Position von Dr. Heinrich Leonhard Kolb
16.04.2010
Antwort
From: "Heinrich L. Kolb" <<enkode>heinrich.kolb@bundestag.de</enkode>>
To: <<enkode>mmanns@websicherheit.org</enkode>>
Subject: AW: Vorratsdatenspeicherung und Bedenken
Date: Fri, 16 Apr 2010 11:47:25 +0200
X-Mailer: Microsoft Outlook, Build 10.0.6856
Sehr geehrter Herr Manns!
Vielen Dank für Ihr Schreiben zur Vorratsdatenspeicherung.
Die FDP-Bundestagsfraktion hat die Vorratsdatenspeicherung stets abgelehnt.
Sie hat daher im Bundestag gegen das von der schwarz-roten
Regierungskoalition in der vergangenen Legislaturperiode beschlossene Gesetz
zur Umsetzung der Vorratsda-tenspeicherung gestimmt. Ebenso hat sich die FDP
schon frühzeitig dafür stark ge-macht, dass die Bundesregierung in Brüssel
eine entsprechende Richtlinie ablehnt. Dennoch hat die damalige
Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) der Richtlinie im Rat zugestimmt.
Die FDP-Bundestagsfraktion hat bereits deutlich erklärt, dass es nun keinen
Automa-tismus für eine schnellstmögliche Umsetzung des geltenden EU-Rechts
bis an die vom Bundesverfassungsgericht gezogenen äußersten Grenzen des
Grundgesetzes gibt.
Das Bundesverfassungsgericht hat die rote Linie aufgezeigt. Diese letzte
Grenze darf aber nicht die Richtschnur für die Gesetzgebung sein, sondern
Richtschnur muss die Achtung der Grundrechte in größtmöglichem Maße sein.
Die FDP-Bundestagsfraktion wird nur eine Politik mittragen, die sich daran
orientiert, Gesetze möglichst grundrechtsfreundlich zu gestalten. Einer
Politik, die sich daran orientiert, bis zur gerade eben noch möglichen
verfassungsrechtlichen Grenze und oft genug darüber hinaus zu gehen,
findet hingegen nicht unsere Zustimmung.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung, das
auch die Klägerinnen und Kläger aus den Reihen der FDP-Bundestagsfraktion
wie Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Gisela Piltz, Dr. Hermann Otto Solms
oder Johannes Vogel, erstritten haben, gibt Anlass, nun erst recht die
Forderung der FDP aus dem Bundestagswahlprogramm umzusetzen, und auf
europäischer Ebene eine Änderung der Rechtslage herbeizuführen. Die
Grundrechte, die in Europa mit dem Vertrag von Lissabon gestärkt wurden,
können auch auf EU-Ebene nicht unberücksichtigt blei-ben. Vielmehr muss die
Vorratsdaten-Richtlinie jetzt umgehend auf den Prüfstand, zumal acht
Mitgliedsstaaten diese ohnehin noch nicht umgesetzt haben. Wir begrü-ßen
daher die Ankündigung der EU-Kommissarin Cecilia Malmström, dass die
Kom-mission diese Prüfung umgehen angehen werde.
Darüber hinaus muss auf nationaler Ebene auch bei einer Umsetzung zwingenden
europäischen Rechts genau geprüft werden, in welchem Rahmen eine
Vorratsdaten-speicherung überhaupt noch möglich sein kann, ohne das
Grundgesetz zu verletzen. Hier muss über die Erhebung und Speicherung ebenso
wie über die Frage der Nut-zung wofür und durch wen genau beraten werden.
Auch muss die Sicherheit von Da-ten, sofern diese überhaupt erhoben werden,
gewährleistet sein; dies hat das Bun-desverfassungsgericht deutlich
klargestellt.
Das Urteil gibt zudem Anlass, auch andere Datenspeicherungen auf den
Prüfstand zu stellen. Zudem muss gerade der Aspekt der Datensicherheit bei
jeglichen Daten-sammlungen, insbesondere bei solchen, die staatlich
veranlasst oder durchgeführt werden, beachtet werden. Dies bedeutet, dass
unter beiden Gesichtspunkten bei-spielsweise der Elektronische
Entgeltnachweise (ELENA) oder die Fluggastdaten-übermittlung einer
neuerlichen Prüfung bedürfen. Die von der FDP-Bundestagsfraktion in diesem
Zusammenhang schon in der Vergangenheit geäußer-ten Bedenken sind durch das
Urteil des Bundesverfassungsgerichts gestärkt worden.
