Freedom Not Fear 2008/Berlin de/Reden/Cantsin

Aus Freiheit statt Angst!

< Freedom Not Fear 2008 | Berlin de
Version vom 14:08, 17. Okt. 2008 von Nic (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Wechseln zu: Navigation, Suche

Redebeitrag der Berliner Sektion der Hedonistischen Internationale auf der Großdemo "Freiheit statt Angst" am 11. Oktober 2008 in Berlin

Liebe Freunde und Freundinnen der Freiheit!

Wir sind nach gut einem Jahr wieder hier. Und wir sind diesmal noch mehr Leute. Wir haben zusammen eine riesige Bewegung auf die Beine gestellt. Wir sind besser organisiert als je zuvor. Und wir sind verdammt viele.

Wir haben also die größte Grundrechts-, Datenschutz- und Freiheitsbewegung seit langen Jahren. Und eigentlich könnte sich ja jetzt alles zum Guten wenden....

Das tut es aber nicht. Der radikale Kahlschlag im Wald der Freiheit geht unvermindert weiter. Das Grundgesetz wird demontiert, demoliert, ja mit der Planierraupe wird es dem Erdboden gleichgemacht – als gäbe es kein Morgen mehr.

Schauen wir nur einmal die vergangene Woche an. Nur diese eine kleine Woche. Eine schöne Woche übrigens für die Feinde der Freiheit, denn die Finanzkrise überschattet jede Debatte.

Am Montag hat der Verfassungsfeind Wolfgang Schäuble sein langjähriges Ziel erreicht: die SPD macht den Weg frei für Bundeswehreinsätze im Innern. Und wir reden hier nicht von Naturkatastrophen und Sandsäcke am Oderbruch schleppen. Nein, jetzt geht es um den Einsatz von Soldaten, militärischem Gerät und auch Waffen – im Inland und gegen uns Bürger. Es geht um Soldaten, die von der Polizei angefordert werden können. Es geht um Soldaten, die nach Gutdünken eines Verteidigungsministers ohne Parlamentsbeschluss eingesetzt werden können. Um Soldaten, die nicht einmal an die für die Polizei gültigen Gesetze halten müssen.

Es geht darum, dass mit diesem Gesetz das im Grundgesetz verankerte Trennungsgebot von Militär, Polizei und Geheimdiensten weiter ausgehebelt wird. Dieses Trennungsgebot wurde nicht als schöne Zierde und schmückendes Beiwerk ins Grundgesetz gestrickt.

Nein, verdammt noch mal, das Trennungsgebot ist dort drin, weil schon einmal in Deutschland die Machtblöcke des Staates zentralisiert und verschmolzen waren. Und wir wissen wohin das führt.

Deswegen sind jetzt die Oppositionsparteien, die hier ja so schön brav mitdemonstrieren, gefragt!

An dieser Stelle also: Hallo Grüne, Hallo Linkspartei und vor allem hallo FDP – ihr KÖNNT und müsst dieses Gesetz im Bundesrat verhindern. Wenn ihr das nicht tut, dann weiß ich nicht, warum ihr hier mit uns demonstriert.

Zurück zu dieser Woche.... Am Montag also die Bundeswehr im Innern. Und als wäre das nicht genug, kommt am Dienstag dann die sogenannte Einlader-Datei.

In diese Datei kommen alle Menschen rein, die für visumspflichtige Ausländer bürgen. Und wer öfter als 5 Mal in zwei Jahren einen solchen Menschen einlädt, der wird zum verdächtigen „Viel-Einlader“, zum potenziellen Schleuser und nach der Meinung der Großen Kontroll-Koalition zu einer Gefahr.

Nehmen wir ein Beispiel. Nehmen wir einmal an, ich würde einen Kongress organisieren. Ich lade zwei iranische Blogger ein, zwei IT-Spezialisten aus Serbien und einen ukrainischen Journalisten. Das reicht aus um von dieser paranoiden Regierung als Gefahr gesehen zu werden. Das reicht aus um verdächtig zu werden und jahrelang in einer Datenbank gespeichert zu werden. Jeder Kulturveranstalter dieses Landes, jedes Theater, Menschen in binationalen Ehen – sie alle werden verdächtig. Weil sie Künstler einladen oder ihre Verwandtschaft. Das ist eine unmenschliche Schweinerei – und zwar gegen die Eingeladenen und die Einladenden. Und auch diese Datei müssen wir verhindern.

Am Montag die Bundeswehr, am Dienstag die Einlader-Datei. Was kommt Mittwoch?

Mittwoch morgen kommt die Post. Ein Brief. An mich persönlich adressiert. Von einem Möbelhaus, das ich nicht kenne. Und warum bekomme ich diesen Brief – weil eine Tochterfirma der Deutschen Post ohne mich zu fragen meine Adresse vermietet. Am Nachmittag erzählt mir dann eine Freundin, dass sie hier in Berlin beim Arbeitsamt war. Und weil sie vor zehn Jahren schon einmal arbeitslos war – allerdings in Süddeutschland - hatte das Arbeitsamt doch glatt ihren alten Lebenslauf, Bewerbungsschreiben und alle anderen Daten im Computer. Geht’s eigentlich noch – frage ich mich da.

Am Donnerstag fordert das Innenministerium dann das zentrale Bundesmelderegister. Liebevoll BMR genannt. Die Daten der Meldestellen sollen konsequent zusammengeführt werden. Da ist es doch nur praktisch, dass wir jetzt alle eine individuelle Steuer-Identifikationsnummer haben, an der die ganzen Datenbanken angehängt werden können. Auch hier wird übrigens die bewährte Trennung von Datenbeständen aufgehoben. Und auch das muss verhindert werden.

Zu guter Letzt lese ich dann am Freitag, dass Schäuble jedem Bürger eine E-Mailadresse verpassen will. Damit das Mailen sicherer wird. Und nein, nicht nur sicherer, sondern auch geschützt vor dem „Mitlesen Dritter“ sagt der Schäuble. Und wer soll dieses Mammut-E-Mail-Projekt umsetzen? Na, ist doch klar - die Telekom. Der Staat, der Schäuble und die Telekom zusammen – da hat sich ja ein Dreamteam in Sachen Privatsphäre und Datenschutz gefunden.

Heute ist zum Glück Samstag. Und heute werden wir die Schlagzeilen beherrschen. Denn heute ist ein Tag für die Freiheit, für die Grundrechte, für den Datenschutz und für die Privatsphäre.

Warum sind uns diese Dinge so wichtig?

Wir wollen frei unsere Meinung sagen, uns frei austauschen und frei demonstrieren - zu welchem Thema auch immer.

Wir wollen uns frei informieren und frei bewegen, ohne dass jemand etwas protokolliert oder wir das Gefühl haben beobachtet zu werden. Unsere Privatsphäre geht nämlich nur diejenigen etwas an, die wir daran teilhaben lassen wollen.

Die Freiheit ist so wichtig, weil wir in einer Gesellschaft leben wollen, in der jeder - solange er die Freiheit der anderen nicht beeinträchtigt - das sagen, machen, tun und lassen kann, was er oder sie will.

Und es geht nicht nur um Wollen, Wollen, Wollen – es geht auch um elementare Notwendigkeiten.

Freiheit und Grundrechte sind wichtig, weil wir auch Sicherheit VOR dem Staat BRAUCHEN. Weil wir den Staat hinterfragen oder gar in Frage stellen können müssen - ohne dafür irgendwelche Repressionen zu fürchten. Freiheit ist der Nährboden von Ideen. Wir wollen frei sein von Überwachung, damit wir uns nicht mit den Augen des Staates sehen und verängstigt in geistiger Monokultur in ein autoritäres System rutschen.

Freiheit ist also für uns und unser Zusammenleben grundlegend und unverzichtbar.

Und deswegen zeigen wir an diesem Tag der Großen Koalition, was wir von ihren widerlichen autoritären Gesetzen halten. Und wir erinnern auch ALLE Oppositionsparteien, die hier mitdemonstrieren, daran, dass sie den Abbau von Freiheiten und Grundrechten mitgetragen haben, als sie auf der Regierungsbank saßen. (FDP: Lauschangriff, die Grünen den OTTO-Katalog und die Linkspartei schärfere Polizeigesetze in Berlin)

Den Jägern & Daten-Sammlern in der Bundesregierung, in den Ministerien, Polizeien, Geheimdiensten und der Privatwirtschaft aber rufen wir zu, dass wir nichts unversucht lassen werden um sie in ihrer hemmungslosen Sucht nach Daten und Kontrolle zu stoppen.

UND wir werden den Abbau der Freiheit nicht nur stoppen, nein wir werden mutig unsere Freiheiten erweitern, wir werden dafür kämpfen, dass freiheitsfeindliche Gesetze wie die Vorratsdatenspeicherung zurückgenommen werden, wir werden die Datenbanken löschen UND uns irgendwann die Freiheit nehmen, die uns als Menschen – verdammt noch mal - zusteht.

Liebe Nerds, FDP-Mitglieder und Anarchistinnen! Wir sind stark, weil wir ein bunter Haufen sind. Lasst uns zusammen, in Lobbygruppen und auf der Straße, bei der Arbeit, der Familienfeier oder in der Disko, brav protestierend oder mit wildem zivilem Ungehorsam charmant und entschlossen

- für die Freiheit einstehen.

Dankeschön.

Siehe auch

weitere Reden am 11.10.2008

Persönliche Werkzeuge
Werkzeuge