Überwachung - Fragen und Antworten: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 5. März 2009, 03:15 Uhr

In dieser Überwachungs-FAQ werden verbreitete Irrtümer und Populismus richtig gestellt, die Motive der Sicherheitsideologen diskutiert, die Folgen von Überwachung und Sicherheitsaktionismus dargestellt und Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt.

Der Nutzen von Überwachung – Verbreitete Irrtümer und Populismus richtig gestellt

Einige in Politik und Gesellschaft kultivieren in den letzten Jahren eine Einstellung, die man als Sicherheitsideologie bezeichnen kann. Sie beschwören unsere „Bedrohung“ durch Kriminelle und Terroristen, vor der wir uns schützen müssten. Sie verweisen auf „schreckliche Verbrechen“, die in der Tagespresse groß aufgemacht werden, oder auf Schlagworte wie „Kinderpornografie“ und „internationaler Terrorismus“. Dann fordern sie, dass die Täter endlich gefasst werden müssten und die Sicherheitsbehörden dazu alle nötigen Mittel bräuchten. Wer ihnen diese verweigere, mache sich mitschuldig an den begangenen Verbrechen.

„Wir brauchen mehr Überwachung, um uns vor Kriminalität/Terroristen/Sexualstraftätern zu schützen und um in Sicherheit leben zu können“

Falsch. Mehr Überwachung bringt nicht mehr Sicherheit.

Wie sicher wir leben, lässt sich an der Kriminalitätsrate ablesen. Dass mehr Überwachung zu einer niedrigeren Kriminalitätsrate führt, ist weder erwiesen, noch wird dies von den Innenpolitikern auch nur behauptet. Tatsächlich lässt sich ein messbarer Einfluss von Überwachungsmaßnahmen auf die Kriminalitätsrate weder im zeitlichen, noch im internationalen Vergleich feststellen. Umgekehrt zeigt eine amerikanische Vergleichsstudie, dass kein Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Ermittlungsbefugnisse der Strafverfolgungsbehörden einerseits und der Kriminalitätsrate andererseits besteht.

Dass Überwachungsmaßnahmen den Behörden in einzelnen Fällen nützlich sein können, mag durchaus sein. Insgesamt gesehen ist der Nutzen aber vernachlässigbar gering. Es gibt eine Statistik der Weltgesundheitsorganisation, die den Verlust gesunder Lebenszeit durch vorzeitigen Tod, Krankheit oder Behinderung misst. Dieser Statistik zufolge beruht der Verlust gesunder Lebenszeit für Westeuropäer zu 92% auf Krankheiten, zu 2% auf Verkehrsunfällen, zu 1% auf Stürzen, zu 1,7% auf Suizid und gerade einmal zu 0,2% auf Gewalt. Straftaten sind der Statistik zufolge für die Gesundheit der Bevölkerung in etwa so schädlich wie versehentliche Vergiftungen, Karies, Rückenschmerzen oder Durchfall. Eurostat zufolge sterben weniger als 0,002% der Europäer jährlich als Opfer einer Straftat, terroristische Anschläge eingeschlossen. Ausweislich der Statistik ist es um ein Vielfaches wahrscheinlicher, wegen eines ungesunden Lebensstils (z.B. falsche Ernäherung, Bewegungsmangel, Alkohol, Nikotin), durch einen Sturz oder im Straßenverkehr zu sterben als infolge einer Straftat. Die großen Risiken für unsere Gesundheit sind andere als Kriminalität: Bluthochdruck, Tabak, Alkohol, Cholesterin, Übergewicht, Fehlernäherung und Bewegungsmangel sind die Hauptrisikofaktoren. Würde man z.B. den Tabakkonsum nur um 2% zurückfahren, dann würde man der Gesundheit der Bevölkerung einen größeren Dienst erweisen als durch die Verhinderung sämtlicher Gewalttaten. Auch dass uns Zivilisationsrisiken wie Krankheit, Armut, Arbeitslosigkeit oder Naturkatastrophen treffen, ist weitaus wahrscheinlicher als das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden.

Die Lebenserwartung der Europäer steigt seit Jahrzehnten. Vor diesem Hintergrund stellt die Kriminalität zwar ein ernst zu nehmendes Problem dar, das der Staat mit angemessenen Maßnahmen einzudämmen versuchen sollte. Die Kriminalität ist aber nur ein Risiko unter vielen, mit denen das Leben notwendig verbunden ist, und ein vergleichsweise geringes Risiko. Außerdem hat die Kriminalität Ursachen in unserer Gesellschaft, welche die Polizei nicht beseitigen kann. Diese Kriminalitätsursachen müssen anders angegangen werden.

„Wir müssen alles tun/alle verfügbaren Mittel einsetzen, um künftig solche schrecklichen Verbrechen/Terroranschläge/Kindesmissbrauch/… zu verhindern“

Falsch. Es dient unserer Sicherheit, dass der Staat nicht alle verfügbaren Mittel einsetzen darf.

Der Staat verfolgt nicht nur Straftäter, sondern er ermittelt gegen Verdächtige. Darunter befinden sich viele Menschen, deren Unschuld sich erst später herausstellt oder deren Schuld im weiteren Verlauf nicht festgestellt werden kann. Die Instrumente der Strafverfolgungsbehörden (z.B. Telefonüberwachung, Observation, Nachbarbefragung, Untersuchungshaft) treffen in vielen Fällen Unschuldige. Weil jeder Opfer eines Irrtums oder einer Falschverdächtigung werden kann, müssen wir zu unserer eigenen Sicherheit dafür sorgen, dass die staatliche Macht begrenzt bleibt.

Bestimmte Methoden (z.B. Folter) widersprechen außerdem der Würde jedes Menschen, auch der des Straftäters. In unserer Geschichte haben wir gelernt, dass die uneingeschränkte Förderung von „Gemeinwohl“ und „Volksgemeinschaft“ letztendlich nicht in unserem Interesse liegt. Andere Instrumente (z.B. verdachtslose Überwachung beliebiger Personen) sind unverhältnismäßig. Ihr Nutzen steht außer Verhältnis zu ihren negativen Auswirkungen auf eine demokratische Gesellschaft, die auf das unbefangene Mitwirken gerade kritischer Bürgerinnen und Bürger angewiesen ist.

Langfristig dienen rechtsstaatliche Beschränkungen und die Achtung der Menschenrechte der Sicherheit, denn exzessive Kontrolle und Repression erzeugt Unzufriedenheit und Widerstand. Die Achtung der Grundrechte macht uns sicherer, nicht verletzlicher. Der Oberste Gerichtshof des Staates Israel führte im Jahr 1999 zutreffend aus: „Dies ist das Schicksal der Demokratie, weil nicht alle Mittel mit ihr vereinbar und nicht alle Methoden ihrer Feinde für sie verfügbar sind. Obwohl eine Demokratie oft mit einer Hand auf ihren Rücken gebunden kämpfen muss, behält sie trotzdem die Oberhand. Die Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und die Anerkennung der Freiheit des Einzelnen bilden einen wichtigen Bestandteil ihres Verständnisses von Sicherheit. Letztlich erhöht dies ihre Stärke.”

„Wenn auch nur ein Mensch/Kind gerettet werden kann, rechtfertigt das schon das gesamte Überwachungssystem“

Falsch. Zum Schutz Unbeteiligter müssen Grundrechte und Verhältnismäßigkeit stets gewahrt bleiben.

Würde schon ein gerettetes Menschenleben jegliche Maßnahme rechtfertigen, dann müsste die Politik z.B. den Straßenverkehr verbieten, denn es gibt unzählige Unfalltote jedes Jahr. Dieses Beispiel zeigt: So schrecklich jeder Unfalltod und jede Straftat ist, so unangemessen ist eine radikale Reaktion, die Unbeteiligte unzumutbar belastet. Das Leben ist untrennbar mit dem Risiko verbunden, Opfer einer Straftat zu werden oder in einen Verkehrsunfall verwickelt zu werden. Der Staat sollte diesen Risiken entgegenwirken. Er darf aber nur effektive Mittel einsetzen, die Unbeteiligte nicht übermäßig belasten.

