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2011: Das LKA bestätigt den Einsatz von Niedersachsen-Trojanern

Im Zuge der vom Chaos Computer Club im Oktober 2011 ausgelösten Debatte über Vorhandensein und Einsatz staatlicher Bespitzelungssoftware ("Staatstrojaner") sah sich auch das LKA Niedersachsen zuzugeben genötigt, dass es derartige Trojaner besitzt und praktisch einsetzt.

Unsere in 2009 noch reichlich naiven Anfragen an das LKA und das damit verbundene Treffen mit dem LKA-Präsidenten Uwe Kolmey (siehe unten) erscheinen die Aussagen von damals nun in einem ganz anderen, besonderen Licht ...

Der niedersächsische Trojaner

Was bislang bekannt wurde (Stand: 16.10.2011):

  • Das LKA Niedersachsen hat solche Spionagesoftware (entweder im Besitz oder "geleast") und wendet sie an.
  • Die Software wurde im Juni 2011 geändert, der Hersteller/Lieferant/Prgammierer/Betreuer gewechselt. Grund lt. Pressebericht: "Modernisierungsmaßnahmen"
  • Uwe Schünemann behauptet, dass es bislang "zwei Fälle" des Einsatzes dieser Software im Zusammenhang mit der "Überwachung von Internet-Telefonie" gäbe. Es stellt sich die Frage, warum es hier keine Zusammenarbeit mit Skype Technologies gab (wie sonst wohl nicht unüblich) und ob es weitere Einsätze über den Zusammenhang mit Internet-Telefonie hinaus gab.
  • Herr Schünemann beteuerte auch, dass es "keine Sicherheitslücken" mit der neuen Spionagesoftware gäbe. Und vorher? Waren die vorherigen Einsätze der Software rechtswidrig?
  • Es gibt Gerüchte, dass die ehemalige Software von Digitask stammt, dem "Lieferanten" der vermutlich nicht verfassungskonformen Trojaner für Bayern und viele andere Bundesländer und -behörden. Angeblich sei der neue Niedersachsen-Trojaner von der Firma Syborg.
  • Es ist fraglich, ob der vom LKA Niedersachsen herangezogene § 100a StPO mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Online-Durchsuchungen vom 27.2.2008 "harmoniert".

Offener Brief vom 17.10.2011

Wir haben uns dazu entschlossen, unsere Fragen in einem Offenen Brief vom 17.10.2011 an den Präsidenten des LKA Niedersachsen Uwe Kolmey zu richten. Das ganze haben wir mit einer kurzen Pressemitteilung begleitet.

Antwort vom LKA, eingegangen am 28.10.2011

Erfreulich schnell hat uns das LKA Niedersachsen einen Brief vom 25.10.2011 zugesendet (Scan des Originals hier).

Folgende 3 Fragen unseres Offenen Briefes wurden beantwortet:

  • 3 / 11 / 12

Folgende 20 Fragen wurden nicht beantwortet:

  • 1 / 2 / 4 / 5 / 6 / 7 / 8 / 9 / 10 / 13 / 14 / 15 / 16 / 17 / 18 / 19 / 20 / 21 / 22 / 23

Folgende Aussagen/Informationen sind gehaltvoll:

  • Der (oder die) alte(n) Trojaner (bis Juni 2011) war von Digitask.
  • Neue Trojaner (ab Juni 2011) sind weder von Digitask noch von Syborg.
  • Die "neue Technik" im LKA befindet sich "derzeit im Aufbau".
  • "Die derzeitige Rechtslage, unter Einbeziehung der Urteile des BVerfG und des LG Landshut, bildet eine rechts- und verfassungskonforme Grundlage zur Überwachung der Quellen-TKÜ."
  • "Niemand muss befürchten, dass das LKA Niedersachsen das Internet und die dort angeschlossenen Computersysteme ohne konkreten Anlass oder ohne rechtliche Grundlage überwacht hat bzw. zukünftig überwachen wird."

Der Brief endet mit einer Gegenfrage, um deren Antwort Volker Kluwe, der Vizepräsident des LKA uns bittet:

"Würden Sie bei einem Tatverdächtigen, der eines Kapitaldeliktes (wie Mord und Totschlag) verdächtig ist und bei dem anlässlich einer mit richterlichem Beschluss angeordneten Telekommunikationüberwachung festgestellt wird, dass er bei bestimmten Gesprächsinhalten auf eine verschlüsselte Verbindung wechselt, die Überwachung beenden, weil sonst vermeintlich höherrangige Täterinteressen berührt wären?"

Weiterer offener Brief an das LKA vom 15.11.2011

Wir möchten uns damit nicht zufriedengeben und schreiben einen weiteren Brief an das LKA, bitten darin höflich um die Beantwortung der bislang ignorierten Antworten.

Antwort vom LKA, eingegangen am 22.12.2011

Nach fünf Wochen erhalten wir eine kühle, knappe Antwort des LKA.

Inhaltlich trägt die "Antwort" allerdings keine neue Substanz zu unseren 20 unbeantworteten Fragen bei ...

Stellungnahme für den Innenausschuss vom 17.1.2012

Die niedersächsische Landtagsfraktion der Partei "Die Linke" wendet sich in einer Kleinen Anfrage "Staatstrojaner stoppen" (DS 16/4175) mit drei Forderungen an den niedersächsischen Landtag.

Auf Anfrage des Landtags hin haben wir dazu eine Stellungnahme gemeinsam erarbeitet und am 17.1.2012 eingereicht.

Widersprüchliche Antworten der Landesregierung auf eine Große Anfrage vom 13.3.2012

Am 13.3.2012 wird die Antwort des niedersächsischen Innenministers Uwe Schünemann auf eine umfangreiche "Große Anfrage" der Fraktion "Die Linke" veröffentlicht.

Während auf viele Fragen mit Verweis auf angebliche Geheimhaltungsvorrangigkeiten gar keine Antwort erfolgt, belegen die Aussagen einen Mangel an technischem Durchblick.

Gibt man einerseits zu, weder den Quellcode der eingesetzten Spionagesoftware zu kennen noch zu verstehen (Frage 28a), ist man dennoch vermessen genug zum zu behaupten, dass man wisse, was diese Software könne bzw. tue, und was nicht (Frage 35).

Bei derartigen widersprüchlichen Aussagen wird jedem Menschen mit nur ein wenig IT-Kenntnissen unwohl.

Pressemitteilung anlässlich der bevorstehenden Debatte im Landtag vom 20./21.3.2012

Anläßlich der für den 21.3.2012 angekündigten Landtagsdebatte geben wir am 20.3.2012 gemeinsam mit dem hannoverschen Chaos Computer Club (C3H - Leitstelle511) eine Pressemitteilung heraus und fordern darin die sofortige Beendigung des rechtswidrigen Einsatzes von Trojaner-Spionagesoftware durch niedersächsische Behörden.

2009: Das LKA Niedersachsen verlangt nach weiteren Überwachungsmaßnahmen

HAZ-Artikel vom 15.8.2009

Damit hat alles angefangen...

In einem Artikel der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 15.8.2009 mit der Überschrift "LKA will mehr Überwachung" verlautete der Direktor des niedersächsischen Landeskriminalamt, Herr Uwe Kolmey, dass er sich eine deutliche Ausweitung der Befugnisse für seine Behörde (nicht nur) im Zusammenhang mit präventiver Telefonüberwachung wünscht.

Es geht also konkret darum, dass das LKA in größerem Umfang als heute Telefongespräche von Bürgern abhören lassen möchte, denen keine Straftat zur Last gelegt werden kann.

Herr Kolmey sagt unter anderem: "Ich finde es unbefriedigend, dass unsere Polizei erst dann abhören kann, wenn eine Straftat begangen wurde."

Untermauert wird diese Forderung mit der Präsentation von Erfolgen beim Abwenden von Selbstmordabsichten und beim Wiederauffinden vermisster Jugendlicher im Zusammenhang mit der ebenfalls heute bereits im Einzelfall erlaubten Ortung von Handygeräten.

Andererseits hält sich der Zeitungsartikel mit genaueren Details zu den Zahlenangaben sehr zurück, so dass bei genauerer Hinsicht ein sehr schwammiger Eindruck der Argumentation entsteht.

Der Artikel fand sich in der Print-Ausgabe der HAZ auf der Titelseite.


Offener Brief und Pressemitteilung vom 19.8.2009

Weil wir die angedeuteten Absichten des LKA bedenklich gestimmt haben und wir uns für mehr Details und klarere Aussagen interessiert haben, haben wir am 19.8.2009 mit einer Pressemitteilung und einen Offenen Brief an Herrn Kolmey reagiert.

Wir wollten nämlich nicht verschweigen, dass das Land Niedersachsen bereits in 2003 eine sehr ähnliche Vorschrift als Gesetz erlassen hatte, diese aber nach einem Verfahren und Urteil des Bundesverfassungsgerichts Karlsruhe von 2005 wieder streichen musste.

Im Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts BvR 668/04 vom 27.7.2005 wurde der § 33a Absatz 1 Nummer 2 und 3 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds.SOG) im Zusammenhang mit der präventiven Telefonüberwachung als „unvereinbar mit dem Artikel 10 des Grundgesetzes“ und damit als „nichtig“ erklärt.

Das Land Niedersachsen hatte damals sämtliche Prozesskosten zu tragen.

In seinen Leitsätzen zum Urteil schreibt das BVerfG unter anderem:

„Die Länder sind deshalb nicht befugt, die Polizei zur Telekommunikationsüberwachung zum Zwecke der Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten zu ermächtigen.“

In unserem Offenen Brief stellten wir acht Fragen, die sich zum Teil nach den rechtlichen Gegebenheiten, nach konkreteren Angaben zu den gewünschten neuen Befugnissen und zur Klärung der ungenauen Zahlenangaben erkundigten.


Antwort des LKA vom 31.8.2009

Unerwartet schnell erhielten wir von Herrn Kolmey eine Antwort auf unseren Offenen Brief, die uns vorab per E-Mail am 31.8.2009 erreichte.

Leider geht Herr Kolmey in seinen zweieinhalb Seiten langen Schreiben nur auf die Fragen 1, 2 und 6 unseres Offenen Briefes ein.

Weder auf die Fragen zu konkreten Zahlenangaben oder Statistiken noch auf die Fragen zu den detailierten Wünschen der Ausweitung weiterer Überwachungs-Befugnisse haben wir Angaben erhalten.


Offener Brief und Pressemitteilung vom 20.10.2009

Uns hat die lückenhafte Antwort nicht befriedigt und so haben wir uns dazu entschlossen, beim Landeskriminalamt mit einem zweiten offenen Brief nachzuhaken, warum einige Fragen ignoriert worden sind. Außerdem nehmen wir Bezug auf einige Textstellen des Antwortschreibens und bitten um Stellungnahme dazu.

Den offenen Brief haben wir auch dieses mal von einer Pressemitteilung begleiten lassen.


Zu Besuch beim LKA am 26.1.2010

Ende 2009 erreicht uns eine schriftliche Einladung von Herrn Kolmey zu einem Gespräch im LKA am 26. Januar des kommenden Jahres.

Wir sind dort zu zweit hingegangen und haben uns gut eineinhalb Stunden lang mit Herrn Kolmey und seinem Kollegen Herrn Benke unterhalten.

Insgesamt müssen wir im Fall von Herrn Kolmey konstatieren, dass wir sehr freundlich empfangen worden sind und dass es sich dabei unserer Meinung nach nicht um eine vorgetäuschte stilistische Offenheit gehandelt hat.

Sicherlich beziehen Herr Kolmey und Herr Benke in einigen Punkten deutlich unterschiedliche Standpunkte als das, was wir zu einzelnen Themen im Kopf haben. Und doch mag dieses Gespräch vielleicht ein wenig dazu beigetragen haben, dass jede "Seite" etwas mehr Verständnis für Denken und Handeln der "anderen" erfahren hat.

Auf jeden Fall waren wir uns in dem Punkt einig, dass sowohl Kriminalbeamte als auch Bürgerrechtler zumindest der Gefahr unterliegen, die Welt durch den verengten Blick der jeweils eigenen Brille zu sehen. Das bedeutet nicht, dass wir unsere Standpunkte aufgeben oder das LKA zum Datenschutzverein mutieren sollen oder werden. Aber eine sachliche Reflexion der eigenen Meinung oder die Einholung einer neutralen Außenbewertung tut ab und zu sicherlich gut.

Stichpunktartig aufgeführt hatte unser Gespräch folgende Inhalte (einen ausführlicheren Bericht gab es über die Mailingliste-Hannover):

  • Selbstverständnis des LKA
  • Grundsatz der Prävention
  • Sauerland-Fall und Niedersachsen-Bezug
  • Handyortung: Technik und Organisation
  • Beispiele: Suizid, Vermisstenanzeigen, Häusliche Gewalt
  • Verhältnismäßigkeit von Grundrechtseingriffen
  • Datenbanksystem NIVADIS
  • Pseudonymisierte Kennzeichnung von Polizeibeamten

Einzig nachteilig ist, dass wir zuallermeist sehr allgemein diskutiert und nicht konkret genug nach Fakten nachgefragt haben. Aber nun gut ... beim nächsten mal wird alles besser!

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