Volkszaehlung/boykottrecht ss 30/88 - 1 ws 7/88

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Aufruf zum Entfernen der Kennziffern auf Volkszählungsbögen

StGB §§ 111, 303; VZG 1987 § 13; BStatG § 23

Das Abschneiden der Kennummer eines Volkszählungsbo-gens ist eine Sachbeschädigung nach § 303 StGB. Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften zu einem solchen Verhalten auffordert, erfüllt den Tatbestand des § 111 StGB.

OLG Köln, Urt. v. 23. 2. i988 - Ss 30/88 - l Ws 7/88

Zum Sachverhalt:

Der Angekl. ist als sogenannter .Volkszählungsgegner' zu bezeichnen und versuchte, durch verschiedene Aktivitäten die Volkszählung 1987 zu boykottieren. Zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt, jedenfalls im April 1987 oder davor, verfaßte der Angekl. zusammen mit anderen den Aufruf ,Vorsicht Volkszählung'. In diesem Aufruf heißt es unter anderem: ,Nach einiger Zeit werden sie dann den Bogen per Post bekommen. Dann sollten Sie die Heftnummer (oben rechts) abschneiden und den Bogen ohne Heftnummer an das Büro der Volkszählungsgegner . .. schik-ken.' Des weiteren heißt es dort: ,Wer will, kann, so das Volkszählungsgesetz, die Bögen im Freiumschlag an die Erhebungsstelle zurücksenden. Wer sich an der Volkszählung nicht beteiligt, den rufen die Boykottinitiativen auf, ihren Fragebogen bei der Örtlichen Initiative abzuliefern, nachdem sie ihn durch Abschneiden anonymisiert haben.'

Das AG hat dieses Verhalten nur als fahrlässige Ordnungswidrigkeit nach § 116 OWiG i. V. mit § 23 BStatG gewertet. Eine öffentliche Aufforderung zur Sachbeschädigung (§§111, 303 StGB) hat das AG verneint. Nach seiner Auffassung beinhaltet der Aufruf zum Abschneiden der Kennummern der Volkszähiungsbögen keine Aufforderung zur Sachbeschädigung. Der Angekl. habe nur zum Anonymi-sieren leerer Fragebögen aufgerufen. Solchen Bögen komme weder ein Sach- noch ein Gebrauchswert zu.

Hiergegen richtete sich die Revision der StA, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügte. Das Rechtsmittel hatte - vorläufigen - Erfolg.

Aus den Gründen:

Das AG hat den Tatbestand einer öffentlichen Aufforderung zur Sachbeschädigung (§§ 111, 303 StGB) aus Rechtsgründen verneint. Die hierzu angestellten Erwägungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Nach den Urteilsfeststellungen käme der objektive Tatbestand einer Aufforderung zur Sachbeschädigung (§§ 111, 303 StGB) in Betracht.

Eine „Aufforderung" ist die über eine bloße Befürwortung hinausgehende Erklärung etwas zu tun oder lassen zu sollen (BGHSt2S, 314; 32, 310 = NJW 1984,. 1631; KG, StrVert 1981, 526; OLG Köln, MDR 1983, 338; Dreher-Trondle, StGB, 43. Aufl., §111 Rdnr. 2; Lackner, StGB, 16. Aufl., §111 An-m. 3a). Dem angefochtenen Urteil ist eindeutig zu entnehmen, daß es dem Angekl. darum ging, die Bürger zu dem in den Flugblättern propagierten Verhalten zu veranlassen.

Das verlangte Abschneiden der Kennummer erfüllt den objektiven Tatbestand einer Sachbeschädigung. Volkszählungsbögen sind für die befragten Bürger fremde Sachen. Mit der Aushändigung werden die Bögen den Empfängern nicht übereignet, sondern - entsprechend ihrer Zweckbestimmung - nur für einen kurzen Zeitraum zur Ausfüllung überlassen (OLG Celle, NJW 1988, 1101 [in diesem Heft]; LG Bonn, NJW 1987, 2825; LG Koblenz, NJW 1987, 2828 = StrVert 1987, 443; LG Trier, NJW 1987, 2826 [2827]; LG Osnabrück, StrVert 1987, 398 [399]; LG Lübeck, StrVert 1987, 298; Engelage, NJW 1987, 2801).