Sie können daher gewiss sein, dass die FDP-Bundestagsfraktion wie schon
mehr-fach öffentlich deutlich gemacht Ihr Anliegen, den Datenschutz in
Deutschland zu stärken und eine grundrechtsfreundliche Politik umzusetzen,
teilt.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Heinrich L. Kolb
Ursprüngliche Nachricht
Von: <enkode>mmanns@websicherheit.org</enkode>
Gesendet: Dienstag, 16. März 2010 13:39
An: <enkode>Heinrich.Kolb@Bundestag.de</enkode>
Betreff: Vorratsdatenspeicherung und Bedenken
Sehr geehrter Herr Dr. Kolb,
nachdem das Bundesverfassungsgericht die Vorratsdatenspeicherung überprüft
und in diesem Zuge Mängel bei Datensicherheit und Verhältnismäßigkeit
festgestellt hat, wurde dieses Gesetz als Verfassungskonform beurteilt und
außer Kraft gesetzt.
Die Wiederaufnahme der Diskussion und Planung einer angepassten Umsetzung
einer Vorratsdatenspeicherung nehme ich mit Besorgnis zur Kenntnis.
Ich kann mich nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass der Bürger unter
Generalverdacht gestellt wird, und Maßnahmen eingeleitet werden, den
Bürger präventiv zu überwachen.
Sicherlich benötigt die Exekutive und die Judikative Mittel, um gegen
Straftäter zu ermitteln und diese Straftäter zu verurteilen.
Aber die Umsetzung einer Vorratsdatenspeicherung ist nicht das Mittel eines
demokratischen Rechtsstaats, um diese Strafverfolgungs-Ziele zu erreichen.
Wenn dies ein adäquates Mittel wäre, warum wird jeder Pkw-Halter nicht
verpflichtet, ein Fahrtenschreiber zu nutzen oder ein Fahrtenbuch zu
führen, welches lückenlos geführt werden muss und auf Abruf der Polizei
oder Staatsanwaltschaft ausgehändigt werden muss?
Nicht das ich es besser weiß, aber ich möchte behaupten, das mehr
Straftaten bei der Nutzung eines Pkw's begangen werden als Straftaten bei
der Nutzung des Internets.
Und Straftäter, welche die Absicht haben, Ihre Identität im Internet zu
verschleiern, haben es da sehr einfach.
Gehen Sie selbst mal in einen Discounter (Aldi, Lidl, etc.) welcher
SIM-Karten für Mobiltelefone anbieten, und erwerben Sie dort eine
SIM-Karte ohne gültigem Ausweisdokument.
Sie werden überraschend feststellen, das sich Ihre Erfahrung mit diesem
Heise-Artikel deckt:
http://tinyurl.com/sim-karte
(Lesen Sie diesen Artikel und schauen Sie sich den Videobeitrag dazu an!)
Und solange derartige Lücken und Schwachstellen bestehen, solange sollte
man das ersinnen einer neuen Vorratsdatenspeicherung auf Eis legen.
Denn es werden nur die Daten der unbescholtenen Bürger gesammelt und
bevorratet, aber nicht die Daten und Aktionen der Straftäter, die
ausreichend clever und motiviert sind, Ihre Aktionen zu verschleiern.
Ich appelliere hiermit...
- an den Auftrag, den Sie von Ihren Wählern erhalten haben
- an die Einhaltung des deutschen Grundgesetzes
- und Ihren gesunden Menschenverstand
...das Thema Vorratsdatenspeicherung als das zu beurteilen, was es ist.
Ein undemokratisches nutzloses Werkzeug, welches die Grundrechte der Bürger
verletzt.
Da durch das Bundesverfassungsgericht entschieden wurde, das die erste
Fassung einer Vorratsdatenspeicherung die Rechte Ihrer Wähler und Bürger
verletzt, fordere ich Sie hiermit auf, nicht nochmal einen derartigen,
Verfassungskonformen Fehler zu begehen.
Mit freundlichen Grüßen,
Matthias Manns, Blieskastel
Sehr geehrter Herr
Vielen Dank für Ihr Schreiben zur Vorratsdatenspeicherung.
Die FDP-Bundestagsfraktion hat die Vorratsdatenspeicherung stets abgelehnt. Sie hat daher im Bundestag gegen das von der schwarz-roten Regierungskoalition in der vergangenen Legislaturperiode beschlossene Gesetz zur Umsetzung der Vorratsda-tenspeicherung gestimmt. Ebenso hat sich die FDP schon frühzeitig dafür stark ge-macht, dass die Bundesregierung in Brüssel eine entsprechende Richtlinie ablehnt. Dennoch hat die damalige Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) der Richtlinie im Rat zugestimmt.
Die FDP-Bundestagsfraktion hat bereits deutlich erklärt, dass es nun keinen Automa-tismus für eine schnellstmögliche Umsetzung des geltenden EU-Rechts bis an die vom Bundesverfassungsgericht gezogenen äußersten Grenzen des Grundgesetzes gibt.
Das Bundesverfassungsgericht hat die rote Linie aufgezeigt. Diese letzte Grenze darf aber nicht die Richtschnur für die Gesetzgebung sein, sondern Richtschnur muss die Achtung der Grundrechte in größtmöglichem Maße sein. Die FDP-Bundestagsfraktion wird nur eine Politik mittragen, die sich daran orientiert, Gesetze möglichst grundrechtsfreundlich zu gestalten. Einer Politik, die sich daran orientiert, bis zur gerade eben noch möglichen verfassungsrechtlichen Grenze – und oft genug darüber hinaus – zu gehen, findet hingegen nicht unsere Zustimmung.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung, das auch die Klägerinnen und Kläger aus den Reihen der FDP-Bundestagsfraktion wie Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Gisela Piltz, Dr. Hermann Otto Solms oder Johannes Vogel, erstritten haben, gibt Anlass, nun erst recht die Forderung der FDP aus dem Bundestagswahlprogramm umzusetzen, und auf europäischer Ebene eine Änderung der Rechtslage herbeizuführen. Die Grundrechte, die in Europa mit dem Vertrag von Lissabon gestärkt wurden, können auch auf EU-Ebene nicht unberücksichtigt blei-ben. Vielmehr muss die Vorratsdaten-Richtlinie jetzt umgehend auf den Prüfstand, zumal acht Mitgliedsstaaten diese ohnehin noch nicht umgesetzt haben. Wir begrü-ßen daher die Ankündigung der EU-Kommissarin Cecilia Malmström, dass die Kom-mission diese Prüfung umgehen angehen werde.
Darüber hinaus muss auf nationaler Ebene auch bei einer Umsetzung zwingenden europäischen Rechts genau geprüft werden, in welchem Rahmen eine Vorratsdaten-speicherung überhaupt noch möglich sein kann, ohne das Grundgesetz zu verletzen. Hier muss über die Erhebung und Speicherung ebenso wie über die Frage der Nut-zung wofür und durch wen genau beraten werden. Auch muss die Sicherheit von Da-ten, sofern diese überhaupt erhoben werden, gewährleistet sein; dies hat das Bun-desverfassungsgericht deutlich klargestellt.
Das Urteil gibt zudem Anlass, auch andere Datenspeicherungen auf den Prüfstand zu stellen. Zudem muss gerade der Aspekt der Datensicherheit bei jeglichen Daten-sammlungen, insbesondere bei solchen, die staatlich veranlasst oder durchgeführt werden, beachtet werden. Dies bedeutet, dass unter beiden Gesichtspunkten bei-spielsweise der Elektronische Entgeltnachweise (ELENA) oder die Fluggastdaten-übermittlung einer neuerlichen Prüfung bedürfen. Die von der FDP-Bundestagsfraktion in diesem Zusammenhang schon in der Vergangenheit geäußer-ten Bedenken sind durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gestärkt worden.
Sie können daher gewiss sein, dass die FDP-Bundestagsfraktion – wie schon mehr-fach öffentlich deutlich gemacht – Ihr Anliegen, den Datenschutz in Deutschland zu stärken und eine grundrechtsfreundliche Politik umzusetzen, teilt.
Mit freundlichen Grüßen Dr. Heinrich L. Kolb Stellvertretender Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion