25 Jahre Datenschutz-Grundrecht: Arbeitskreis fordert „Grundrechtskontrollrat“

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(veröffentlich am 15.12.2008)

Am 25. Jahrestag des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung fordert der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung die Einrichtung eines Grundrechtskontrollrats, um verfassungswidrige Gesetzesvorhaben in Zukunft schon im Entstehungsstadium festzustellen und auf eine Korrektur hinzuwirken.

Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist in seinen ersten 25 Lebensjahren nicht gewachsen, sondern geschrumpft. Noch nie haben uns Staat und Unternehmen so vollständig registriert, überwacht und kontrolliert wie heute. In der aktuellen Bundesregierung sollen ausgerechnet Herr Schäuble und Frau Zypries, die für Computerspionage und Vorratsdatenspeicherung verantwortlich sind, unsere Freiheitsrechte und Daten schützen. Das ist, als ließe man den Wolf die Schafe hüten.

Als Gegengewicht zu einer unersättlichen Politik brauchen wir einen mit Verfassungsexperten besetzten Grundrechtskontrollrat, der Gesetzesvorhaben schon im Entstehungsstadium auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundrechten überprüft und Korrekturmöglichkeiten aufzeigt. Außerdem brauchen wir eine unabhängige Grundrechteagentur, die systematisch alle Überwachungsgesetze wissenschaftlich auf ihre Wirksamkeit und schädlichen Nebenwirkungen überprüft. Schließlich sollte eine Stiftung Datentest eingerichtet werden, die den Datenschutz bei verschiedenen Unternehmen in der Wirtschaft vergleicht und bewertet.

So wie die Ermittlungsmethoden der Strafverfolgungsbehörden modernisiert werden sollen, müssen auch auch die Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten für den Datenschutz erheblich ausgebaut werden. Mit ihrem aktuellen Datenschutzreförmchen kratzen Union und SPD aber gerade einmal an der Oberfläche des privaten Datenmissbrauchs und lenken zudem von den eigenen Verfehlungen des Staates ab: polizeiliche Einsatzprotokolle[1] und Meldedaten[2] im Internet, Terrordaten an Presseverteiler,[3] verfassungswidrige Informationsgier des Staates bei Vorratsdatenspeicherung, Lauschangriff, Computerspionage, Kfz-Massenabgleich und Einkommensdaten.

"In Zeiten permanenter Datenskandale und Grundrechtsverletzungen brauchen wir einen eigenen Minister für den Schutz unserer Freiheitsrechte und Daten", fordert Patrick Breyer vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. "Fünf Wochen nach dem Gau von Tschernobyl wurde zur Bewahrung unserer natürlichen Lebensgrundlagen ein Bundesumweltministerium geschaffen. Nach einem Jahr voller Daten-GAUs ist es an der Zeit, ein Ministerium zum Schutz der individuellen Selbstbestimmung als Grundlage unserer freien Gesellschaft zu schaffen. Ohne strukturelle Änderungen werden wir unseren Kindern nicht viel von der Freiheit erhalten können, für die unsere Vorfahren gekämpft haben."

"Das mindeste ist nun, dass ein unabhängiger Grundrechtekontrollrat als institutionelles Gegengewicht zu den ständigen Verfassungsbrüchen der Sicherheitspolitiker eingerichtet wird", ergänzt Ralf Bendrath vom Netzwerk Neue Medien.

"Es entsteht der Eindruck, dass die politischen Kräfte in Berlin, die für die ungeheuren staatlichen Überwachungsgesetze der letzten Jahre verantwortlich sind, das Thema der Datenskandale bei Unternehmen missbrauchen, um ihre Westen reinzuwaschen." ergänzt Kai-Uwe Steffens vom Arbeitskreis. "Aber wer sich heute kritisch über die Datensammelwut von Unternehmen äußert, die er gestern selbst noch per Gesetz zur Anhäufung von riesigen Datenbergen verpflichtete, der hat ein Glaubwürdigkeitsproblem. Es wird deutlich," so Steffens weiter, "dass die Schlüsselpositionen Inneres und Justiz zur Zeit fehlbesetzt sind. Frau Merkel muss hier handeln."


Hintergrund:

Im September hatte der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung vor einer „Überwachungslawine in Deutschland“ gewarnt und eine Aufstellung vorgelegt, derzufolge der Deutsche Bundestag in den letzten 10 Jahren mindestens 21 mal die Kontrolle und Beobachtung der Menschen verschärft hat.[4] Zugleich musste das Bundesverfassungsgericht mindestens 12 mal verfassungswidrige Überwachungsgesetze und -maßnahmen aufheben. Am Freitag der vergangenen Woche wurde bekannt, dass der größte Kreditkartenanbieter Deutschlands zehntausende von Bankdaten einschließlich Geheimzahlen verloren hat.[5]

Fußnoten: