Anonymes Bezahlen

Aus Freiheit statt Angst!

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Inhaltsverzeichnis

Initiative der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat dem Bundestag einen Gesetzentwurf vorgelegt, dessen Annahme das anonyme Bezahlen im Internet unmöglich machen würde. E-Geld (z.B. Paysafecard, UKash) soll künftig nur noch gegen Vorlage eines Ausweises verkauft werden dürfen.

Standpunkt des AK Vorrat

Wir vom AK Vorrat halten es für falsch, die Möglichkeit anonymer Zahlungen per Internet auf diese Art und Weise völlig zu untersagen.

Die Registrierung und Vorratsdatenspeicherung aller im Internet per Geldkarten bezahlenden Menschen bzw. ihrer Daten und Zahlverhaltungsweisen ohne Grund und konkreten Anlaß halten wir für den falschen Weg. Die Erzeugung solcher Datenmengen ist unnötig und riskant. Dieses Vorhaben ist unverhältnismässig und hinsichtlich der vorgegebenen Erfolgsaussichten bzw. Ziele mehr als zweifelhaft.

Wir halten die Bewahrung der Möglichkeit anonymen Handelns und Lebens im sorgsam ausgewogenen Maß als unerlässlich für ein lebenswertes Miteinander und für die Persönlichkeitsentwicklung von Menschen. Die Chance, sowohl im direkten Miteinander wie auch im "virtuellen" Leben anonym zu zahlen und zu handeln zählt dazu.

Außerdem würde das völlige Verbot anonymer Zahlungen via Internet das Aus für die anonyme Kommunikation mit den entsprechenden negativen Auswirkungen für die Meinungsfreiheit bedeuten.

AK-Vorrat-Briefkampagene zur Bewahrung anonymer Zahlung

Das alles würde den Menschen und unserer Gesellschaft schaden und deswegen haben wir den im Bundestag zuständigen Ausschüssen angeschrieben und unsere Bedenken erläutert.

Stellungnahme der Datenschutzbeauftragte

In ihrer 82. Konferenz der Datenschutzbeauftragten Ende September 2011 fasste die behördlichen Datenschützer zu diesem Thema folgenden Entschluss:

(...)
Eine generelle Identifizierungspflicht würde außerdem dazu führen, dass anonymes Einkaufen und Bezahlen im Internet selbst bei Bagatellbeträgen praktisch ausgeschlossen werden. Anonyme Bezahlsysteme im Internet bieten ihren Nutzern jedoch Möglichkeiten, die Risiken eines Missbrauchs ihrer Finanzdaten beispielsweise durch Hackerangriffe zu minimieren. Sie sind zugleich ein wichtiger Baustein, um die Möglichkeit zum anonymen Medienkonsum zu erhalten, da Online-Medien zunehmend gegen Bezahlung angeboten werden. Auf jeden Fall muss verhindert werden, dass personenbeziehbare Nutzungsdaten über jeden einzelnen Artikel in Online-Zeitungen oder einzelne Sendungen im Internet-TV schon immer dann entstehen, wenn eine Nutzung gebührenpflichtig ist.
Nach den vorgesehenen Regelungen würden noch mehr personenbezogene Daten unbescholtener Bürgerinnen und Bürger erfasst und ganz überwiegend anlasslos gespeichert. Dies steht in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. In seinem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten vom 02. März 2010 (1 BvR 256/08) hatte das Gericht gemahnt, dass Gesetze, die auf eine möglichst flächendeckende vorsorgliche Speicherung aller für die Strafverfolgung oder Gefahrenprävention nützlichen Daten zielen, mit der Verfassung unvereinbar sind.
Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder lehnt die vorgesehene verdachtsunabhängige, undifferenzierte und schrankenlose Datenerfassung ab, die auch europarechtlich nicht geboten ist. Die dritte Geldwäscherichtlinie (2005/60/EG) erlaubt den Mitgliedstaaten, von Identifizierungspflichten abzusehen, wenn der Wert des erworbenen elektronischen Guthabens 150 Euro nicht übersteigt. Der Bundesgesetzgeber sollte durch Einführung eines entsprechenden Schwellenwerts diesem risikoorientierten Ansatz folgen.

Der (vorläufige) Ausgang des Gesetzgebungsverfahrens

Nach einigen Zwischenstationen und Beratungen erlangte das "Gesetz zur Optimierung der Geldwäscheprävention] mit einigen Änderungen am 29. Dezember 2011 Gesetzeskraft.

Im Bundestag stimmten CDU/CSU/FDP/SPD/GRÜNE für diesen letzten Gesetzentwurf, die LINKEN enthielten sich ihrer Stimme.

Dieser Gesetzentwurf führte zu Änderungen in folgenden Gesetzen:

  • Geldwäschegesetz
  • Kreditwesengesetz
  • Versicherungsaufsichtsgesetz
  • Personalausweisgesetz
  • Abgabenordnung
  • Prüfberichtsverordnung

... eine komplexe Materie also!

Man fragt sich: Welcher normale Mensch steigt da noch durch?

Besondere Änderungen des Gesetzesvorschlags

Einigen der Bedenken versuchte man, durch das Hinzufügen eines § 25i im Kreditwesengesetz entgegenzukommen.

Wortlaut des § 25i KwG

(1) Bei der Ausgabe von E-Geld im Sinne des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes hat das Institut die Pflichten des § 3 Absatz 1 Nummer 1 und 4, § 4 Absatz 1 bis 4, § 7 Absatz 1 und 2 und § 8 des Geldwäschegesetzes zu erfüllen.
(2) Diese Pflichten sind nicht zu erfüllen, soweit der an den E-Geld-Inhaber ausgegebene und auf einem E-Geld-Träger gespeicherte E-Geld-Betrag 100 Euro oder weniger pro Kalendermonat beträgt und sichergestellt ist, dass
  1. das ausgegebene E-Geld nicht mit E-Geld eines anderen E-Geld-Inhabers oder mit E-Geld eines anderen Emittenten technisch verbunden werden kann,

'# die in Absatz 1 genannten Pflichten beim Rücktausch des ausgegebenen E-Gelds gegen Abgabe von Bargeld erfüllt werden, es sei denn, der Rücktausch des E-Gelds bezieht sich auf einen Wert von 20 Euro oder weniger oder der Rücktausch durch Gutschrift auf ein Konto des E-Geld-Inhabers bei einem Einlagenkreditinstitut nach § 1a Absatz 1 Nummer 1a oder eines E-Geld-Instituts nach § 1 Absatz 2a des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes erfolgt und

  1. soweit das E-Geld auf einem wiederaufladbaren E-Geld-Träger ausgegeben wird, der in Satz 1 genannte Höchstbetrag von 100 Euro pro Kalendermonat nicht überschritten werden kann.
Bei dem Schwellenwert des Satzes 1 ist unerheblich, ob der E-Geldinhaber das E-Geld über einen Vorgang oder verschiedene Vorgänge erwirbt, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass zwischen ihnen eine Verbindung besteht.
(3) Soweit E-Geld über einen wiederaufladbaren E-Geld-Träger ausgegeben wird, hat der E-Geld-Emittent Dateien zu führen, in denen alle an einen bereits identifizierten E-Geld-Inhaber ausgegebenen und zurückgetauschten E-Geldbeträge mit Zeitpunkt und ausgebender oder rücktauschender Stelle aufgezeichnet werden. § 8 Absatz 2 bis 4 des Geldwäschegesetzes ist entsprechend anzuwenden.
(4) Liegen Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigen, dass bei der Verwendung eines E-Geld-Trägers das ausgegebene E-Geld mit E-Geld eines anderen E-Geld-Inhabers oder mit E-Geld eines anderen Emittenten verbunden werden kann, oder rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass im Zusammenhang mit anderen technischen Verwendungsmöglichkeiten dieses E-Geld-Trägers, dessen Vertrieb und der Einschaltung von bestimmten Akzeptanzstellen ein erhöhtes Risiko der Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung oder sonstiger strafbarer Handlungen nach Maßgabe des § 25c Absatz 1 besteht, kann die Bundesanstalt, um diesen Risiken mit geeigneten Maßnahmen entgegenzuwirken,
  1. der Geschäftsleitung des Instituts Anweisungen erteilen,
  2. dem Institut den Einsatz dieses E-Geld-Trägers untersagen oder sonstige geeignete und erforderliche technische Änderungen dieses E-Geld-Trägers anordnen,
  3. das Institut verpflichten, dem Risiko angemessene Pflichten nach Maßgabe der §§ 3 bis 9 des Geldwäschegesetzes zu erfüllen.
(5) Soweit bei der Nutzung eines E-Geld-Trägers ein geringes Risiko der Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung oder sonstiger strafbarer Handlungen nach Maßgabe des § 25c Absatz 1 besteht, kann die Bundesanstalt unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs gestatten, dass ein Institut vereinfachte Sorgfaltspflichten nach § 5 des Geldwäschegesetzes zu erfüllen hat oder von der Erfüllung sonstiger Pflichten absehen kann.

Übersetzung ins Normaldeutsche

Hoffentlich richtig verstanden bedeutet das unter anderem:

  • E-Geld-Dienstleister dürfen von einer Identifizierung der Kunden nur absehen, wenn auf dem Datenträger (E-Geld-Karte) nicht mehr als 100 € pro Monat gespeichert werden können und nur 20 € in bar zurückgezahlt werden können.
  • Anonymes Bezahlen ist einerseits zwar weiter möglich bei direkter Bezahlung für Online-Geschäfte (Dateidownload etc.) oder Abrechnungskarten in einem Geschäft möglich (siehe § 1 Absatz 10 Nummern 10+11 des ZAG - Gesetz über die Beaufsichtigung von Zahlungsdiensten
  • Andererseits bereiten die Absätze 3 bis 5 Einschränkungen in die gegebene Anonymität Bahn:
  • Absatz 3 verlangt das Erfassen und Speichern von ausführlichen Informationen bei wiederaufladbaren E-Geld-Karten, sofern der Benutzer des E-Geldes "bereits identifiziert" worden ist. (?)
  • Die Absätze 4 und 5 erlauben bei Verdacht etwaig missbräuchlicher Benutzung von E-Geld umfangreiche Einschränkungen bei der Benutzung des E-Geldes zur Folge haben. Wie diese Einschränkungen praktisch umgesetzt werden, bleibt abzuwarten.

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