FDP-Brief
Worum geht es?
Die Bundesjustizministerin hat im Januar einen fatalen Vorschlag auf den Tisch gelegt, demzufolge künftig alle Internet-Verbindungsdaten auf Vorrat gespeichert und dadurch dynamisch zugewiesene IP-Adressen noch sieben Tage nach Verbindungsende zuzuordnen wären, ohne richterliche Anordnung. Da Polizei und Nachrichtendienste zugleich die Herausgabe von Internet-Nutzungsprotokollen (Logfiles) verlangen können, wäre der Vorschlag das Ende der Anonymität im Internet und die Wiedereinführung einer Vorratsdatenspeicherung. Die 7-tägige Speicherdauer änderte nichts daran, dass laut Statistik gerade in der ersten Woche nach Verbindungsende die meisten Behördenanfragen erfolgen. Darüber hinaus betrachtet die Ministerin ihren Vorschlag erst als "Grundlage", also Ausgangspunkt, für die anstehenden Verhandlungen mit der Union, die noch weit mehr protokollieren lassen will. Als "Kompromiss" droht daher eine allgemeine "Vorratsdatenspeicherung light" für sämtliche Verbindungsdaten ("Quick Freeze Plus"), obwohl die FDP überhaupt keinen Kompromiss eingehen müsste.
In einer ähnlichen Situation, nämlich als der Landtag in NRW über den Jugendmedien-Staatsvertrag abstimmen sollte und die SPD einzuknicken drohte, haben 50 Prominente aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, der „Netzgemeinschaft“ sowie Juristen, Journalisten und Netz-Künstler einen offenen Brief an die SPD-Landtagsabgeordneten geschrieben mit der Bitte, die Novelle des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags abzulehnen (http://ak-zensur.de/download/JMStV-Brief--Alternativen--SPD-MdL-NRW.pdf) . Unter den Unterzeichnern waren auch viele SPD-nahe Personen. Diese Initiative war viel beachtet und hat letztlich mit zur Ablehnung des JMStV geführt.
Wir wollen deswegen einen offenen Brief an alle FDP-Bundestagsangeordnete entwerfen, um sie zu bitten, entsprechend ihrem Wahlversprechen keinerlei verdachtsloser Speicherung von Verbindungsdaten Unschuldiger und Unverdächtiger zuzustimmen, auch nicht von IP-Adressen.
Briefentwurf
Strafverfolgung im Internet: Intelligente Strategien für ein sicheres Netz – IP-Vorratsdatenspeicherung stoppen!
An die
Abgeordneten der FDP-Fraktion des
Deutschen Bundestages
... Mai 2011
Strafverfolgung im Internet: Warum eine Vorratsspeicherung von Internet-Verbindungsdaten nicht nur ihr Ziel verfehlt, sondern auch schädlich ist und welche Alternativen besser sind
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Abgeordnete des Deutschen Bundestages,
Politik muss sicherstellen, dass Straftaten wirksam verfolgt werden – im Internet wie in der realen Welt. Gleichzeitig muss die Politik die Meinungs- und Pressefreiheit sowie die persönlichen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten im Internet berücksichtigen.
Das Eckpunktepapier des Bundesjustizministeriums, auf dessen Grundlage ein Kompromiss mit der Union in Sachen Vorratsdatenspeicherung erarbeitet werden soll, basiert auf Angaben des Bundeskriminalamts, wonach im vergangenen Jahr 830 von 983 (84,4%) durch das BKA angeforderte Auskünfte über die Identität des hinter einer IP-Adresse stehenden Anschlussinhabers nicht erteilt worden seien, weil Internet-Zugangsanbieter nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts keine Verbindungsdaten mehr speicherten.
Die Zahlen des Bundeskriminalamts werfen mehr Fragen auf als sie beantworten: Inwieweit beruhten erfolglose Anfragen auf Verzögerungen seitens des Bundeskriminalamts bei der Anforderung von Auskünften? Waren Anfragen des Bundeskriminalamts zu Zeiten der Vorratsdatenspeicherung nicht ebenso häufig erfolglos? Wie häufig wurden Ermittlungsverfahren trotz erfolgreicher Datenabfrage folgenlos eingestellt und sind erteilte Auskünfte mithin im Ergebnis ohne Nutzen? Diese und sieben weitere Fragen richtete der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung an Bundeskriminalamt und Bundesinnenministerium - nicht eine Frage wurde beantwortet. Ohne Antworten auf die genannten Fragen können relevante Schlüsse aus den Zahlen des Bundeskriminalamts nicht gezogen werden.
Die Angaben des Bundeskriminalamts sind nicht aussagekräftig. So betrafen 147 der ergebnislosen Auskunftsersuchen des BKA beispielsweise Internetverbindungen, die im Zeitpunkt der Anfrage (25.05.2010) länger als sechs Monate zurück lagen (Zeitstempel: 29.05.2009-11.09.2009) und deswegen selbst im Fall einer sechsmonatigen Vorratsdatenspeicherung ergebnislos geblieben wären. Dr. Michael Kilchling vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg hat die BKA-Zahlen mit den Worten kommentiert: "Für eine seriöse wissenschaftliche Stellungnahme fehlt jede Basis".
Die BKA-Zahlen betreffen nur einen sehr kleinen und nicht repräsentativen Ausschnitt aus der Kriminalitätswirklichkeit. 74,4% der in die BKA-Zahlen eingeflossenen, erfolglosen Anfragen zu IP-Adressen galten der Verfolgung der Verbreitung, des Erwerbs oder des Besitzes kinder- und jugendpornographischer Schriften, weil sich die Recherchestelle ZaRD des BKA schwerpunktmäßig damit befasst. Nur 3% der insgesamt an staatliche Stellen erteilten Auskünfte werden aber zur Strafverfolgung wegen pornografischer Schriften erteilt. Nicht mehr als 6.092 von 6.054.330 im Jahr 2009 polizeilich registrierten Straftaten betrafen die Verbreitung pornographischer Schriften im Internet, also gerade einmal 0,1% aller bekannten Straftaten. Die FDP darf vor dem Totschlagargument "Kinderpornografie" nicht kapitulieren, sondern ist den Menschen eine sachliche Auseinandersetzung auch mit diesem Thema schuldig.
Der Vorschlag einer flächendeckenden Vorratsspeicherung von Internet-Verbindungsdaten lässt die Eigenheiten des Internets völlig außer Acht. Aus einer Untersuchung des Max-Planck-Instituts im Auftrag des Bundesjustizministeriums ist bekannt, dass 72% der Ermittlungsverfahren mit erfolgreicher Verbindungsdatenabfrage gleichwohl eingestellt wurden. Bei IP-Adressen ist selbst im Fall einer Vorratsdatenspeicherung eine Identifizierung des Täters nicht möglich. In vielen Fällen verwenden Straftäter Internet-Cafés, offene Internetzugänge (WLAN), Anonymisierungsdienste, öffentliche Telefone, unregistrierte Handykarten usw. Laut einer Umfrage nutzen schon 12,8% der Internetnutzer einen Anonymisierungsdienst, weitere 33,6% beabsichtigten dies in Zukunft. Ein Anonymisierungsdienst ersetzt die IP-Adresse des Kunden durch eine andere, nicht rückverfolgbare IP-Adresse. Solche Dienste werden für ein geringes monatliches Pauschalentgelt in Deutschland, Europa und weltweit legal angeboten. Eine seriöse Rechtspolitik setzt auf Strafverfolgungsmaßnahmen, die einen ernsthaften Beitrag zur Aufklärung von Straftaten leisten. Damit muss eine Vorratsdatenspeicherung bei Internet-Zugangsanbietern, die auf vielfältige Weise schon mit geringem Aufwand umgangen werden kann, ausscheiden.
Eine moderne und zukunftsfähige Internetpolitik setzt Internetnutzer keinen Überwachungsmaßnahmen aus, die bei vergleichbaren Tätigkeiten außerhalb des Internet unbekannt sind. Wer außerhalb des Internets Bücher liest, fernsieht oder CDs tauscht, hinterlässt keine identifizierbaren Spuren. Es gibt keinen Grund, weshalb dies im Internet anders sein sollte. Es ist nicht zu rechtfertigen, dass Anrufe mit unterdrückter Rufnummernanzeige bei Telefon-Flatrates ebenso spurenlos möglich bleiben sollen wie postalische Meinungsäußerungen ohne Absender und mündliche Äußerungen gegenüber Unbekannten, dass einzig im Internet aber potenziell jede E-Mail und jeder Kommentar anhand einer auf Vorrat gespeicherten IP-Adresse identizifierbar bleiben soll.
