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− | Offener Brief an den Bundesdatenschutzbeauftragten, Herrn Peter Schaar.
| + | Sehr geehrter Herr Schaar, |
− | (Version: 0.1 vom 03.03.2007)
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| + | mit großem Erstaunen und einigem Entsetzen haben wir zur Kenntnis genommen, dass Sie die generelle Speicherung von IP-Adressen über das Ende der jeweiligen Verbindung hinaus für die Dauer von sieben Tagen akzeptieren und für rechtskonform halten. Konkret behaupten Sie, die pauschale Speicherung der Internet-Verbindungsdaten von Privat-, Firmen- und institutionellen Kunden, also auch von Berufsgeheimnisträgern wie Journalisten, Seelsorgern und Anwälten, sei "zur Missbrauchseingrenzung" und zum Schutz "gegen unerlaubte Zugriffe beziehungsweise äußere Angriffe" statthaft. |
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| + | Diese Aussage steht in klarem Widerspruch zur Entscheidung des Landgerichts Darmstadt vom 07.12.2005 (Az. 25 S 118/2005), die mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 26.10.2006 (Az. III ZR 40/06) rechtskräftig geworden ist. Danach ist eine pauschale Speicherung von Verbindungsdaten einzig und allein zum Zwecke der Abrechnung erlaubt. Bei „Flatrate“-Kunden sind Verbindungsdaten nie abrechnungsrelevant. Nur im Einzelfall darf der Zugangsanbieter die Verbindungsdaten zur Eigensicherung speichern. |
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− | Sehr geehrter Herr Schaar.
| + | Eine siebentägige Vorratsspeicherung von IP-Adressen ermöglicht es in Verbindung mit Server-Protokolldateien, das Nutzungsverhalten sämtlicher Internetnutzer minutiös nachzuvollziehen. Vergleichbares ist außerhalb des Internet überhaupt nicht möglich. Eine siebentägige Vorratsspeicherung bedeutet, dass etwa staatskritische Meinungsäußerungen oder die Übersendung staatsbezogener Informationen an die Presse stets nur unter der Gefahr anschließender staatlicher Repressalien erfolgen kann. Vor allem betrifft eine (auch siebentägige) Vorratsspeicherung zu über 99% Personen, die zu einer Protokollierung ihres Informations- und Kommunikationsverhaltens keinerlei Anlass gegeben haben. Eine anlassbezogene Speicherung im Einzelfall ist zur Missbraucheingrenzung und für die anderen angeführten Zwecke völlig ausreichend, es besteht keine Notwendigkeit einer pauschalen Speicherung für die genannten Zwecke. |
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− | mit großem Erstaunen und Entsetzen haben wir, der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, Ihre Äußerung der Redaktion von Heise Online gegenüber vom 26.02.2007 gelesen, in der Sie eine Speicherung von Verbindungsdaten über 7 Tage nach Rechnungsversand hinaus akzeptieren und für angeblich rechtskonform erklären.
| + | Wir schätzen Ihre Arbeit als Bundesbeauftragter für den Datenschutz sehr und haben großen Respekt davor. Im Hinblick auf die große Verantwortung, die Sie als Bundesdatenschutzbeauftragter tragen, appellieren wir an Sie, jeder verdachtsunabhängigen Speicherung von Kommunikations- und Verbindungsdaten, die der grundgesetzlich geschützten Sphäre privater Lebensführung zuzurechnen sind, unabhängig von der Dauer der Speicherung entschieden entgegen zu treten. |
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− | Konkret behaupten Sie, die Speicherung von Internet-Verbindungsdaten von Privat-, Firmen- und institutionellen Kunden, also auch von Berufgeheimnisträgern, wie beispielsweise Journalisten, Seelsorgern und Anwälten, sei aufgrund der §§ 96, 97 und 100 des Telekommunikationsgesetzes Zwecke des Selbstschutzes von Internetzugangsanbieter statthaft.
