Offener Brief an Finanzausschuss

Aus Freiheit statt Angst!
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Worum geht es?

Die Bundesregierung hat dem Bundestag einen Gesetzentwurf vorgelegt, dessen Annahme das anonyme Bezahlen im Internet unmöglich machen würde. E-Geld (z.B. Paysafecard, UKash) soll künftig nur noch gegen Vorlage eines Ausweises verkauft werden dürfen. Der AK Vorrat könnte einen Offenen Brief an den zuständigen Finanzausschuss des deutschen Bundestags schicken, um die Abgeordneten zu veranlassen, den Plan zu stoppen.

Weitere Infos:

Offener Brief (Entwurf)

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,

mit großem Erstaunen und einigem Entsetzen haben wir zur Kenntnis genommen, dass die Bundesregierung den anonymen Zahlungsverkehr im Internet verbieten will, indem ohne jeden Anlass für die gesamte Bevölkerung auf Vorrat gespeichert werden soll, wer welche Guthabenkarte erworben hat ("Gesetzentwurf zur Optimierung der Geldwäscheprävention"). Selbst E-Geld-Kleinbeträge bis 150 Euro sollen Unternehmen wie Paysafecard oder Ukash künftig nicht mehr ohne Identifizierung anbieten dürfen. Demgegenüber sollen anonyme Bankeinzahlungen bis 1.000 Euro und anonyme Bargeldtransaktionen unbegrenzt möglich bleiben. Das Vorhaben wird mit dem Argument begründet, durch Einsatz mehrerer Zahlkarten könnten "große Beträge von erheblicher geldwäscherechtlicher Relevanz bei der Ausgabe und dem Rücktausch von E-Geld anonym bewegt werden".

Das Argument der Geldwäsche rechtfertigt aus unserer Sicht kein Totalverbot des anonymen Bezahlens im Internet. 2010 wurden in Deutschland 6.764 Fälle von Geldwäsche registriert, was 0,1% der registrierten Gesamtkriminalität entspricht. Auch ohne Identifizierungspflicht wurden 92,2% der Verdachtsfälle erfolgreich aufgeklärt. Es fehlt jeder Nachweis, dass E-Geld-Kleinbeträge in nennenswertem Umfang zur Geldwäsche oder gar Terrorismusfinanzierung eingesetzt werden und dass ein auf Deutschland beschränkter Identifizierungszwang nicht ohne weiteres umgangen werden könnte. E-Geld könnte im Ausland weiterhin anonym gekauft werden, und auch in Deutschland gekauftes E-Geld könnte nach der erstmaligen Identifizierung unkontrolliert weitergegeben werden. Der praktisch zu erwartende Nutzen einer Identifizierungspflicht zur Verfolgung von Geldwäsche wäre gering bis nicht gegeben.

Demgegenüber wären die Folgen eines Totalverbots des anonymen Bezahlens im Internet unzumutbar. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung steht in klarem Widerspruch zu § 13 Absatz 6 des Telemediengesetzes, der aus guten Gründen Diensteanbieter im Internet zur Akzeptanz anonymer Zahlungsmittel verpflichtet. Dass im Internet noch verbreitet mit Kreditkarte, durch Angabe einer Bankverbindung oder gar Angabe einer Online-Banking-PIN ("Sofortüberweisung") bezahlt wird, ist eine ständige Ursache für Datenklau, Identitätsdiebstahl (z.B. "Phishing") und Betrug. Datenskandale wie der Handel mit Millionen von Bankverbindungen auf CDs haben in den letzten Jahren immer häufiger in Erinnerung gerufen, dass nur nicht angegebene Kreditkarten- und Kontodaten sichere Daten sind. Jeder vierte deutsche Internetnutzer hat einer BITKOM-Umfrage bereits finanziellen Schaden im Internet erlitten. Anonyme Zahlungskarten sind das beste Mittel zum Selbstschutz vor Online-Kriminalität. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung würde den 50 Mio. Internetnutzern in Deutschland dieses Mittel zur Kriminalprävention aus der Hand schlagen.

Eine Zwangsregistrierung aller E-Geld-Nutzer würde es außerdem ermöglichen, das alltägliche Zahlungsverhalten unbescholtener Menschen minutiös nachzuvollziehen, obwohl diese zu nahezu 100% keinerlei Anlass zu einer Protokollierung ihres Zahlungsverhaltens gegeben haben. Vergleichbares ist außerhalb des Internet, wo Barzahlung die Regel ist, undenkbar. Anonymes E-Geld als das "Bargeld des Internets" zu verbieten, würde dem berechtigten Bedürfnis vieler Menschen nach Vertraulichkeit und Anonymität nicht gerecht: Wer beispielsweise einer gemeinnützigen Organisation Geld spenden möchte, kann ein berechtigtes Interesse daran haben, dass aus der Spende keine Rückschlüsse auf seine sexuelle Orientierung, seinen Glauben, seine religiösen oder politischen Anschauungen gezogen werden können. Auch wer beispielsweise Erotikinhalte konsumiert, hat ein berechtigtes Interesse daran, anonym zu bleiben. Zur Inanspruchnahme strafrechtlicher, psychologischer oder medizinischer Beratung über das Internet sind Menschen ebenfalls vielfach nur im Schutz der Anonymität bereit.

Neben den gesellschaftlichen sind auch die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Verbots anonymer Zahlungen im Internet unabsehbar. E-Geld kommt unter anderem in der Unterhaltungs- und Telekommunikationsbranche verbreitet zum Einsatz. Wegen des Aufwands einer Identifizierung beim Erwerb von Kleinbeträgen würden ganze Vertriebskanäle für solche E-Geldkarten wegfallen. Studien zufolge verzichten viele Verbraucher auf Dienstleistungen im Internet, die eine Angabe persönlicher Daten wie Kredit- oder Kontodaten erfordern, insgesamt. Ein Identifizierungszwang droht dadurch die wirtschaftliche Existenz und die Arbeitsplätze von Dienstanbietern in einer Zukunftsbranche Deutschlands zu gefährden, die Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle zu behindern und das wirtschaftliche Wachstum im Bereich der Informationstechnologie auszubremsen.

Insgesamt steht der erhoffte Nutzen eines unterschiedlosen Identifizierungszwangs für E-Geld-Nutzer in keinem Verhältnis zu den damit verbundenen Nachteilen. Einer zu erwartenden Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung des informationellen Selbstbestimmungsrechts würde ein unterschiedsloser Identifizierungszwang für Kleinbeträge nicht stand halten.

Wir appellieren deshalb an Sie, jeder verdachtsunabhängigen Erfassung der Nutzer von E-Geld entschieden entgegen zu treten. Dienstleistungen im Internet müssen ebenso anonym und geschützt bezahlt werden können wie vergleichbare Leistungen außerhalb des Internets. Bitte setzen Sie sich für eine Änderung des "Gesetzentwurfs zur Optimierung der Geldwäscheprävention" ein, um den von der EU eingeräumten Spielraum für anonymen Zahlungsverkehr im Internet zu nutzen.

Mit freundlichen Grüßen,

Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung