Position von Peter Friedrich
Sehr geehrter Herr, für Ihre Nachricht vom 05. April 2010, in der Sie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung vom 02. März dieses Jahres ansprechen, danke ich Ihnen. Mit der EU-Richtlinie (2006/24/EG) vom 15. März 2006 über die Speicherung von Kommunikationsdaten zur Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus sollten einheitliche Rahmenbedingungen für alle Mitgliedstaaten der EU geschaffen werden. Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie soll sichergestellt werden, dass die Daten zum Zwecke der Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von schweren Straftaten, wie sie von jedem Mitgliedstaat in seinem nationalen Recht bestimmt werden, zur Verfügung stehen. Für eine effektive Bekämpfung des internationalen Terrorismus und der organisierten Kriminalität war eine Regelung auf europäischer Ebene unerlässlich. Die Datenspeicherung ist in Deutschland durch das „Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der EU-Richtlinie (2006/24/EG)“ zum 01. Januar 2008 eingeführt worden. Gegen Teile dieses Gesetzes waren unmittelbar nach Inkrafttreten Verfassungsbeschwerden eingelegt worden. Diesen wurde nunmehr mit Urteil vom 02. März 2010 durch das Bundesverfassungsgericht stattgegeben. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung ausgeführt, dass die gesetzgeberische Grundentscheidung, in bestimmten Fällen schwerer Straftaten Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 GG vorzunehmen, möglich und auch verfassungsgemäß ist. Es hat auch zugestanden, dass die Vorratsdatenspeicherung und der darauf gründende Verkehrsdatenabruf zur Aufklärung solcher Straftaten erforderliche und geeignete Ermittlungsinstrumente sind. Es hat jedoch auch die konkrete nationale Umsetzung der Vorgaben der EU-Richtlinie (2006/24/EG) als nicht verfassungskonform angesehen und daher nur drei Normen (§§ 113a, 113b TKG und § 100g Abs. 1 S. 1 StPO) für nichtig erklärt. Aufgrund der für die Bundesrepublik Deutschland bindenden Vorgaben der EU besteht somit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eine Verpflichtung, die in der EU-Richtlinie (2006/24/EG) dargestellte Vorratsdatenspeicherung erneut in nationales Recht umzusetzen. Deutschland kann und wird sich dieser Verpflichtung auch nicht entziehen. Schweden wurde beispielsweise wegen Nichtumsetzung der EU-Richtlinie bereits rechtskräftig vom EuGH am 04. Februar 2010 verurteilt. Gegen Österreich wurde durch die Kommission ebenfalls bereits ein Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichtumsetzung angestrengt. Die zuständige EU-Kommissarin Cecilia Malmström hat zudem bereits verlauten lassen, dass zwar eine Evaluierung der Richtlinie Ende des Jahres in Betracht komme, eine vollständige Aufhebung allerdings nicht beabsichtigt sei. Der Gesetzgeber ist daher jetzt gefordert, sorgfältig die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts bezüglich der konkreten Ausgestaltung der Datenspeicherung zu analysieren und in einem zweiten Schritt zügig die erforderlichen Nachbesserungen im Wege eines neuen Gesetzgebungsverfahrens anzugehen. Die hohen Anforderungen an den Datenschutz müssen, in Abstimmung mit den Datenschutzbeauftragten, beachtet werden. Abschließend möchte ich festhalten, dass sich die Rechtspolitik im Bereich der Telekommunikationsüberwachung immer in einem Spannungsfeld zwischen dem Grundrechtsschutz der Bürger und der ebenfalls verfassungsrechtlich gebotenen Pflicht des Staates zu einer effektiven Strafverfolgung bewegt. Das Bundesverfassungsgericht hat immer wieder das öffentliche Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren betont und die wirksame Aufklärung, gerade schwerer Straftaten, als einen wesentlichen Auftrag des staatlichen Gemeinwesens hervorgehoben (vgl. BVerfG Urteil v. 12.03.2003 - 1 BvR 330/96 und 1 BvR 348/99; BVerfGE 107, 299, 316 m. w. N.). Grundrechtsschutz der Bürger und Strafverfolgungsinteresse des Staates müssen deshalb in einen vernünftigen Ausgleich gebracht werden. Hierfür setzen wir uns ein. Mit freundlichen Grüßen gez. Dr. Hans-Peter Friedrich MdB