Zu den durch § 303 StGB geschützten Sachen gehören nur solche, an denen der Berechtigte zumindest ein Gebrauchs- oder Affektionsinteresse hat, einen wirtschaftlichen Wert brauchen sie hingegen nicht zu besitzen (RGSt 10, 120 [122]; OLG Celle, NJW 1988, 1101; Wolff, in: LK, 10. Aufl., § 303 Rdnr. 2; Dreher-Trönd-le, StGB, 43. Aufl., §303 Rdnr. 2; Stree, in: Schonke-Schröder, StGB, 22. Aufl., § 303 Rdnr. 3).

Ob Volkszählungsbögen ein Gebrauchswert zukommt, ist in der bisher veröffentlichten Rechtsprechung umstritten. Soweit ersichtlich wird als mögliche Sachbeschädigung nur das Abschneiden der Kennummer unausgefüllter Bögen erörtert. Bei dieser Fallkonstellation konzentriert sich der Strait auf die Frage, ob „leeren" Volkszählungsbögen ein Gebrauchwert zukommt (so Engelage, NIW 1987, 2802; LG Bonn, NJW 1987, 2825 [2826]; LG Trier, NJW 1987, 2826 [2827]; im Ergebnis ebenso OLG Celle, NJW 1988, 1101 [in diesem Heft]) oder ob sie in jeder Hinsicht völlig wertlos sind und damit auf dem Schutzbereich des § 303 StGB herausfaUen (so LG Lübeck, StrVert 1987, 298; LG Osnabrück, StrVert 1987, 398 [399]; LG Göttingen, NStZ 1987, 557 [558]; LG Koblenz, NJW 1987, 2828 = StrVert 1987, 443; AG Hannover, StrVert 1987, 444 [445]). Dieser- Meinung hat sich offenbar auch das AG im vorliegenden Fall angeschlossen. Nach Auffassung des Senats ist schon bei unausgefüllten Volkszählungsbögen ein Gebrauchswert zu bejahen.

Zur Durchführung der Volkszählung mußte ein Verfahren entwickelt werden, das die Volkszähligkeit der Erhebung sicherstellt, eine elektronische Auswertung der Daten ermöglicht und die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz des Rechts auf informationeile Selbstbestimmung enthält. Hierfür sind die entwickelten Erhebungsvordrucke unerläßliche Hilfsmittel. Für jeden Haushalt wird eine individuelle Heftnummer vergeben. Sie dient nicht nur der Rücklaufkontrolle, sondern stellt auch den statistischen Zusammenhang zwischen den Personen und ihren Angaben her, was für eventuelle Rückfragen von Bedeutung sein kann. Schließlich werden die'Heftrmmmem benötigt, um bei der späteren Auswertung regional beschränkte Daten zu gewinnen (vgl. zum Vorstehenden Engelage, NJW 1987, 2802). Jeder Fragebogen ist daher - anders ein gewöhnliches Formular- ein „Unikat" (Engelage, NJW 1987, 2801). Die Angaben eines Bürgers sind daher nur dann verwertbar, wenn sie — von ihm selbst bei schriftlicher Auskunftserteilung oder durch den Zähler bei mündlicher Auskunftserteilung nach § 13 II VZG - in einem derart individualisierten Fragebogen fixiert werden. Ohne einen solchen Fragebogen kann daher der befragte Bürger seiner Verpflichtung aus dem Volkszählungsgesetz nicht nachkommen. Wird der ursprünglich ausgeteilte Bogen vernichtet, muß ein neuer individalisierter Bogen von der Verwaltungsbehörde angelegt werden.

Auch die Gegenauffassung stellt die vorstehend beschriebene Funktion der Volkszählungsbögen und ihre Bedeutung für die Durchführung der Volkszählung nicht in Frage. Ihr abweichendes Ergebnis begründet sie im wesentlichen mit der Erwägung, ein Interesse der Verwaltungsbehörde am Erhalt eines „leeren" Bogen bestehe nicht (LG Lübeck, StrVert 1987, 298; LG Osnabrück, StrVert 1987, 398 [399]; AG Hannover, StrVert 1987, 444 [445]; LG Koblenz, NJW 1987, 2828 = StrVert 1987, 443; LG Göttingen, NStZ 1987, 557 [558]). In den Händen eines „Volks-zählungsboykotteurs" sei der unausgefullte Bogen wertlos. Wenn der Adressat nicht gewillt sei, die erforderlichen Angaben zu machen, werde der Funktionswert des Bogens „nicht erst durch das Abtrennen der Kennummer, sondern bereits durch den Verstoß gegen die Auskunftspflicht nach § 12 VZG beseitigt" (LG Göttingen, NStZ 1987, 558; ähnlich LG Koblenz, NJW 1987, 2828 = StrVert 1987, 443). Zur Ermittlung des Boykotteurs und zur Durchführung des anschließenden Heranziehungsverfahrens werde der Bogen nicht benötigt, da sich der Boykott bereits aus der Nichtrücksendung ergebe, und im folgenden Verwaltungsverfahren ohnehin ein neuer Bogen zugestellt werden müsse (LG Göttingen, NStZ 1987, 558; LG Osnabrück, StrVert 1987, 399; AG Hannover, StrVert 1987, 444 [445]; LG Lübeck, StrVert 1987, 298).

Diese Argumentation überzeugt nicht. Die Behörde dürfte schon deswegen ein Erhaltungsinteresse haben, um zusätzlichen Verwaltungsaufwand zur Herstellung eines neuen Bogens zu ersparen. Abgesehen davon haben die Behörden aber auch ein positives Interesse an der unverzüglichen Erfüllung der Auskunftspflicht. Jedenfalls deswegen ist ein Interesse am Erhalt der Volkszählungsbögen zu bejahen.

Der Bürger ist nach dem Volkszählungsgesetz zur Auskunft verpflichtet und zwar schon innerhalb der Frist des § 13 IV VZG. Die Behörde erwartet, daß diese Verpflichtung erfüllt wird. Sie hat kein Interesse daran, einen leeren Bogen zurückzubekommen, sondern einen ausgefüllten. Eine ordnungsgemäße und fristgerechte Erfüllung der Auskunftspflicht setzt aber den Fortbestand des Fragebogens voraus. Daher besteht auch ein Interesse der Behörde daran, seinen Gebrauchwert zu erhalten. Dies wird kaum zu bezweifeln sein für den Fall, daß nicht der Auskunfts-pflichtige, sondern ein Dritter den Fragebogen zerstört, etwa um einem auskunftswilligen Bürger die Auskunft unmöglich zu machen. Es wäre lebensfremd anzunehmen, dieser Vorgang wäre der Behörde gleichgültig, weil ja immer noch die Möglichkeit besteht, einen neuen Bogen zu versenden. Wenn der Auskunftspflichtige den Bogen beschädigt, ist die Situation nicht anders. Das Interesse der Behörde geht dahin, von jedem Auskunftspflichtigen die erbetenen Angaben zu erhalten, ohne Rücksicht auf seine innere Einstellung zur Volkszählung. Keinem Befragten soll die Auskunftserteilung von vornherein unmöglich gemacht werden.

Die abweichenden Entscheidungen lassen das Erfüllungsinteresse der Behörden völlig außer Betracht. Sie nehmen ihm jede Bedeutung, indem sie die Verweigerung der verlangten Angaben von vornherein in ihre Wertung einbeziehen und ihr dadurch rechtliche Relevanz zuerkennen. Der Wert der Volkszählungsbögen ist jedoch vof dem Hintergrund des gesetzlich gebotenen Verhaltens zu beurteilen und nicht unter Zugrundelegung mögli-eher Pflichtverstöße. Die subjektive Einstellung des Empfängers spielt für die rechtliche Wertung seines Verhaltens keine Rolle., Der Wille zum Boykott beseitigt weder die Pflicht .zur fristgerechten Auskunft noch das Interesse der Behörde an ihrer Erfüllung. Für einen „Boykotteur" gelten die gleichen Pflichten und Verbote wie für einen Auskunftswilligen. Auch er muß seiner Auskunftspflicht rechtzeitig nachkommen und darf die zur ordnungsgemäßen Erfüllung notwendigen Sachen nicht zerstören. Er hat es nicht in der Hand, durch eine rechtsfeindliche Einstellung des Verfahrens bis zur Einleitung eines förmlichen Verwaltungsverfahrens zum rechtlich unverbindlichen „Verlauf herabzustufen (im Ergebnis ebenso OLG Celle, NJW 1988, 1101 [in diesem Heft]).

Aus der „Verordnung über die Durchführung des Volkszählungsgesetzes 1987 und die Bestimmung der Erhebungsstellen" des Landes Nordrhein-Westfalen (DV VZG 87 NRW) vom 8. 7. 1986 (GVB1, S. 536), geändert durch die Verordnung vom 17. 2. 1987 (GVB1, S. 66) kann nichts anderes hergeleitet'werden. Nach § 6 I DV VZG 87 NRW ist es unter anderem Aufgabe der Erhebungsstelle ,,Auskunftspflichtigen, die die Angaben verweigern, schriftlich die Rechtslage zu erläutern und sie durch Heranziehungsbescheid nochmals zur Erfüllugn der Auskunftspflicht aufzufordern" und „bei erneuter Auskunftsverweigerung die nach § 9 ... [zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten] . . . zuständige Stelle über den Sachverhalt zu unterrichten". Diese Anweisung geht zwar davon aus, daß Bürger, die der Aufforderung durch die Zähler nicht nachgekommen sind, nochmals förmlich zur Auskunftserteilung herangezogen werden, bevor Zwangsmaßnahmen gegen sie eingeleitet werden. Diese Handhabung beruht aber ersichtlich auf Zweckmäßigkeitserwägungen. Zwangsmaßnahmen sollen erst nach einem Heranziehungsbescheid eingeleitet werden, wenn der Zugang des Volkszählungs-bogens und die Auskunftsverweigerung nachgewiesen sind. Die ändert aber nichts daran, daß nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut (vgl. insbesondere § 13 IV VZG) die Auskunftspflicht schon früher zu erfüllen ist, und demgemäß auch ein entsprechendes Erflillungsinteresse der Behörden besteht. Daß später in einem förmlichen Heranziehungsverfahren ein neuer Fragebogen angefertigt werden müßte, kann den Unrechtsgehalt der Vernichtung in einem früheren Stadium nicht beseitigen (im Ergebnis ebenso OLG Gelle, NJW 1988, 1101 [in diesem Heft]).

Nach den Urteilsfeststellungen sollte im vorhegenden Fall übrigens der „per Post" übersandte Bogen anonymisiert werden. Dies wäre wohl der im förmlichen Heranziehungsverfahren zugestellte Erhebungsvordruck und nicht mehr der „erste" Fragebogen. Wenn man mit dem AG auch die Vernichtung weiterer Fragebögen für straflos hielte, käme man zu dem seltsamen Ergebnis, daß ein Volkszählungsgegner straflos jeden Erhebungsvordruck vernichten könnte und lediglich für die hierdurch bedingte Verzögerung der Auskunftserteilung zu belangen wäre.

Auch die tatsächliche Prämisse der GegenaufFassung ist nicht überzeugend. Sie setzt stillschweigend voraus, daß jeder, der die Kennziffer des Bogens abschneide, ein „Volkszählungsboykotteur" sei der seiner Auskunftspflicht ohnehin nicht nachkommen wolle und werde. Dies ist schon deshalb nicht sachgerecht, weil sich die Aufforderungen in Flugblättern ja gerade nicht an Mitbürger richten, die ohnehin zum Boykott entschlossen sind, Der zu allem entschlossene Boykotteur dürfte nicht zur „Zielgruppe" gehören, die mit den Flugblättern angesprochen werden soll. Er erreicht sein Ziel durch ein einfaches Einbehalten des Bogens und handelt schon damit im Sinne der Volkszählungsgegner. Ihn noch zu einem zusätzlichen Abschneiden der Kennummer aufzufordern wäre sinnlos. Sofern das AG (ebenso LG Göttingen, NStZ 1987, 557 [558]) ausführt, der Funktionswert werde „bereits" durch den Verstoß gegen,die Auskunftspflicht beseitigt, geht es von einem Geschehnsablauf aus, der nicht den Intentionen der Flugblattverfasser entsprechen dürfte. Wann ein „Verstoß gegen die Auskunftspflicht" vollendet sein soll, läßt sich den jeweiligen Begründungen nicht entnehmen. Der Zeitpunkt kann — bei, Vernichtung des „ersten" Fragebogens sicher nicht vor Ablauf der Rückgabefrist liegen. Ziel der Aufforderungen dürfte es hingegen sein, eine sofortige Anonymisierung der Volkszählungsbögen zu erreichen, jedenfalls eine Anonymisierung vor Ablauf der Rückgabefrist. Ein Abschneiden der Kennummer zu einem Zeitpunkt, wo das Heranziehungsverfahren ohnehin eingeleitet ist oder unmittelbar bevorsteht, ergibt aus der Sicht der Volkszählungsgegner keine Sinn. Adressaten des Aufrufs dürften in erster Linie diejenigen sein, die noch schwankend sind, ob sie ihren Verpflichtungen aus dem Volkszählungsgesetz nachkommen sollen. Ihnen wird durch das Abschneiden eine Erfüllung der Auskunftspflicht und damit eine Umkehr -jedenfalls zunächst — unmöglich gemacht. Bei der Vernichtung des im Heranziehungsverfahren übersandten Fragebogens, über die offenbar das AG zu befinden hatte, ist der Zeitpunkt vollends unklar.