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− | Bei allem Respekt, diese Aussage steht in einem krassen Widerspruch zur Entscheidung des Landgerichts Darmstadt vom 07.12.2005 (AZ 25 S 118/2005), welches mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 26.10.2006 (AZ III ZR 40/06) rechtskräftig wurde: ein pauschale Speicherung von Verbindungsdaten ist hiernach einzig und allein zum Zwecke der Abrechnung erlaubt, was bei „Flatrate“-Kunden prinzipiell nicht der Fall sein kann. Nur im Einzelfall (!) darf der Zugangsanbieter die Verbindungsdaten zur Eigensicherung speichern.
| + | Mit freundlichen Grüßen, |
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− | Wir sind auch deshalb erstaunt, weil Sie selbst, Herr Schaar, zu eben diesem genannten Verfahren an das Landgericht Darmstadt schrieben: „Bei einer vollständigen [...] Flatrate [...] ist erst recht eine Speicherung der Verkehrsdaten inklusive der IP-Adresse für Abrechnungszwecke nicht erforderlich und somit unzulässig." und: "Ein vorsorgliches Speichern von Verkehrsdaten aller Kunden zum Zwecke des Nachweises oder der Verhinderung eines möglicherweise stattfinden Mißbrauchs ist [...] unzulässig."
| + | Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung |
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− | Die Praxis deutscher Zugangsanbieter, Verbindungsdaten zu speichern, ist somit im Falle von Flatrates eindeutig illegal und somit justiziabel. Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung hält eine Musterklage hierfür bereit.
| + | [[Kategorie:Offene Briefe]] |
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− | Sie verstehen sicherlich, dass man sich fragen muß, ob und warum Sie sich mit ihrer aktuellen Äußerung geirrt haben. Wir schätzen Ihre Arbeit ansonsten sehr und haben großen Respekt vor Ihnen und auch Ihrer Kollegen auf Landesebene. Sie haben keinen einfachen Stand, wir beneiden Sie nicht um Ihre Aufgabe, aber wir appellieren an die große Verantwortung, die Sie als Bundesdatenschutzbeauftragter tragen müssen.
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− | Natürlich kann und darf man sich einmal irren, natürlich machen Menschen Fehler, auch Bundesdatenschutzbeauftragte, weshalb wir Sie bitten möchten, Ihre aktuelle Äußerung zu widerrufen und sämtliche Bestrebungen von verdachtsunabhängiger Speicherung von Kommunikations- und Verbindungsdaten, welche der grundgesetzlich geschützten Sphäre privater Lebensführung zuzurechnen sind, auf das Schärfste zu verurteilen.
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− | Eine pauschale Speicherung von Daten aller Bundesbürger (oder wenigstens aller Benutzer von Telefon, Handy und Internet), wie im Falle der Vorratsdatenspeicherung, stellt eine große Gefahr für den Rechtsstaat dar, für die Freiheit unseres Landes und seiner Bürger, für unsere Nation an sich.
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− | Auch einem Laien, dem einfachen Mann auf der Strasse, sollte klar sein: man überwacht nur Menschen, die man eines Verbrechens verdächtigt. Unverdächtige brauchen nicht überwacht zu werden; wenn man nun aber jeden ausnahmslos überwacht, muß dies ja heißen, dass jeder verdächtig ist.
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− | Diese Auffassung ist natürlich nicht mit den Grundsätzen unseres Rechtsstaates vereinbar, wonach niemand vorverurteilt werden darf, aber genau darauf laufen die Speicherung der Umstände privater Kommunikation, aber auch beispielsweise die geplante Zwangsabgabe von Fingerabdrücken aller (!) Bundesbürger im geplanten neuen Passgesetz, die (Wieder-) Einführung zentraler Melderegister oder die ausufernde, flächendeckende Videoüberwachung des öffentlichen Raumes hinaus: wir alle sind verdächtig, wir alle sind potenzielle Verbrecher und Schwerkriminelle.
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− | Sind wir das? Darf der Staat Maßnahmen und Gesetze vorantreiben, die die Verdächtigung jedes Bundesbürgers stützen? Muss nicht die Politik und natürlich gerade der Bundesdatenschutzbeauftragte uns vor solchen Gesetzen und Maßnahmen schützen und alles Menschenmögliche tun, um unsere Freiheit, unseren Staat, unsere Rechtsordnung vor derart gefährlichen Angriffen zu schützen?
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− | Wir sollten uns immer wieder vor Augen führen, warum das Grundgesetz so gestaltet ist, dass es den Bürger nicht zuletzt auch vor dem Staat schützen soll: das Grundgesetz, die ideelle und ethische Basis unseres Staates, ist das Ergebnis der Lehre des finstersten Kapitels deutscher Geschichte: des Terrorregimes des „3. Reiches“, des Holocaust, der Ermordung von unzähligen Millionen unschuldiger Menschen.
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− | So einzigartig die Verbrechen unter dem Hakenkreuz waren, unser Grundgesetz soll uns in alle Ewigkeit davor bewahren, dass diese Verbrechen sich auch nur ansatzweise wiederholen können. Das Grundgesetz soll sakrosankt sein und ewig gelten, um uns alle zu schützen – dazu dienen das Verbot pauschaler Datensammlung, das Verbot zentraler Melderegister und die Grenzen polizeilicher Strafverfolgung.
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− | Denn Datenschutz bzw. Grundrechteschutz bedeutet niemals „Täterschutz“, sondern Schutz vor Repression, auch vor politischer Verfolgung. Datenschutz ist für die Freiheit der Presse, für die Freiheit der Rede, für den Schutz von seelsorgerischer, ärztlicher oder anwaltlicher Tätigkeit, aber auch für jeden einzelnen Bürger unerlässlich, wenn er aktiv Demokratie mitgestaltet soll.
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− | Der Schutz des Bürgers vor Überwachung, vor dem „Staatsapparat“ selbst, ist eine Maßnahme, die letztenendes dem Schutze des Staates dient, denn nur freie Bürger können einen freien Staat garantieren.
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− | Dafür kämpft der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, der von mittlerweile über 30 Berufsverbänden, Bürger- und Menschenrechtsorganisationen, sowie von tausenden Bürgern (über 11.000 haben bisher schon die geplante Verfassungsbeschwerde gegen die drohende Vorratsdatenspeicherung unterschrieben) unterstützt wird.
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− | Und dafür sollte auch der Bundesdatenschutzbeauftragte kämpfen - damit sich die Vergangenheit nicht wiederholt, damit Deutschland ein freies Land für alle Bürger bleibt!
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− | i.A. Ricardo Cristof Remmert-Fontes, Berlin
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− | Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung
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− | (http://www.vorratsdatenspeicherung.de)
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− | Mitunterzeichner:
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Sehr geehrter Herr Schaar,
mit großem Erstaunen und einigem Entsetzen haben wir zur Kenntnis genommen, dass Sie die generelle Speicherung von IP-Adressen über das Ende der jeweiligen Verbindung hinaus für die Dauer von sieben Tagen akzeptieren und für rechtskonform halten. Konkret behaupten Sie, die pauschale Speicherung der Internet-Verbindungsdaten von Privat-, Firmen- und institutionellen Kunden, also auch von Berufsgeheimnisträgern wie Journalisten, Seelsorgern und Anwälten, sei "zur Missbrauchseingrenzung" und zum Schutz "gegen unerlaubte Zugriffe beziehungsweise äußere Angriffe" statthaft.
Diese Aussage steht in klarem Widerspruch zur Entscheidung des Landgerichts Darmstadt vom 07.12.2005 (Az. 25 S 118/2005), die mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 26.10.2006 (Az. III ZR 40/06) rechtskräftig geworden ist. Danach ist eine pauschale Speicherung von Verbindungsdaten einzig und allein zum Zwecke der Abrechnung erlaubt. Bei „Flatrate“-Kunden sind Verbindungsdaten nie abrechnungsrelevant. Nur im Einzelfall darf der Zugangsanbieter die Verbindungsdaten zur Eigensicherung speichern.
Eine siebentägige Vorratsspeicherung von IP-Adressen ermöglicht es in Verbindung mit Server-Protokolldateien, das Nutzungsverhalten sämtlicher Internetnutzer minutiös nachzuvollziehen. Vergleichbares ist außerhalb des Internet überhaupt nicht möglich. Eine siebentägige Vorratsspeicherung bedeutet, dass etwa staatskritische Meinungsäußerungen oder die Übersendung staatsbezogener Informationen an die Presse stets nur unter der Gefahr anschließender staatlicher Repressalien erfolgen kann. Vor allem betrifft eine (auch siebentägige) Vorratsspeicherung zu über 99% Personen, die zu einer Protokollierung ihres Informations- und Kommunikationsverhaltens keinerlei Anlass gegeben haben. Eine anlassbezogene Speicherung im Einzelfall ist zur Missbraucheingrenzung und für die anderen angeführten Zwecke völlig ausreichend, es besteht keine Notwendigkeit einer pauschalen Speicherung für die genannten Zwecke.
Wir schätzen Ihre Arbeit als Bundesbeauftragter für den Datenschutz sehr und haben großen Respekt davor. Im Hinblick auf die große Verantwortung, die Sie als Bundesdatenschutzbeauftragter tragen, appellieren wir an Sie, jeder verdachtsunabhängigen Speicherung von Kommunikations- und Verbindungsdaten, die der grundgesetzlich geschützten Sphäre privater Lebensführung zuzurechnen sind, unabhängig von der Dauer der Speicherung entschieden entgegen zu treten.
Mit freundlichen Grüßen,
Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung