eingeleitet werden, den Bürger präventiv zu überwachen.

Sicherlich benötigt die Exekutive und die Judikative Mittel, um gegen Straftäter zu ermitteln und diese Straftäter zu verurteilen.

Aber die Umsetzung einer Vorratsdatenspeicherung ist nicht das Mittel eines demokratischen Rechtsstaats, um diese Strafverfolgungs-Ziele zu erreichen.

Wenn dies ein adäquates Mittel wäre, warum wird jeder Pkw-Halter nicht verpflichtet, ein Fahrtenschreiber zu nutzen oder ein Fahrtenbuch zu führen, welches lückenlos geführt werden muss und auf Abruf der Polizei oder Staatsanwaltschaft ausgehändigt werden muss?
Nicht das ich es besser weiß, aber ich möchte behaupten, das mehr Straftaten bei der Nutzung eines Pkw's begangen werden als Straftaten bei der Nutzung des Internets.

Und Straftäter, welche die Absicht haben, Ihre Identität im Internet zu verschleiern, haben es da sehr einfach.

Gehen Sie selbst mal in einen Discounter (Aldi, Lidl, etc.) welcher SIM-Karten für Mobiltelefone anbieten, und erwerben Sie dort eine SIM-Karte ohne gültigem Ausweisdokument.

Sie werden überraschend feststellen, das sich Ihre Erfahrung mit diesem
Heise-Artikel deckt:
http://tinyurl.com/sim-karte
(Lesen Sie diesen Artikel und schauen Sie sich den Videobeitrag dazu an!)

Und solange derartige Lücken und Schwachstellen bestehen, solange sollte man das ersinnen einer neuen Vorratsdatenspeicherung auf Eis legen.

Denn es werden nur die Daten der unbescholtenen Bürger gesammelt und bevorratet, aber nicht die Daten und Aktionen der Straftäter, die ausreichend clever und motiviert sind, Ihre Aktionen zu verschleiern.

Ich appelliere hiermit...

- an den Auftrag, den Sie von Ihren Wählern erhalten haben
- an die Einhaltung des deutschen Grundgesetzes
- und Ihren gesunden Menschenverstand

...das Thema Vorratsdatenspeicherung als das zu beurteilen, was es ist. Ein undemokratisches nutzloses Werkzeug, welches die Grundrechte der Bürger verletzt.

Da durch das Bundesverfassungsgericht entschieden wurde, das die erste Fassung einer Vorratsdatenspeicherung die Rechte Ihrer Wähler und Bürger verletzt, fordere ich Sie hiermit auf, nicht nochmal einen derartigen, Verfassungskonformen Fehler zu begehen.

Mit freundlichen Grüßen,
Matthias Manns, Blieskastel

Antwort


From: "Guido Westerwelle" <<enkode>guido.westerwelle@bundestag.de</enkode>>
To: <<enkode>mmanns@websicherheit.org</enkode>>
Subject: AW: Vorratsdatenspeicherung und Bedenken
Date: Wed, 24 Mar 2010 15:42:13 +0100
X-Mailer: Microsoft Office Outlook 12.0
Organization: Deutscher Bundestag

Sehr geehrter Herr Manns,

haben vielen Dank für Ihre Nachricht zur Vorratsdatenspeicherung.

Die Vorratsdatenspeicherung ist europäisches Recht, wurde aber von den Freien Demokraten und mir ganz persönlich immer abgelehnt. Die FDP-Bundestagsfraktion hat deshalb gegen das von der Großen Koalition beschlossene Gesetz zur Umsetzung der europäischen Vorgaben gestimmt.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bestärkt uns in unserer Forderung, die Rechtslage auf der europäischen Ebene zu ändern: Die Vorratsdaten-Richtlinie der EU muss auf den Prüfstand. Dabei werden wir klären, in welchem Rahmen eine Vorratsdatenspeicherung überhaupt noch möglich ist, ohne das Grundgesetz zu verletzen.

Seien Sie versichert, dass die FDP auch in Zukunft dafür sorgt, dass der Datenschutz gestärkt und eine vernünftige Balance von Freiheit und Sicherheit in unserem Land erreicht wird. Dabei setze ich auf Ihre Unterstützung.

Nochmals vielen Dank für Ihre Zuschrift. Ihnen persönlich alles Gute.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Guido Westerwelle MdB
Bundesvorsitzender der FDP

Ursprüngliche Nachricht

Sehr geehrter Herr Dr. Westerwelle,

ich freue mich, auf diesem Wege Kontakt mit einigen Politikern aufnehmen zu können. Da Sie vermutlich mehr als genug solcher Emails erhalten, versuche ich mich einigermaßen kurz zu fassen. Einer der Höhepunkte der letzten Tage und Wochen war für mich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, welches die Vorratsdatenspeicherung für nichtig erklärte. Umso schockierter war ich, als ich hörte, dass auf den ersten sogleich der zweite Streich folgen sollte - es drängte sich mir nur eine essenzielle Frage auf: warum? Ich persönlich möchte nicht, dass meine Daten (die ich wie auch immer hinterlasse - Beispiel hier wäre das Internet) auf Vorrat und Verdacht gespeichert werden. Hierbei liegt die Betonung weniger auf Vorrat, als viel mehr auf Verdacht. Mit einem solchen Gesetz und der vorangegangen Argumentation der Politik, die Daten seien wichtig für das Aufgreifen von u.A. Terroristen (was in der letzten Zeit ohnehin die Rechtfertigung für alles zu sein scheint), stempeln sie den Großteil der Bevölkerung als Terroristen ab. Dass dies einerseits beleidigend, andererseits aber auch nicht unbedingt förderlich für die nächsten Wahlen sein kann, müsste Ihnen klar sein. Man kann nicht pauschal die Bevölkerung eines Landes dazu verpflichten (wobei verpflichten hierbei vermutlich das falsche Wort ist, immerhin impliziert dieses einen gewissen Eigenanteil in der Ausführung der Pflicht) einige Grundrechte aufzugeben. Da mag es sich um Terrorismus oder sonst etwas drehen - jeder von uns sollte erwachsen und eigenständig genug sein, selbst zu bestimmen, wer wann und wozu Daten erhebt. Ich persönlich bin absolut nicht bereit dazu, mich von dem Staat, in dem ich lebe, permanent überwachen zu lassen. Sollten Sie diese Diskussion dennoch weiterführen wollen, bedenken Sie das Folgende: Das Internet wird dann totalüberwacht - flächendeckend ist dies aber keinesfalls. Dazu fordere ich dann die Vorratsdatenspeicherung für öffentliche Plätze - Jeder Mensch soll videoüberwacht werden und die Kassetten dann sechs Monate aufbewahrt. Vielleicht öffnet das ja einigen Menschen die Augen.

Antwort

Sehr geehrter Herr [...],

haben vielen Dank für Ihre Nachricht zur Vorratsdatenspeicherung.

Die Vorratsdatenspeicherung ist europäisches Recht, wurde aber von den Freien Demokraten und mir ganz persönlich immer abgelehnt. Die FDP-Bundestagsfraktion hat deshalb gegen das von der Großen Koalition beschlossene Gesetz zur Umsetzung der europäischen Vorgaben gestimmt.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bestärkt uns in unserer Forderung, die Rechtslage auf der europäischen Ebene zu ändern: Die Vorratsdaten-Richtlinie der EU muss auf den Prüfstand. Dabei werden wir klären, in welchem Rahmen eine Vorratsdatenspeicherung überhaupt noch möglich ist, ohne das Grundgesetz zu verletzen.

Seien Sie versichert, dass die FDP auch in Zukunft dafür sorgt, dass der Datenschutz gestärkt und eine vernünftige Balance von Freiheit und Sicherheit in unserem Land erreicht wird. Dabei setze ich auf ihre Unterstützung.

Nochmals vielen Dank für Ihre Zuschrift. Ihnen persönlich alles Gute.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Guido Westerwelle MdB Bundesvorsitzender der FDP

Ursprüngliche Nachricht


Gesendet: Montag, 22. März 2010 22:59 An: Buschmann Marco Betreff: Meine Gedanken zur Vorratsdatenspeicherung
Sehr geehrter Herr Dr. Westerwelle,

Der Liberalismus ist die philosophische und in der Folge auch politische Geisteshaltung, die das Individuum in den Mittelpunkt stellt und gesellschaftliche Austauschprozesse primär als Marktprozesse ausgestalten will. Staatliche Eingriffe, so ein Kerngedanke des Liberalismus, seien eher schädlich und sollten nur dazu dienen, Freiheit und Selbstbestimmung aufrecht zu erhalten. Heute aber befindet sich der Liberalismus in seiner vermutlich schwersten Krise.

Der in der Aufklärung wurzelnde Liberalismus begründet die Befreiung von Ideologien aller Art. Die Herrschaft von Gottes Gnaden wird ebenso durch den Liberalismus überwunden wie die vielen totalitären Ideologien der letzten beiden Jahrhunderte. Ein konsequent durchgeführter Liberalismus kann nur eine pluralistische Demokratie mit viel Selbstverantwortung und wenig oder keinem Zwang sein. Leider haben sich die einst großen Hoffnungen auf eine solcherart freie Gesellschaft weitgehend verflüchtigt.

Besonders drastisch wurde dies durch die Wiedereinführung der Todesstrafe deutlich, ausgerechnet in der Charta der Grundrechte. Ein Grundrecht auf den Todesschuß, so wie einst in China auf dem Platz des himmlischen Friedens? So weit ist es also mit Europa gekommen: Die großen demokratischen Hoffnungen, die einst gegen Ende der Diktaturen des 20. Jahrhunderts in den Marktliberalismus gesetzt wurden, wurden damit zutiefst enttäuscht. Auch die europäische Einigung, wir erinnern uns, sollte einst neue Kriege in Europa verhindern helfen. Jetzt wird aus Europa eine Diktatur nach chinesischem Vorbild. Aus Freiheit und Marktwirtschaft wird eine leere Worthülse. Eine scheindemokratische Oberfläche verdeckt zutiefst antidemokratische Strukturen. Davon zeugen auch die vorhandenen Notstandsgesetze, die in den letzten Jahren erheblich erweitert wurden.

Und nun noch die totale Überwachung nach Vorbild der Stasi und der chinesischen Kommunisten. Die Vorratsdatenspeicherung ist eine Vorstufe der Telekommunikationsüberwachung. Die auf Vorrat zu speichernden Daten erlauben weitgehende Analysen persönlicher sozialer Netzwerke. Mit Hilfe der auf Vorrat zu speichernden Daten lässt sich - ohne dass auf Kommunikationsinhalte zugegriffen wird - das Kommunikationsverhalten jedes Teilnehmers analysieren.

Die Vorratsdatenspeicherung ist verfassungsrfeindlich , da sie anlasslos in die Grundrechtspositionen sämtlicher Nutzer elektronischer Dienste eingreift. In dem Maße, in dem die Kommunikation über elektronische Medien zunimmt, wird die Bedeutung solcher Analysen für die Erstellung von Persönlichkeitsprofilen wachsen.

Ich möchte Sie hiermit bitten und fordere Sie auf, diesem Gesetz nicht zuzustimmen. Als Abgeordneter sind Sie dem Wähler verpflichtet und nicht einer Partei! Zur Erinnerung:

Artikel 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland:

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

- Die Würde des Menschen stellt den obersten Verfassungsgrundsatz dar, an dem folglich alle staatliche Gewalt ihr Handeln auszurichten hat. Sie ist daher Maßstab für Legislative, Exekutive und Judikative. Der Staat hat alles zu unterlassen, was die Menschenwürde beeinträchtigen könnte.

- So wie der erste Absatz und auch ein Großteil des deutschen Grundgesetzes, so ist auch dieser Absatz eine Reaktion auf die menschenverachtenden Ereignisse des Zweiten Weltkrieges, mit dem ethisch und moralisch fundamentalen Hintergedanken, dass sich diese niemals wiederholen sollen.

Mit freundlichen Grüßen, I.H.

Antwort


From: "Guido Westerwelle" <<enkode>guido.westerwelle@bundestag.de</enkode>>
Subject: AW: Meine Gedanken zur Vorratsdatenspeicherung
Date: Wed, 24 Mar 2010

Sehr geehrter Herr H.,

haben vielen Dank für Ihre Nachricht zur Vorratsdatenspeicherung.

Die Vorratsdatenspeicherung ist europäisches Recht, wurde aber von den Freien Demokraten und mir ganz persönlich immer abgelehnt. Die FDP-Bundestagsfraktion hat deshalb gegen das von der Großen Koalition beschlossene Gesetz zur Umsetzung der europäischen Vorgaben gestimmt.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bestärkt uns in unserer Forderung, die Rechtslage auf der europäischen Ebene zu ändern: Die Vorratsdaten-Richtlinie der EU muss auf den Prüfstand. Dabei werden wir klären, in welchem Rahmen eine Vorratsdatenspeicherung überhaupt noch möglich ist, ohne das Grundgesetz zu verletzen.

Seien Sie versichert, dass die FDP auch in Zukunft dafür sorgt, dass der Datenschutz gestärkt und eine vernünftige Balance von Freiheit und Sicherheit in unserem Land erreicht wird. Dabei setze ich auf Ihre Unterstützung.

Nochmals vielen Dank für Ihre Zuschrift. Ihnen persönlich alles Gute.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Guido Westerwelle MdB
Bundesvorsitzender der FDP