Informationen über die Vorratsdatenspeicherung

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Am 15. Dezember 2005 hat das Europäische Parlament der von EU-Kommission und -Rat beschlossenen sogenannten Vorratsdatenspeicherung zugestimmt, am 9. November 2007 hat der Bundestag mit dem "Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG" die Richtlinie für Deutschland umgesetzt

In den Medien erscheint dieses Thema, wenn überhaupt, meist in den Rubriken “Computer” oder “Internet”, und es wird eher wenig darauf eingegangen, was wohl auch daran liegt, dass der Begriff recht abstrakt klingt. Dabei sind die Auswirkungen enorm, denn was die EU an diesem Tag verabschiedet hat, ist nicht weniger, als die komplette, sekundengenaue Speicherung der Telekommunikationsverbindungsdaten eines jeden Bürgers.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Ziele der Vorratsdatenspeicherung

Durch die Vorratsdatenspeicherung (kurz “VDS”) erhofft sich die EU eine Verbesserung der Bekämpfung von Terrorismus und schweren Straftaten, kurz: eine erleichterte Strafverfolgung. Telekommunikationsunternehmen (also auch Mobilfunk- und Internetprovider) werden damit verpflichtet, die sogenannten “Verkehrsdaten” ihrer Kunden aufzuzeichnen und für eine bestimmte Zeit aufzubewahren. Im Falle einer schweren Straftat haben Polizei und Geheimdienste Zugriff auf diese Daten. Die Umstände für die Speicherung und Auswertung der Daten ist EU-weit dabei nur teilweise “harmonisiert”. Beispielsweise wurde die Dauer der Speicherung “im Normalfall” auf 6 bis 24 Monate festgelegt, sie darf aber auch explizit jederzeit vom einzelnen Staat überschritten werden (in Polen wird es z.B. eine Speicherungsdauer von 15 Jahren geben). Auch die “schwere Straftat” unterliegt der Definition des jeweiligen EU-Mitglieds, wodurch Unterschiede in der Rechtssprechung innerhalb der Union unausweichlich sind.

Gespeicherte Daten

Was wird genau gespeichert und was verbirgt sich hinter dem Begriff Verkehrsdaten? Es soll - kurz gesagt - gespeichert werden, wer wann mit wem per Telekommunikation in Kontakt stand. Hierzu sollen bei Festnetztelefonie die Uhrzeit des Gesprächs, die Telefonnummern des Anrufenden und des Angerufenen sowie die Namen und Adressen der Anschlussinhaber gespeichert werden. Bei Mobiltelefonen (Gespräche und SMS-Versand) sollen zusätzlich IMEI und IMSI (hierbei handelt es sich kurz gesagt um weltweit einmalige Seriennummern von Handy bzw. SIM-Karte) sowie der Standort (bestimmt über die Funkzelle, in der das Telefon eingebucht ist) zu Beginn der Verbindung gespeichert werden. Bei Internetzugang soll gespeichert werden, wer wann mit welcher IP-Adresse im Netz war. IP-Adressen stellen bereits für sich allein ein Problem dar [Eine IP-Adresse ist, sehr grob gesagt, eine eindeutige Nummer, die einem Computer z.B. bei der Einwahl ins Internet vom Provider zugewiesen wird, und anhand derer der Rechner dann weltweit für Datensendung und -empfang angesprochen werden kann. Sie lässt sich damit in etwa mit einer Art Haus- oder Telefonnummer vergleichen. Spätestens über den Provider ist anhand der IP-Adresse auch die Identifikation des Nutzers bzw. Besitzers möglich (auch hier besteht übrigens, bezüglich der Unterscheidung von Besitzer und etwaigem Nutzer - z.B. ein Gast -, juristisches Konfliktpotenzial, etwa in der Frage der Haftung).] Die IP-Adresse ist an allen Handlungen im Internet unmittelbar beteiligt, seien es Aufrufe von Webseiten, Dateitransfer über FTP, Chatten mittels Instant Messenger, und anderem. (genauere Informationen z.B. bei Wikipedia). Auch E-Mails sollen protokolliert werden; hier sollen entsprechend den Regelungen für Telefonie Uhrzeit sowie Sender und Empfänger gespeichert werden (noch ist unklar, was dies für anonym nutzbare E-Mail-Dienste bedeuten wird). Internettelefonie (skype u.Ä.) unterliegt denselben Bestimmungen. Daten über fehlgeschlagene Kommunikationsversuche (Leitung besetzt, Anrufer nimmt nicht ab u.Ä.) sollen nur gespeichert werden, wenn dies nach der Gesetzgebung im jeweiligen Staat schon vorher zulässig war. In Deutschland ist dies nicht der Fall. Inhalte, etwa von E-Mails oder Telefongesprächen werden nicht aufgezeichnet, allerdings lässt sich häufig von den o.g. Daten auf Inhalte schließen (z.B. Gespräche mit Anwälten, Drogenberatungsstellen u.Ä.). Aus diesem Grund sind solche Daten ebenso schützenswert wie die eigentlichen Inhalte der Kommunikation. Diese Position findet sich auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