Selbst in den Händen eines ,,Volkszählungsboykotteurs" könnte den Volkszählungsbögen ein Gebrauchwert nicht abgesprochen werden. Wie das LG Bonn zutreffend ausführt (LG Bonn, NJW 1987, 2826), wäre immerhin ein späterer Sinneswan-del in Betracht zu ziehen. Kann aber nicht von einer abschließenden Willensbildung ausgegangen werden, so muß ein Erhaltungsinteresse der Behörde schon deshalb bejaht werden, um dem Bürger die Möglichkeit zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Verpflichtunge zu erhalten.

Die Volkszählungsbögen sind damit durch § 303 StGB geschützte Sachen. Durch das Abschneiden der Kennummer werden sie in ihrer Brauchbarkeit erheblich beeinträchtigt, denn es führt dazu, daß sie ihre Funktion nicht mehr erfüllen können.

Der Umstand, daß ein befragter Bürger einen vermehrten Verwaltungsaufwand der Behörde auch durch die schlichte Auskunftsverweigerung auslösen kann, die ihrerseits als Ordnungswidrigkeit nur mit einem Bußgeld geahndet werden kann, ist für die rechtliche Beurteilung ohne Bedeutung. § 23 BStatG ist nicht lex spezialis gegenüber § 303 StGB. Formal knüpfen beide Tatbestände an völlig unterschiedliche Verhaltensweisen an. § 23 BStatG bedroht ausschließlich eine nicht fristgerechte Auskunftserteilung oder die Verweigerung der Auskunft überhaupt mit einem Bußgeld. Andere Verhaltensweisen sind dort nicht erfaßt. Diese Regelung unterstreicht die Bedeutung der Auskunftspflicht, indem sie (schon) ihre Verletzung durch eine schlichte Untätigkeit mit einer Sanktionsdrohung belegt. Aus dieser (zusätzlichen) Sanktionsdrohung kann nicht der Schluß gezogen werden, alle weitergehenden — ohnehin nach den allgemeinen Bestimmungen strafbaren - Verhaltensweisen sollten im.Rahmen der Auskunftserteilung zu Ordnungswidrigkeiten herabgestuft werden ebensowenig wie aus einem Verzicht des Gesetzgebers auf eine Sanktionsdrohung überhaupt die Unanwendbarkeit der allgemeinen Strafgesetze abgeleitet werden könnte. Wenn sich im konkreten Einzelfall der Unrechtsgehalt der Straftat dem einer Ordnungswidrigkeit annähert, hat das nur im Rahmen der Strafzumessung Bedeutung (im Ergebnis ebenso OLG Celle, NJW 1988, 1101 [in diesem Heft]).

Ein Rechtfertigungsgrund ist ebenfalls nicht ersichtlich (Zur Verfassungsmäßigkeit des Volkszählungsgesetzes 1987 vgl. BVerfG, NJW 1987, 1689; 1987, 2805 ff.; VGH München, NJW 1987, 2831; VGH Mannheim, NJW 1987, 2833; OVG Lüneburg, NJW 1987, 2834; OVG Koblenz, NJW 1987, 2533; OLG Celle, NJW 1988, 1101 [in diesem Heft])"

Der Straftatbestand der §§111, 303 StGB konnte daher nicht mit der Begründung des AG abgelehnt werden. Dieser Rechtsfehler fuhrt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache. Eine abschließende Entscheidung zum Schuld-Spruch ist dem Senat verwehrt. Da das AG den objektiven Tatbestand schon wegen fehlenden Gebrauchwertes der Volkszählungsbögen verneint, hat es zu den übrigen Tatbestandsmerkmalen keine Feststellungen mehr getroffen. Außerdem sind die Erwägungen zum subjektiven Tatbestand und zu einem eventuellen Verbotsirrtum nur hypothetisch und erlauben keine abschließende Beurteilung. Insoweit wird es neuer Feststellung bedüffen. Auf der Basis der vom AG getroffenen Feststellungen dürften aber sowohl der Vorsatz als auch das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit vorgelegen haben.

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