Im Internet begangene Straftaten werden auch ohne Vorratsspeicherung von Internet-Zugangsdaten deutlich häufiger aufgeklärt als außerhalb des Internet begangene Straftaten. Die ersten Zahlen für das Jahr 2010, also im Wesentlichen nach dem Ende der Vorratsdatenspeicherung, belegen: Im Jahr 2010 wurden in Nordrhein-Westfalen auch ohne Vorratsdaten fast zwei von drei Internetdelikten aufgeklärt (64,4%). Damit waren im Internet begangene Straftaten auch ohne Vorratsdatenspeicherung deutlich häufiger aufzuklären als außerhalb des Internet begangene Straftaten (49,4%). Auch die Verbreitung von Kinderpornografie wurde nach dem Ende der Vorratsdatenspeicherung deutlich häufiger aufgeklärt (60,8%) als außerhalb des Internet begangene Straftaten. Vor diesem Hintergrund besteht keinerlei Rechtfertigung für ein Anonymitätsverbot gerade im Internet.
Dass die Speicherung nur der Daten von Verdächtigen eine wirksame Verfolgung auch von Internetdelikten ermöglicht, zeigt die Praxis vieler Staaten weltweit. Sicherlich will niemand ernsthaft behaupten, dass in Staaten wie Österreich, Schweden oder Kanada das Internet ein rechtsfreier Raum sei, weil Internet-Verbindungsdaten dort wie in Deutschland mit Verbindungsende zu löschen sind.
Umgekehrt droht eine IP-Vorratsdatenspeicherung die Strafverfolgung im Internet massiv zu beeinträchtigen. Schon die Einführung der letzten Internet-Vorratsdatenspeicherung im Jahr 2009 führte dazu, dass 46,4% aller Internetnutzer Anonymisierungsdienste nutzten oder nutzen wollten und 24,6% öffentliche Internet-Cafés. Im Ergebnis war trotz sechsmonatiger IP-Vorratsdatenspeicherung nur ein geringerer Teil der registrierten Internetdelikte (75,7%) aufzuklären als noch im Vorjahr ohne IP-Vorratsdatenspeicherung (79,8%)! Eine IP-Vorratsdatenspeicherung führt zu Vermeidungsverhalten, welches die Verhinderung und Verfolgung selbst schwerer Straftaten erschwert. Denn Vermeidungsmaßnahmen können zugleich verdachtsabhängige Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen vereiteln, wie sie ohne Vorratsdatenspeicherung noch möglich sind. Dadurch entfaltet eine Vorratsdatenspeicherung auf Gefahrenabwehr und Strafverfolgung kontraproduktive Wirkungen und verkehrt den erhofften Nutzen der Maßnahme offenbar in sein Gegenteil.
Auf der anderen Seite hätte eine verdachtslose Vorratsspeicherung von Internet-Verbindungsdaten massive Nachteile für Bürger, aber auch für Unternehmen, Ärzte, Rechtsanwälte, Psychologen, Beratungsstellen und viele mehr zur Folge: Im Zuge einer Vorratsdatenspeicherung würden ohne jeden Verdacht einer Straftat Informationen gesammelt, die die Rückverfolgung praktisch jeden Klicks und jeder Eingabe im Internet von über 80 Millionen Bundesbürgerinnen und Bundesbürgern ermöglichen würden. Während man sich derzeit vor einem Bekanntwerden sensibler Informationen über die eigene Lebenssituation durch Inanspruchnahme eines nicht auf Vorrat speichernden Zugangsanbieters (z.B. Freenet, Hansenet) schützen kann, wäre dies im Fall einer Zwangsspeicherfrist nicht mehr möglich.
Der Vorschlag einer Vorratsspeicherung von IP-Adressen lässt auch vollkommen die technische Entwicklung außer Acht. Mit der ab Ende 2011 geplanten Umstellung des Internets auf das neue Adress-System "IPv6" droht die individuelle Verfolgbarkeit jedes unserer Online-Schritte über lange Zeiträume hinweg. Denn die neuen Internet-Adressen verändern sich fast nie - im Gegensatz zu der derzeitigen, veränderlichen Nummernzuteilung. Mit einer einzigen polizeilichen Abfrage der IP-Adresszuordnung und nachfolgenden Anfragen an die privaten Anbieter nach Logdateien kann künftig auf Monate hinaus ein Online-Leben nachvollzogen werden. Aus Gründen des Datenschutzes ist es dringend geboten, weiterhin eine häufig wechselnde Vergabe vorzuschreiben. Der Vorschlag einer Vorratsdatenspeicherung geht genau in die falsche Richtung.
Besonders Sorgen macht uns, dass die FDP im Bereich des Internetzugangs erstmals eine Abkehr von dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Verdachtsabhängigkeit von Ermittlungsmaßnahmen und einen Einstieg in die Logik einer vorsorglichen Massenerfassung Unschuldiger ins Blaue hinein vollziehen würde, indem sie eine flächendeckende Informationssammlung über Verhalten der gesamten Bevölkerung erstmals als notwendig und verhältnismäßig anerkennen würde. Ist dieser Damm einmal gebrochen und ein Präzedenzfall geschaffen, dann könnte die FDP dem Hunger von Sicherheitsideologen nach weiteren vermeintlich "unverzichtbaren" Informationen über die gesamte Bevölkerung (z.B. Telefonverbindungsdaten und -standortdaten bei Flatrates, Reisedaten, Büchereidaten, Bestelldaten, Internet-Nutzungsdaten) zukünftig keinen grundsätzlichen Einwand gegen anlasslose Totalspeicherungen mehr entgegen setzen.
Eine IP-Vorratsdatenspeicherung würde Anbieter und deren Kunden schon wegen der hohen Sicherheitsanforderungen Millionen von Euro kosten. Um diese Kosten zu vermeiden, besteht die Gefahr, dass die Anbieter einfach auf der Grundlage des § 100 TKG ohne Sicherheitsvorkehrungen auf Vorrat speichern, um die Daten auch für eigene Zwecke und zur millionenfachen Auskunfterteilung an Private (§ 101a UrhG) verwenden zu können. Ungelöst ist auch die Frage, wie für die vom Bundesverfassungsgericht angesprochenen, auf besondere Vertraulichkeit angewiesenen Verbindungen im Internetbereich ein grundsätzliches Übermittlungsverbot vorgesehen werden soll. Internetanbieter können nicht wissen, ob eine Internetverbindung der anonymen Kontaktaufnahme zu Beratungsstellen oder Journalisten gedient hat.
Dementsprechend ist der Vorstoß des Bundesjustizministeriums unter anderem bei dem Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, dem Deutschen Journalistenverband, dem Chaos Computer Club, der Neuen Richtervereinigung, dem LSVD und dem Verband der deutschen Internetwirtschaft (eco) auf Ablehnung gestoßen.
Internetkriminalität – Intelligente Strategien für ein sicheres Netz
Politik kann viel tun, um den Schutz vor Kriminalität im Internet zu optimieren. Einige Lösungsansätze existieren bereits, viele neue können erarbeitet werden. Eine IP-Vorratsdatenspeicherung ist allerdings keiner davon: weder für die zu schützenden Internetnutzer noch für unsere Informationsgesellschaft insgesamt.
Dies unterstreicht auch die 2010 eingesetzte Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" des Deutschen Bundestages. Diese wurde nicht zuletzt wegen schlechter netzpolitischer Erfahrungen zu den Zeiten der Großen Koalition im Bund einberufen, um in Zukunft Fehlentscheidungen zu vermeiden. Die Vorratsdatenspeicherung, die vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft wurde, das Zugangserschwerungsgesetz („Netzsperren“), das inzwischen allgemein als nicht zielführend angesehen wird und als Hauptgrund für das Erstarken der Piratenpartei gedeutet werden kann, und auch die Online-Durchsuchung („Bundestrojaner“), die ebenfalls von Karlsruhe einkassiert worden ist, sind Negativbeispiele der Vergangenheit. Die FDP-Bundestagsfraktion hat es nun in der Hand, ob diese unselige Liste erweitert werden muss.
Wie ein besseres Vorgehen gegen Netzkriminalität jetzt schon möglich ist
Es gibt bereits gute Beispiele für modernen Schutz vor Internetkriminalität. Eine Schlüsselrolle spielt hierbei die Prävention, denn 82% aller polizeilich registrierten Internetdelikte sind Betrugsdelikte zulasten von Personen, die sich haben täuschen lassen. Hinzu kommt zunehmend Daten- und Identitätsdiebstahl unter Ausnutzung ungesicherter IT-Systeme (z.B. Trojaner) oder der Sorglosigkeit von Nutzern (z.B. Phishing) zur Vorbereitung von Betrug und anderer Straftaten.
Leicht verständliche Tipps und Anleitungen zum Schutz vor Netzkriminalität (z.B. Weißer Ring) und zur Sicherung des eigenen Computers (z.B. BITKOM) sind bereits entwickelt und veröffentlicht worden. Sie erreichen aber bislang nur sehr wenige Menschen. Wir könnten uns vorstellen, kurze Verhaltensempfehlungen als "Beipackzettel" jedem neu verkauften Computer und Smartphone beizulegen.
Software zur Gewährleistung der Sicherheit des eigenen Computers ist bereits entwickelt und veröffentlicht worden. Sie aufzufinden, zu installieren und in Stand zu halten überfordert aber viele Menschen. Sinnvoll erschiene uns eine Hotline, die kostenfreie Beratung bei der Absicherung der eigenen Computer und bei der Beseitigung von Schadprogrammen anbietet. Wir könnten uns auch vorstellen, Hersteller und Anbieter kommerzieller Internetdienste zu verpflichten, gebrauchsfertige Geräte zur Internetnutzung sowie öffentliche Internetdienste so voreinzustellen und in Stand zu halten, dass die Vertraulichkeit, Verfügbarkeit und Unversehrtheit des Systems und der darauf gespeicherten Nutzerdaten dauerhaft nach den anerkannten Regeln der Technik gewährleistet ist (z.B. automatische Sicherheitspatches, Firewall, Schadprogrammerkennung). Der Nutzer muss allerdings stets die volle Kontrolle über Vorkehrungen zu seinem Schutz behalten und diese auch abschalten können.
Bestehende Datenschutzgesetze enthalten wichtige Vorgaben, die die Verfügbarkeit persönlicher Daten für Straftaten reduzieren und dadurch Identitätsdiebstahl und sonstigen Datenmissbrauch verhüten können. Leider läuft die Durchsetzung dieser Vorgaben im Internet weitgehend leer. Wir hielten es für sinnvoll, wenn Wettbewerber, Verbraucherzentralen und Datenschutzverbände das Recht gegeben würde, Datenschutzverstöße kommerzieller Anbieter von Internetdiensten abzumahnen. Auch sollte der Verlust persönlicher Daten durch kommerzielle Anbieter von Internetdiensten einen Anspruch der Betroffenen auf pauschale Entschädigung nach sich ziehen (z.B. 200 Euro pro Person). Schließlich sollte unterbunden werden, dass kommerzielle informationstechnische Produkte zur Verarbeitung personenbezogener Daten so vertrieben werden, dass der Verwender in der Voreinstellung "automatisch" gegen deutsches Datenschutzrecht verstößt ("privacy by design").
Die Aufklärung von Internetkriminalität gelingt bereits jetzt in den meisten Fällen. Gleichwohl bestehen vielfältige Möglichkeiten für eine effizientere Strafverfolgung im Netz: Die Einrichtung leistungsfähiger Spezialdienststellen der Polizei und von Schwerpunktstaatsanwaltschaften zur Verfolgung von Computerkriminalität erscheint sinnvoll. Gefordert werden auch besonders qualifizierte Polizeibeamte und Staatsanwälte für diese Aufgaben, die Entwicklung eines Berufsbildes "Computerkriminalist", die Entwicklung standardisierter Sachbearbeitungsverfahren auf nationaler und die Entwicklung von Standards für IT-Forensik auf internationaler Ebene.
Laut periodischem Sicherheitsbericht ist bei ca. 80% der Ermittlungen wegen Internetdelikten ein Zugriff auf im Ausland vorhandene Informationen notwendig. Sinnvoller als jede nationale Maßnahme erschiene es daher, in rechtsstaatlichem Rahmen eine unverzügliche, schnelle Sicherung im Ausland gespeicherter Computer- und Verkehrsdaten für nachfolgende Übermittlungsersuchen zu ermöglichen, die nicht nur auf dem Papier besteht.
Befähigung ist besser als Überwachung, Dialoge vermeiden Verordnungen, informationelle Selbstbestimmung braucht keine Totalprotokollierung. Sich mutig für neue Wege zu öffnen ist der beste Schritt nach vorne, um sich von nicht-funktionalen Wunschvorstellungen zu verabschieden und chancenorientiert das Internet als Zukunft unsere Gesellschaft zu begreifen. Internetnutzer und Strafverfolger, die ernst genommen werden, werden selbstgewählte Sicherheitsvorkehrungen und Verbesserungen mit hoher Akzeptanz aufnehmen. Damit ist die eigentliche Absicht, einen gesellschaftlich getragenen Diskurs über die Information und Kommunikation der Zukunft zu eröffnen, konstruktiv angegangen. Der Schutz von Internetnutzern bekommt endlich die stabile Basis, die den Forderungen nach totaler Rückverfolgbarkeit abhanden gekommen ist.
Medienkompetenzland Deutschland
Medienkompetenz ist der Schlüssel zu Partizipation an der digitalen Gesellschaft und verlangt heute mehr als Medienwissen, Medienkritik und gestaltende Medienproduktion. Die neue Dimension der zu stärkenden Medienkompetenz ist die verantwortungsvolle Mitwirkung an der gesellschaftlichen Entwicklung mittels Medien. Dazu gehört auch das Verständnis und Kommunizieren gesetzlicher Maßnahmen zum Schutz vor und zur Verfolgung von Internetdelikten.
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Es gilt, eine Offensive für den Jugendschutz in Kindergarten, Schule und Jugendzentrum zu starten. Ziel
muss hierbei vorrangig die Qualifizierung von Lehrenden, Pädagogen und (politischen) Entscheidern
sein. Jugendschutz darf nicht zur Chancen-Bremse im Internet werden. Eine einseitig an Gefährdungsszenarien
ausgerichtete Politik verhindert eine Verbesserung der Möglichkeiten und zementiert Risiken.
Jugendschutz muss als Katalysator für bessere Sozialisationsbedingungen verstanden und angewendet
werden. Dazu gehören auch digitale Ecken und Kanten.
Die Pläne für einen Medienkompetenzführerschein in NRW müssen noch mit Inhalten gefüllt werden.
Es ist ratsam, hier gleichwohl auf eine breite Beteiligung zu setzen und die bereits vom Land geförderten
Einrichtungen in die Pflicht zur Mitentwicklung von Konzepten und Inhalten zu nehmen.
Tatsächlich ist ein Führerschein nur sinnvoll, wenn es etwas zu bewegen gibt. Dazu sollten Best-Practice-
Beispiele aus der wertvollen medienpädagogischen Arbeit in NRW aufgegriffen werden. Ein runder
Tisch „Medienkompetenz“, der sich auch online transparent abbildet, trägt die besten Ideen für das Medienkompetenzland
zusammen. Die geförderten, erfahrenen Institutionen im Land NRW – besonders die
Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur in Bielefeld, das JFC Medienzentrum
Köln, die Landesarbeitsgemeinschaft Lokale Medienarbeit in Duisburg und die Akademie Remscheid –
sollten federführend diesen Prozess moderieren. Ergebnis wird ein inhaltlicher Fahrplan sein, der das
„Netzpferdchen“ zum Galopp bringen wird und NRW mit seiner Bildungsoffensive fürs digitale Zeitalter
verdient herausstellt.
Gemeinsam für Jugendschutz im Netz – eine „Online“-Novelle
Bereits in der ersten Fassung des Entwurfs zum neuen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag konnten Probleme
bei der Differenzierung der einzelnen Anbieterbegriffe festgemacht werden. Wer ist Accessprovider,
wer Content- und wer Hostprovider? Dies hat gezeigt, dass bereits im Grundstadium des Entwurfs wenige
(oder gar keine) Personen aus dem Netzpolitik- oder Informatikspektrum vertreten waren. Doch das
ist elementar, wenn Politik in eine Technikentwicklung eingreift.
Entscheidungen dürfen nicht ohne Beteiligung derjenigen gefällt werden, die sie betreffen. Auch die Idee
der (statischen) Klassifikation in einem dynamischen Medium zeigt, dass vermutlich mit heißer Nadel
gestrickt worden ist: Bewährte Ideen zum Jugendschutz der klassischen Medien (Rundfunk, Videodatenträger,
Computerspiele etc.) sollen auch auf das relativ neue Medium Internet übertragen werden. Das
Internet ist aber kein Rundfunk, wie bereits oben belegt. Mit den Ideen zum Jugendschutz-Crowdsourcing
auf der Benutzerseite und einem starken Ausbau der Medienkompetenz auf der bildungspolitischen
Ebene ist ein zeitgemäßer und auch funktionierender Jugendschutz im Netz möglich.
Medienkompetenz-Stärkung ist nur eine der Notwendigkeiten der pädagogischen Arbeit mit Medien
und Internet. Eine Stärkung der kritischen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Anforderungen
und das anwaltliche Einfordern der Beteiligung Jugendlicher an sie betreffenden Entscheidungsfindungen
wird zur prioritären pädagogischen Aufgabe. Angebote, die die Kompetenz der Nutzer stärken, müssen
immanenter Bestandteil des Jugendschutzes sein und untrennbar in dem zukünftigen JMStV als Verpflichtung
verankert werden. Letztlich kann nur erlerntes verantwortungsvolles Handeln von Eltern und
Jugendschutz im Internet: Kluge Strategien für ein sicheres Netz – Jugendmedienschutz-Staatsvertrag stoppen!
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Jugendlichen einen tragenden Schutz vor entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten gewährleisten. Dieser
Königsweg ist lang und anstrengend – aber nachhaltig. Technische Lösungen können qualifizierte Erziehung
nicht ersetzen.
Wir – und auch viele weitere Sachverständige aus der „Online-Welt“ – wollen die politischen Prozesse
begleiten, so dass kurz- und mittelfristig gute, funktionierende und sinnvolle gesetzliche Regelungen entstehen
können und langfristig die Medienpädagogik Weg und Ziel zugleich ist. Bis diese Prozesse zu Ergebnissen
führen, ist der derzeitig gültige JMStV die bessere Alternative.
Wir bitten Sie, wir bitten Euch, die Novelle des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags abzulehnen, wie
es auch der Landesparteirat der Grünen seinen Landtagsabgeordneten empfohlen hat. Er würde mehr
Schaden als Nutzen anrichten, den Jugendschutz nicht stärken und das Vertrauen der „Netzgemeinschaft“
in die Politik endgültig zerstören.
Mit den besten Grüßen und einem herzlichen Glückauf!
Jürgen Ertelt
Medien- und Sozialpädagoge, Mitglied der GMK und des JFF, Redaktionsmitglied der Zeitschrift „Medien und Erziehung“
Alvar Freude
Vorstandsmitglied Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft e.V.; von der SPD benannter Sachverständiger in der
Enquête-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Deutschen Bundestages
Henning Tillmann
Mitglied des Gesprächskreises „Netzpolitik und digitale Gesellschaft“ des SPD-Parteivorstands
Veith Lemmen
Landesvorsitzender NRW Jusos
Sascha Vogt
Bundesvorsitzender der Jusos
Guido Brombach
Kompetenzzentrumsleiter digitale Kommunikation, Lernen und Medien, DGB Bildungswerk
Christian Scholz
Unternehmer, Web-Entwickler, politisch aktiver Blogger und Podcaster, Mitglied des „Dialog Internet“ des Bundesfamilienministeriums
Andreas Maurer
Leiter Social Media, & Internet AG
Jugendschutz im Internet: Kluge Strategien für ein sicheres Netz – Jugendmedienschutz-Staatsvertrag stoppen!
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Markus Beckedahl
netzpolitik.org und Sachverständiger in der Enquête-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Deutschen Bundestages
Mario Sixtus
Journalist (ZDF) und geschäftsführender Autor der Blinkenlichten Produktionen, Grimme-Online-Preisträger , Kategorie „Wissen
und Bildung“, Mitglied des „Dialog Internet“ des Bundesfamilienministeriums
Jan Mönikes
Rechtsanwalt, Mitglied des SPD-Parteirates und Sprecher des Managerkreises der FES Baden-Württemberg
Matthias Spielkamp
Journalist, Gründungsredakteur und Projektleiter iRights.info – Urheberrecht in der digitalen Welt, Grimme-Online-Award ;
geladener Experte für die Enquête-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Deutschen Bundestages
Michael Reschke
Mitglied des Juso-Bundesvorstands
Annette Mühlberg
Vorstandsmitglied der europäischen Internetnutzerorganisation von ICANN, Sachverständige der Enquête-Kommission „Internet
und digitale Gesellschaft“ des Deutschen Bundestages
Tim Bartel
Wikimedia Deutschland e.V.
Wolfgang Michal
Journalist, carta.info, magda.de, Vorstandsmitglied Freischreiber e.V.
Oliver Zeisberger
Inhaber barracuda digitale agentur GmbH, Experte an der Schnittstelle Internet und Politik, Mitglied des Gesprächskreises „Netzpolitik
und digitale Gesellschaft“ des SPD-Parteivorstands
Jens Matheuszik
SPD-Basismitglied, Blogger pottblog.de
Stefan Laurin
Journalist und Blogger ruhrbarone.de
Jeanette Hofmann
Wissenschaftszentrum Berlin, Sachverständige in der Enquête-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Deutschen
Bundestages
Gwenn Dauen
Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur, Netzpolitischer Aktivist
Valentina Kerst
Leiterin Forum Netzpolitik der KölnSPD, Mitglied des Gesprächskreises „Netzpolitik und digitale Gesellschaft“ des SPD-Parteivorstands,
Mitglied des FES-Expertenbeirats zur Enquetekommission „Internet und digitale Gesellschaft“, Mitglied des Kernteams
„Dialogkreis Netzpolitik“ von Martin Dörmann
Dominik Boecker
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Informationstechnologierecht
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Stephan Urbach
Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur, Netzpolitischer Aktivist
omas Stadler
Fachanwalt für IT-Recht und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz
Karsten Wenzlaff
Online-Redakteur im vorwärts-Verlag, Gründer des Instituts für Kommunikation in sozialen Medien
Christian Wöhrl
Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur (AK Zensur)
Mathias Richel
Mitglied des Gesprächskreises „Netzpolitik und digitale Gesellschaft“ des SPD-Parteivorstands, Strategie und Konzeption
Bernd Fachinger
Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur, netzpolitischer Aktivist
Joachim Bellé
Vater, Mitglied des AK Zensur
Kim Quermann
Landesvorstand NRW Jusos, AK Freiheitsrechte, Kultur und digitales Leben der NRW Jusos
Vera Bunse
AK Zensur, Bloggerin, Blog „... Kaffee bei mir?“
Pascal Geißler
koop. Landesvorstand NRW Jusos, AK Freiheitsrechte, Kultur und digitales Leben der NRW Jusos
Michael Seidlitz
Rechtsanwalt
Nathalie Golla
Dipl.-Medienwirtin, Mitglied im Juso-Landesvorstand NRW, AK Freiheitsrechte, Kultur und digitales Leben der NRW Jusos
Michael Krause
Projekt Jugendmedienschutz, AWO Familienglobus gGmbH Düsseldorf
Peter Piksa
Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur, netzpolitischer Aktivist, Blogger
Markus Hagge
Selbstständig, u.a. Betreiber soziserver.de
Benjamin Siggel
Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur
Maritta Strasser
freiberufliche Kommunikationsberaterin, ehem. Pressesprecherin von Herta Däubler-Gmelin im BMJ, Mitglied des Gesprächskreises
„Netzpolitik und digitale Gesellschaft“ des SPD-Parteivorstands
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Rena Tangens
FoeBuD e.V., BigBrotherAwards
Claudio Kerst
Inhaber TopicLodge GbR, Initiator „Internetwoche Köln”, Mitglied des Gesprächskreises „Infrastruktur“ des SPD-Parteivorstands,
Mitglied des Kernteams „Dialogkreis Netzpolitik” von Martin Dörmann
Daniel Bär
Geschäftsführer der Jusos Köln
Jens Berger
Journalist und Blogger spiegelfechter.com
Dragan Espenschied
Medienkünstler, Stuttgart
Michael Servos
Dipl.-Math., SPD-Ratsherr der Stadt Aachen
Gerald Jörns
Medienreferent, Freier Journalist, „Computerspielberatung.de“
Joerg Heidrich
Rechtsanwalt, Justiziar, Fachanwalt für IT-Recht
padeluun
FoeBuD e.V., Sachverständiger in der Enquête-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Deutschen Bundestages
Felix Neumann
Blogger (fxneumann.de, carta.info), Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken
omas Knüwer
Gründer der Unternehmensberatung „kpunktnull – Beratung für das digitale Zeitalter“
Udo Vetter
Fachanwalt für Strafrecht, Lehrbeauftragter für Medienrecht an der Fachhochschule Düsseldorf
Cornelia Tausch
von der SPD-Bundestagsfraktion benannte Sachverständige in der Enquête-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des
Deutschen Bundestages
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