Zugriff auf die Daten

Nach dem Richtlinientext sollen die Daten für die Verfolgung "schwerer Straftaten" genutzt werden. Die Definition dieses Begriffs obliegt den einzelnen Mitgliedsstaaten. Im Umsetzungsgesetz für Deutschland fand sich zunächst zusätzlich ein Passus, der die Verwendung der Daten auch für die Verfolgung "mittels Telekommunikation begangener Straftaten" erlaubt. Für solche Taten galtdann das Erfordernis, dass sie "schwer" sein müssen, nicht mehr. Mit dieser Bestimmung hätten die Daten auch für die Verfolgung von Urheberrechtsverstößten verwendet werden können. Mit seinem Eilentscheid vom 11.03.2008 hat das Bundesverfassungsgericht diese Befugnisse allerdings gestrichen, per Telekommunikation begangene Straftaten, die nicht "schwer" sind, führen nicht mehr zur Herausgabe der Daten.

Nun ist ein Beschluss der Bundesregierung vom 28.09.2007 bekannt geworden, wonach Deutschland dem „Übereinkommen des Europarats über Computerkriminalität“ beitreten soll. Dieser Beitritt würde 52 Staaten in Europa und weltweit den Zugriff auf die ab 2008 in Deutschland zu speichernden Vorratsdaten eröffnen – nicht nur zur Verfolgung von Computerstraftaten, sondern jeglicher im Ausland mit Strafe bedrohter Handlung.

Umsetzungsstand

In Deutschland wurde die VDS durch das "Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG" umgesetzt. Es trat zum 1.1.2008 in Kraft. Anbieter von Festnetz- und Mobiltelefonie müssen seitdem die oben genannten Verbindungsdaten für 6 Monate speichern; Anbieter von Internetzugängen sind theoretisch zwar auch betroffen, praktisch wurden die Bußgelder, die auf eine Unterlassung der Protokollierung stehen, aber bis zum 1.1.2009 ausgesetzt. So gilt für Internetzugangsanbieter praktisch eine einjährige Übergangsfrist.

Faktisch hinkt die Umsetzung deutlich hinter den gesetzlichen Vorgaben hinterher, wie eine Anfrage bei mehren großen Internetprovidern ergab.

Die Haltung des Deutschen Bundestags zur Vorratsdatenspeicherung

Am 17. Februar 2005 hatte der Deutsche Bundestag eine Vorratsdatenspeicherung noch explizit abgelehnt. Es erging ferner die Aufforderung an die Bundesregierung, diesen Beschluss auch auf EU-Ebene zu vertreten und demzufolge einen EU-Beschluss “pro VDS” nicht mitzutragen. Diese Haltung hat sich mit dem o.g. Beschluss geändert (der Beschluss wurde mit den Stimmen der großen Koalition gegen die der Opposition und die des CDU-Abgeordneten Siegfried Kauder - der keine Zuständigkeit des Europaparlaments und der Kommission in dieser Sache sah - angenommen).

Kritik

Verhältnismäßigkeit

Eine anlasslose, präventive Sicherung der Kommunikation sämtlicher Bürger der Europäischen Union entspricht nicht dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie ist, selbst bei geschätzt erhöhter Gefahr, in ihren Ausmaßen nicht angemessen und verstößt damit, schon angesichts der enormen Diskrepanz zwischen der Anzahl Betroffener und der (erwarteter) Verbrechen, gegen das Übermaßverbot.

Fehlen eines Anfangsverdachts

In einem demokratischen Rechtsstaat herrscht die Unschuldsvermutung. Diese ist im Grundgesetz implizit (Art. 20), in der Europäischen Menschenrechtskonvention explizit (Art. 6) enthalten. Eine Aufnahme von Ermittlungen und damit z.B. eine Überwachungsmaßnahme wie die VDS erfordert einen Anfangsverdacht, der voraussetzt, dass “zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen.” (§152, Abs. 2 Strafprozessordnung). Dieser Anfangsverdacht ist im Fall der VDS aber nicht gegeben – angesichts von bald nahezu einer halben Milliarde Menschen in der EU kaum verwunderlich. Da eine Aufnahme von Ermittlungen, wie gesagt, den Anfangsverdacht voraussetzt, wird im Rückschluss der EU-Bürger durch die Vorratsdatenspeicherung gleichermaßen kriminalisiert: Er ist ein potenzieller Terrorist (oder “schwerer Verbrecher”), der gesichert werden muss.

Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung

Das Datenschutz-Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung garantiert dem Bürger das Recht, über die Offenbarung und Verwendung personenbezogener Daten selbst zu verfügen. Die gespeicherten Verkehrsdaten fallen per Definition in diese Kategorie, da sie sich einer bestimmten Person zuordnen lassen (s. auch Bundesdatenschutzgesetz).

Dieses Grundrecht wird mit der zwangsweisen Speicherung der individuellen Telekommunikationsdaten eklatant verletzt. Der Bürger hat als Betroffener der VDS weder Macht, noch Kontrolle darüber, was er von seinem Telekommunikationsverhalten preisgibt. Um das “Volkszählungsurteil” des Bundesverfassungsgerichts zu zitieren, besteht die Gefahr, dass:

“[... personenbezogene Daten...] zu einem teilweise oder weitgehend vollständigen Persönlichkeitsbild zusammengefügt werden, ohne dass der Betroffene dessen Richtigkeit und Verwendung zureichend kontrollieren kann.”

Weiterhin dürfte die Speicherung auch dem Post- und Fernmeldegeheimnis zuwiderlaufen.

Grundgesetzwidrigkeit

Angesichts der Verstöße gegen zentrale Aspekte des Grundgesetzes sowie der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland, wie oben aufgeführt, kann die VDS nur als grundgesetzwidrig eingestuft werden.

Urteile des Bundesverfassungsgerichtes

Im bereits erwähnten “Volkszählungsurteil” vom 15. Dezember 1983 hat das Bundesverfassungsgericht eine Vorratsdatenspeicherung nicht anonymisierter Daten abgelehnt und dabei zusätzlich das Gebot der Verhältnismäßigkeit als einem “mit Verfassungsrang ausgestatteten Grundsatz” betont.

Fehlende Kostenübernahme

Eine besonders aus Wirtschaftskreisen immer wieder angebrachte Kritik ist die fehlende Übernahme der entstehenden Kosten für die Datenspeicherung durch den Staat. Politiker der Großen Koalition haben inzwischen mehrfach deutlich gemacht, dass sie es für selbstverständlich bzw. "staatsbürgerliche Pflicht" (Innenminister Wolfgang Schäuble) halten, dass die Provider von Telekommunikationsdiensten für sämtliche dadurch entstehenden Kosten alleine aufkommen. Eine Entschädigung durch den Staat findet nicht statt.

Es ist zu erwarten, dass diese Kosten von den Providern nolens-volens auf die Preise für Internetzugänge umgelegt werden, wodurch im Endeffekt der Bürger für seine eigene, ungewollte Überwachung zahlt

Keine Vorabevaluation von Effizienz und Notwendigkeit

Es existieren bis dato keinerlei wissenschaftliche bzw. verlässliche Einschätzungen in puncto Notwendigkeit oder Effizienz der VDS in der beschlossenen Form. Die "Beweisführung", so dies überhaupt so zu bezeichnen ist, stützt sich quasi ausschließlich auf die Anführung einer Zahl von Einzelfällen, bei denen Telekommunikationsanalysen an der Strafverfolgung beteiligt waren.

Mögliche Alternative: “Quick Freeze”

Die USA verwenden eine VDS, wie von der EU vorgesehen, nicht, sondern bei ihnen kommt eine “Quick Freeze” genannte Praxis zum Tragen. Diese wird in begründeten Verdachtsfällen eingesetzt: Auf richterlichen Beschluss erfolgt dann eine Sicherung der Telekommunikationsdaten des jeweiligen Verdächtigen. Es kommt also zu einer individuellen, anlassbezogenen Speicherung, im Gegensatz zur VDS in der EU, welche kollektiv und anlasslos ist.

Umgehungsmöglichkeiten

So umfassend die VDS auch ist, kann sie dennoch vom Einzelnen umgangen werden. Dafür ist allerdings einiges an Aufwand nötig.

Es existieren diverse Arten von Anonymisierungs- und Verschlüsselungssoftware, die dafür sorgen, dass IP- Adressen und Inhalte verborgen bleiben. Derartige Software erfordert jedoch ein, gemessen an den Kenntnissen eines normalen Internet-Nutzers, teilweise recht hohes Maß an Computerkenntnissen und genießt eher selten weite Verbreitung (in manchen Fällen ist Voraussetzung, dass sowohl Sender als auch Empfänger die Software benutzen, damit eine anonyme Verbindung zustandekommen kann). Mangelnde Geschwindigkeit, fehlende technische Kenntnisse und schlechte Verfügbarkeit sind wohl die Hauptfaktoren dafür, dass solche Software nur von vergleichsweise wenigen Leuten benutzt wird.

Ein Mensch jedoch, der wirklich darauf angewiesen ist, dass seine Kommunikation geheim bleibt (der vielzitierte „Terrorist“ etwa, oder auch nur ein computertechnisch versierter Bürger, der sich vom Staat nicht permanent über die Schulter blicken lassen will), kann diese Software einsetzen, um seine Kommunikation abzusichern. Und gerade Verbrechern werden die damit verbundenen Nachteile - bei Anonymisierern für das Web etwa die sehr langsame Datenübermittlung oder auch die Zeit, um sich in die Benutzung der Programme einzuarbeiten, weniger wichtig sein, solange ihre Botschaften und Pläne nur unbemerkt ihr Ziel erreichen. Den normalen Internetnutzer hingegen beeinträchtigen derartige Maßnahmen erheblich. Wer „einfach nur mailen und surfen“ will, nimmt keine langdauernde Einarbeitung in derartige Programme auf sich, und wird spätestens durch die langsame Datenübertragungsrate abgeschreckt.

Dies alles führt dazu, dass im Endeffekt wohl unter anderem gerade die Menschen sich gegen die VDS absichern werden, die der eigentliche Grund und die Zielgruppe der Maßnahmen sind – eben, weil sie auf Geheimhaltung ihres dunklen Treibens angewiesen sind. Der riesige, unschuldige und unverdächtige Teil der Bevölkerung unterliegt also der Überwachung, der sich Verbrecher, die es ernst meinen, ohne Probleme entziehen.

Kein Vorteil bei der Verhinderung von Terrorismus

Für die Verhinderung terroristischer Akte eignet sich die VDS nicht mehr als die bereits existierenden gesetzlichen Möglichkeiten. Gerade sogenannte „Schläfer“, die bis zum Anschlag selbst ein vollkommen unauffälliges Leben führen, bieten ja bereits qua Definition keine Anhaltspunkte für den bereits angesprochenen „Anfangsverdacht“ und damit auch keine Grundlage für einen richterlichen Beschluss - einen Beschluss, der nach jetziger Rechtslage einer Überprüfung der gewonnenen Daten vorausgehen muss. Maximal lassen sich mit den Daten in einem solchen Fall also nach einem Anschlag die Handlungen des ehemaligen Schläfers zurückverfolgen.

Solange keine anlasslose Abfrage und Kontrolle von Daten eingeführt wird (was den totalen Überwachungsstaat bedeuten würde), bietet die VDS damit nichts, was nicht beispielsweise auch mit dem „Quick Freeze“-Verfahren möglich wäre.

Von höherer Sicherheit im Sinne einer Prävention terroristischer Akte durch die VDS kann aus diesem Grunde nicht die Rede sein.

Gefahren durch die Datenspeicherung:

Allgemein gesagt, besteht die größte Gefahr der Vorratsdatenspeicherung darin, dass sich genaue Kommunikationsprofile eines Menschen herstellen lassen:

  • Wer war wann, wie oft und wie lange im Internet?
  • Wer schreibt wem E-Mails?
  • Wer telefoniert mit wem?
  • Wo hat sich jemand bei Anruf XY aufgehalten?

Ein paar Beispiele:

Bewegungsprofile

Über die Aufzeichnung der Funkzellen bei Mobiltelefonen lässt sich in einer Zeit, in der das Handy immer alltäglicher geworden ist, besonders bei häufigem Telefonieren ein ziemlich genaues Bewegungsprofil erstellen.

Der “gläserne Bürger”

Das komplette Kommunikationsverhalten aller EU-Bürger wird durch die VDS transparent. Wer auf die Daten Zugriff hat, sieht, wer wann mit wem telefoniert, gesimst und gemailt hat und wann ein Mensch im Internet war. Er erkennt dadurch soziale Beziehungen, wirtschaftliche Aspekte (Netshops, aber auch Schuldnerberatungsstellen, zum Beispiel), sexuelle Präferenzen, religiöse Überzeugungen, medizinische Daten (von Informationsseiten über psychische Probleme bis hin zur Schwangerschaftsberatung), und, selbstverständlich, politische Interessen. Es geht also beim Protest gegen die VDS gar nicht so sehr um mögliche Ordnungswidrigkeiten und Straftaten, sondern darum, dass jeder ungewollt und je nach Internetnutzung, ein fast komplettes persönliches Profil abliefert, in einer Genauigkeit und mit einer Sensibilität der Daten, der wohl kein Mensch freiwillig zustimmen würde. Dass alle diese Daten auch noch fehlinterpretiert werden können, und man somit beispielsweise durch einen islamischen Bekannten unter Umständen in den Ruch terroristischer Umtriebe gerät, oder, wie vor einiger Zeit eine alte Dame in Amerika, des illegalen Filesharings angeklagt wird, obwohl man nicht einmal die entsprechende Software installiert hat, ist nur noch eine zusätzliche Gefahr dieser Sammlung.

Einschränkung der Meinungsfreiheit als Nebeneffekt

Mittels der nach Umsetzung der Richtlinie langfristigen Möglichkeit der Zuordnung von IP-Adressen zu Personen lässt sich jede Form der Meinungsäußerung im Netz zu ihrem Urheber zurückführen, sei es ein Beitrag im Usenet, oder in Webforen. Auch die Arbeit an einer Website wird durch die Speicherung der IP desjenigen, der sie hochlädt transparent.

Zudem ist bereits das Wissen um die Existenz der Kommunikationsüberwachung geeignet, Nutzer in ihrem Verhalten und insbesondere ihrer freien Meinungsäußerung zu beeinflussen. Gerade dieser Punkt wird auch von Bürgerrechtlern immer wieder betont. Nicht umsonst ist die freie Meinungsäußerung einer der Grundsätze einer modernen Demokratie. Wer weiß, dass er überwacht wird, und eventuell gar Sanktionen zu fürchten hat, verhält sich im Zweifelsfall “vorsichtiger”, selbst wenn seine Kritik, an wem auch immer, noch so berechtigt ist.

Datenmissbrauch

Im Augenblick sind diese Daten “nur” für Strafverfolgungsbehörden und Nachrichtendienste zugänglich. Dass dies immer so bleibt, kann jedoch kaum garantiert werden.

Erst kürzlich ist schließlich mit der LKW-Maut bereits der Fall eingetreten, dass explizit und ausschließlich für einen bestimmten Zweck (Mautabrechnung) bestimmte Daten für andere Ziele zugänglich gemacht werden sollen. Auch Justizministerin Zypries setzt auf eine Aufweichung des Datenschutzes und will einen „Auskunftsanspruch“ von Providern gegenüber Rechtehaltern, also nichtstaatlichen Stellen, schaffen. Nimmt man nun noch hinzu, dass Innenminister Schäuble sogar ein Gesetz (welches überhaupt erst vor relativ kurzer Zeit beschlossen worden ist) ändern will, um die nach bisheriger juristischer Grundlage verbotene Nutzung der Mautdaten zu ermöglichen, sollte das Vertrauen in die gesetzliche Absicherung der Zweckbindung der per VDS gesammelten Daten weiter schwinden.

Und dies wäre dann endgültig die Öffnung der Büchse der Pandora, z.B.:

  • Zugänglichmachen der gesammelten Daten für Krankenkassen (Beitragserhöhungen wären wohl noch das mindeste, was in diesem Fall droht)
  • Zugriff für Arbeitgeber (gerade sensible Daten, wie beispielsweise der Besuch von Selbsthilfeseiten im Internet können der Todesstoß für eine Anstellung oder auch ein existierendes Arbeitsverhältnis sein)
  • Zugriff für Versicherungen (auch hier dasselbe wie bei den Krankenkassen)

Es kann in diesem Licht und trotz aller Beteuerungen kaum hundertprozentig garantiert werden, dass jetzt und in Zukunft einzig staatliche Stellen Zugriff auf die gespeicherten Daten haben (auch das ist ohnehin bereits alleine ein Unding, da die grundlegende Problematik bestehen bleibt). Auch ist es vielleicht, angesichts des momentanen, mehr als bedenklichen Kurses der BRD sowie EU, nicht nur in Menschenrechts- und Grundgesetzfragen, leider nicht mehr garantiert, dass die Freiheits- und Bürgerrechte in alle Zeit von einer zukünftig amtierenden Regierung geschützt werden.

Und zuletzt scheint es in einer Zeit mit den Leitworten “sozial ist, was Arbeit schafft”, und “mehr Freiheit wagen”, in der der Mensch immer mehr nur noch auf Basis eines Kosten-Nutzen-Denkens gesehen wird, eher eine Frage der Zeit, bis die freie Wirtschaft, zugunsten des dann immer gerne beschworenen Standorts Deutschland auch an diesem geballten Wissen partizipieren will.

Ganz unabhängig davon besteht außerdem immer noch die Möglichkeit des illegalen Zugriffs auf die Daten durch Hacks, sowie der anschließenden Weiterverbreitung.

Ich habe doch nichts zu verbergen

...Wirklich?

Es hat sicherlich seine Gründe, dass Kontoauszüge in undurchsichtigen Umschlägen verschickt werden, und wer hat noch nie eine kleine Lüge benutzt, um z.B. Ärger mit dem Chef auszuweichen? Es sind nicht die spektakulären, sondern die “Alltagsgeheimnisse”, die auf dem Spiel stehen, oder, einfacher gesagt, die Privatsphäre.

Die wenigsten Menschen dürften Spaß daran haben, wildfremden Menschen einfach ein genaues Persönlichkeitsprofil ihrer selbst vorzulegen, einschließlich gesundheitlicher und psychischer Probleme, dem wirtschaftlichen und sozialen Stand, politischen Überzeugungen und ihrer persönlichen Meinung zu aktuellen und nicht mehr so aktuellen Themen. Wieso sollte all dies, und das Recht auf diese Selbstbestimmung, in der elektronischen Telekommunikation auf einmal keinen Bestand mehr haben?

Persönliche Daten sind neutral und damit ein zweischneidiges Schwert: Sie können positiv genutzt, und sie können gefährlich werden.

Als 1933 vom Staat eine Volkszählung durchgeführt wurde, dürfte kaum einer, der dort, wie gefordert, seinen (jüdischen) Glauben angab, etwas von den Gräueln geahnt haben, die die Zukunft bringen würde.

Auch wenn es nicht wieder so weit kommt, ist es im Sinne einer freiheitlichen Demokratie wichtig, im Zweifelsfall zugunsten des Datenschutzes, und damit der Meinungs- und Informationsfreiheit (GG Art.5), zu entscheiden, als zugunsten eines vermeintlichen Mehr an - oft nur gefühlter - Sicherheit:

"Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren." Benjamin Franklin

Wir befinden uns heute in einer Gesellschaftsform, in der wir annehmen, dass es keine größeren Folge haben wird, wenn die Privtssphäre ausgeleuchtet wird. Nur wie wird das in Zukunft sein? Was ist, wenn sich ein repressiveres System etabliert, dass die Möglichkeiten nicht für die vermeintliche Sicherheit der in ihm lebenden Menschen, sondern zur Sicherung der eignen Macht nutzt? Dann werden die Kleinigkeiten, die heute nichts bedeuten zu einem Grund, dich aus dem Verkehr zu ziehen! Wenn freie Meinungsäußerung wieder zu einer Straftat wird, ist das Feld für die Spitzel schon bestellt. Wir dürfen nicht nur vom Zeitpunkt heute ausgehen, sondern müssen auch die Folgen der Zukunft bedenken!

Umsetzung der Richtlinie in den Mitgliedsstaaten

Bis Ende 2007 soll auf Initiative der EU-Kommission eine formale Expertenarbeitsgruppe eingerichtet werden, die Probleme und Fragen bei der Umsetzung der Richtlinie diskutiert. Eine Sitzung fand am 16. Mai 2007 statt.

Unter Transposition findet sich eine Übersicht zum derzeitigen Stand der Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung in anderen Länndern.

Weblinks

Materialien

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