„Datenschutz ist Täterschutz. Er steht dem Schutz unschuldiger Menschen im Weg“

Falsch. Datenschutz ist Grundrechtsschutz. Er dient dem Schutz unschuldiger Menschen.

Dass der Staat nicht unbegrenzt Wissen über uns sammeln und unsere Daten nicht beliebig rastern darf, dient unserem eigenen Schutz. Je mehr der Staat über uns weiß, desto mehr Ansatzpunkte für Ermittlungen stehen ihm zur Verfügung und desto größer wird die Gefahr von Falschverdächtigungen. Außerdem laden umfangreiche Datenbestände zu Missbrauch ein. In der Vergangenheit hat es immer wieder Fälle gegeben, in denen Polizeibeamte gegen Bezahlung oder aus privaten Gründen auf Polizeidaten zugegriffen haben. Schon die Befürchtung von Missverständnissen oder Missbräuchen kann unsere Entscheidungsfreiheit beeinträchtigen. Wenn wir anonym handeln können oder wissen, dass unsere Daten unverzüglich gelöscht oder wenigstens nicht zu anderen Zwecken genutzt werden, dann scheuen wir auch vor sensiblen Aktivitäten nicht zurück (z.B. Teilnahme an Demonstrationen, Mitarbeit in Oppositionsgruppe, Inanspruchnahme psychologischer Beratung, sexuelle Aktivitäten). Datenschutz ist daher Freiheitsschutz.

„Wir müssen etwas gegen die Kriminalität unternehmen. Wir können nicht die Hände in den Schoß legen und kapitulieren“

Falsch. Aktionismus von Politikern ist nutzlos.

Keiner will gegen Kriminalität „die Hände in den Schoß legen“. Tätig werden müssen aber die Sicherheitsbeamte und nicht die Abgeordneten. Wenn spektakuläre Verbrechen in das Rampenlicht der Öffentlichkeit rücken, ist das in allererster Linie ein Weckruf an die zuständigen Behörden, künftig noch intensiver an der Verhinderung solcher Vorfälle zu arbeiten. Politiker reagieren oft mit der Forderung nach „verbesserten“ Gesetzen. Neue Gesetze sind für Politiker zwar ein einfaches und billiges Mittel, um öffentlichkeitswirksam Tatkraft und Entschlossenheit zu demonstrieren. Derartiger Aktionismus führt aber oft zu Gesetzen, die dem Bürger keinen messbaren Nutzen bringen. Wer Sicherheit durch immer neue Gesetze verspricht und – zwangsläufig – Straftaten gleichwohl nicht verhindern kann, der verliert mittelfristig das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger und fördert die Politikverdrossenheit. Er gefährdet damit letztlich die Funktionsfähigkeit unserer Demokratie.

„Der Staat ist verpflichtet, seine Bürger zu schützen. Die Bürger haben einen Anspruch auf Sicherheit“

Falsch. Mehr als angemessene Maßnahmen gegen Kriminalität können die Bürger vom Staat nicht verlangen.

Einen „Anspruch auf Sicherheit“ kann es schon deshalb nicht geben, weil kein Staat eine vollständige Sicherheit vor Straftaten gewährleisten kann. Selbst Polizeistaaten mit unbegrenzter Macht (z.B. die DDR) haben die Kriminalität nie beseitigen können. Umgekehrt gab es in solchen Staaten viel Korruption, Willkür und Staatskriminalität. Ein demokratischer Rechtsstaat geht entschlossen gegen Straftäter vor. Er erlegt sich zum Schutz Unschuldiger und zur Gewährleistung einer freiheitlichen Gesellschaft aber bewusst Grenzen und Fesseln auf. Gerade dies macht seinen Charakter und seine Stärke als Rechtsstaat aus.

„Ich habe nichts zu verbergen“

Siehe: Nichts zu verbergen?

Falsch. Jeder hat eine Intim- und Privatsphäre, die den Staat nichts angeht.

Wer von sich behauptet, nichts zu verbergen zu haben, muss sich fragen lassen, warum er seine Wohnung bekleidet verlässt oder die Toilettentür hinter sich schließt. Jeder hat einmal Erlebnisse gehabt, die niemanden etwas angehen und die er nicht der Gefahr eines Bekanntwerdens aussetzen möchte. Auch dass er sich noch nie etwas zuschulden kommen lassen hätte, kann wohl kaum jemand von sich behaupten. Noch nie schwarz gefahren? Noch nie beim Autoverkauf geflunkert (Betrug)? Immer alle Einnahmen in der Steuererklärung angegeben? Noch nie zu schnell gefahren? Wenn der Staat jemanden nur lange genug überwacht, wird er früher oder später immer ein Vergehen feststellen. Hinzu kommt: Selbst wer vollkommen unschuldig ist, hat handfeste Nachteile durch Überwachung und Datensammlung zu befürchten (siehe nächste Frage).

Sollte sich trotzdem jemand finden, der sein Leben in einem Big Brother-Container verbringen möchte, der kann dies gerne tun. Er soll anderen aber nicht vorwerfen, dass sie ihre Geheimnisse für sich behalten wollen.

Übrigens hat auch der Staat selbst etwas zu verbergen. Das nennt man „Staatsgeheimnisse“. Abgeordnete wehren sich gegen „zuviel“ Transparenz, wollen ihre Einkünfte nicht offen legen. Auch staatliche Überwachungsmaßnahmen selbst werden verborgen. Sie sollen vor den Überwachten geheim bleiben.

„Wer nichts zu verbergen hat, hat nichts zu befürchten“

Falsch. Unschuldige geraten immer wieder zu Unrecht in das Visier von Behörden.

Auch unschuldige Menschen müssen sich fragen lassen: „Wenn du nichts zu verbergen hast, kannst du davon auch den Polizisten oder den Einreisebeamten überzeugen?“ Auch wer unschuldig ist, muss zunehmend mit polizeilichen Maßnahmen rechnen. Oft ziehen schon ein falscher Verdacht, vermeintliche Risikofaktoren (z.B. „falsche“ Religion, „falsche“ Nationalität, „falscher“ Geburtsort, „falscher“ Name, „falsche“ Bücher gelesen, „falsche“ Meinung geäußert) oder unglückliche Umstände einschneidende Maßnahmen nach sich. In der Folge kann es zur Befragung von Nachbarn und Arbeitskollegen kommen, zur Observation, zu Wohnungsdurchsuchungen oder zur Festnahme. Derartige Maßnahmen können Vorverurteilungen im sozialen Umfeld und sogar Existenzvernichtungen zur Folge haben. Auch unberechtigte Aus- und Einreiseverweigerungen, Vermögensbeschlagnahmen, Grenzzurückweisungen wegen Namensverwechselungen bis hin zu Verschleppungen durch Geheimdienste und irrtümlichen Tötungen durch Polizei oder „Sky-Marshalls“ werden immer wieder bekannt. Beispiele solcher Fälle finden sich hier.

Überwachung und Datensammlung liefern eine Flut von Informationen, aus denen sich Unregelmäßigkeiten ablesen lassen oder ein Verdacht konstruieren lässt. Dann hilft es nicht, wenn man „nichts zu verbergen“ hat.

Außerdem: Wer „nichts zu verbergen“ hat, braucht auch nicht überwacht zu werden.

„Die Überwachung erfolgt ausschließlich zur Bekämpfung schwerer Straftaten“

Falsch. Ein Missbrauch zu anderen Zwecken kommt immer wieder vor.

Fälle wie die Journalistenbespitzelung durch den BND zeigen immer wieder, dass Sicherheitsgesetze missbraucht werden. Neben Journalisten haben auch staatskritische Aktivisten wie Globalisierungskritiker mit Missbrauch zu rechnen. Weil staatskritische Journalisten und Aktivisten zu unser aller Nutzen handeln, sollte uns ihre Freiheit nicht gleichgültig sein.

Das Bundesverfassungsgericht warnt: „Die Befürchtung einer Überwachung mit der Gefahr einer Aufzeichnung, späteren Auswertung, etwaigen Übermittlung und weiteren Verwendung durch andere Behörden kann schon im Vorfeld zu einer Befangenheit in der Kommunikation, zu Kommunikationsstörungen und zu Verhaltensanpassungen […] führen.“ Die ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Frau Prof. Dr. Limbach, wird noch deutlicher: „Eine demokratische politische Kultur lebt von der Meinungsfreude und dem Engagement der Bürger. Das setzt Furchtlosigkeit voraus. Diese dürfte allmählich verloren gehen, wenn der Staat seine Bürger biometrisch vermisst, datenmäßig durchrastert und seine Lebensregungen elektronisch verfolgt.“

Außerdem zeigt die Erfahrung, dass Zugriffsbeschränkungen mit der Zeit immer weiter aufgeweicht werden. Es finden sich immer mehr Behörden und immer mehr Fälle, in denen die Überwachungsmaßnahmen oder die gesammelten Daten nützlich sind. Schlussendlich wird die Überwachung oder Datenabfrage in allen Fällen erlaubt, in denen sie irgendwie einmal nützlich sein könnte.

„Überwachung ist nur ein geringfügiger, kaum merklicher Eingriff“

Falsch. Überwachung kann einschneidende Folgen für Betroffene haben, bis hin zur Existenzvernichtung.

Auch wenn die Überwachung selbst nicht weh tut – ihre Folgen können es durchaus. Wenn Überwachungsergebnisse den Verdacht der Behörden erregen, kann dies zur Befragung von Nachbarn und Arbeitskollegen führen, zu einer Observation, zu Wohnungsdurchsuchungen oder zur Festnahme. Auch unberechtigte Aus- und Einreiseverweigerungen, Vermögensbeschlagnahmen, Grenzzurückweisungen wegen Namensverwechselungen bis hin zu Verschleppungen durch Geheimdienste und irrtümlichen Tötungen durch Polizei oder „Sky-Mashalls“ sind Realität.

„Überwachung stärkt das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung“

Falsch. Symbolische Maßnahmen bilden kein Vertrauen.

Selbst wenn Überwachungsmaßnahmen kurzfristig populär sind, stärken sie das Sicherheitsgefühl letztlich nicht. Die Bürgerinnen und Bürger werden weiterhin spektakuläre Straftaten von den Medien präsentiert bekommen. Politischer Aktionismus ist auch kontraproduktiv, denn zur Durchsetzung neuer Gesetzesvorhaben werden Kriminalitätsängste meist geschürt. Um das Sicherheitsgefühl wirksam zu steigern, bieten sich andere Mittel an: Da das tatsächliche Ausmaß an Kriminalität verbreitet überschätzt wird, ist eine Aufklärung über das wahre Risiko sinnvoll. Auch bauliche Maßnahmen (z.B. bessere Beleuchtung) und ein besserer Kontakt zu Nachbarn und Polizei können hilfreich sein, um Kriminalitätsangst entgegenzuwirken.

„Datenschützer sind paranoid, ihre Schreckensszenarien sind übertriebe“

Falsch. Fehler und Missbrauch sind tägliche Realität. Einige Beispiele finden sich hier, wobei die bekannt gewordenen Fälle nur die Spitze des Eisbergs sein dürften.

„Wir werden sowieso schon bei allem überwacht, was wir tun“

Falsch. Wenn die totale Überwachung schon Realität wäre, dann würde die Politik nicht immer wieder neue Gesetze auf den Weg bringen, um sie auszuweiten.

Der internationalen Datenschutzorganisation Privacy International zufolge ist in Deutschland die Privatsphäre weltweit noch mit am besten geschützt. Diesen Schutz müssen wir verteidigen und die in den letzten Jahren verloren gegangene Freiheit zurückerobern.

„Man kann ja doch nichts daran ändern“

Falsch. Es gibt viele Möglichkeiten, sich gegen die Sicherheitsideologie einzusetzen. Einige Möglichkeiten finden sich hier.

Wenn eine Person aktiv wird, ändert das vielleicht noch nicht viel. Wenn sich aber viele Menschen engagieren, kann die Politik das auf Dauer nicht ignorieren. Politiker sind sehr sensibel für die Stimmung in ihrer Wählerschaft. Eine Liste von Bürgerrechtsorganisationen, in denen man sich engagieren kann, findet sich hier. Die Motive der Sicherheitsideologen

Die Motive der Sicherheitsideologen

In der Auseinandersetzung mit Sicherheitsideologen genügt es nicht, ihre Argumente in Frage zu stellen. Hinter den Argumenten stehen nämlich tiefer liegende Ziele. Bundespräsident Johannes Rau warnte 2004 zurecht: „Untergangsszenarien sollen mithelfen, bestimmte Ziele durchzusetzen und dafür Mehrheiten zu gewinnen.“ Hermann Göring wusste: „Das Volk kann mit oder ohne Stimmrecht immer dazu gebracht werden, den Befehlen der Führer zu folgen. Das ist ganz einfach. Man braucht nichts zu tun, als dem Volk zu sagen, es würde angegriffen, und den Pazifisten ihren Mangel an Patriotismus vorzuwerfen und zu behaupten, sie brächten das Land in Gefahr. Diese Methode funktioniert in jedem Land.“

Welche verdeckten Ziele verfolgen die Sicherheitsideologen? Wenn neue Sicherheitsgesetze auch nicht mehr Sicherheit bringen, so haben sie doch drei Wirkungen: Erstens sichern sie die Wiederwahl derjenigen, die Kriminelle mit Worten am gewaltigsten bekämpfen, zweitens bringen sie der Sicherheitsindustrie Geld ein, und drittens erweitern sie die Kontrolle der Regierung über die Bürger.

Machterhalt

Der erste Aspekt ist recht einfach zu erklären: In der öffentlichen Wahrnehmung steigt stets die Beliebtheit derjenigen, die eine tatsächliche oder vermeintliche Gefahr zu bekämpfen scheinen. Bei Naturkatastrophen lässt sich beobachten, dass die Beliebtheit der jeweiligen Amtsinhaber steigt, weil sie in der Krise Tatkraft und Kompetenz demonstrieren können. Auch wenn sich ein Land im Krieg befindet, schaart sich die Bevölkerung regelmäßig hinter ihre Anführer. Die Sicherheitsideologie ist für einige Politiker also ein Mittel, um ihre Popularität und Wiederwahl abzusichern.

Gewinnstreben

Zunehmend an Bedeutung gewinnt der zweite, wirtschaftliche Aspekt. Der unbegrenzte Durst nach mehr Sicherheit ist längst zu einer Milliardenindustrie geworden. Mit biometrischen Ausweisen, Telekommunikations-Überwachungsanlagen, RFID-Etiketten und Data Mining Software lassen sich Gewinne in einer Größenordnung realisieren, die Weltkonzerne wie EADS oder Siemens anlocken. Das Beispiel EADS zeigt, das ehemalige Rüstungskonzerne zunehmend auf das Geschäftsfeld „Homeland Security“ umsteigen. Während die Rüstung mit einem schlechten Image zu kämpfen hat und nach dem Ende des kalten Krieges an Bedeutung verliert, versprechen Sicherheitstechnologien potenziell unbegrenzte Gewinne. Westliche Konzerne haben auch keine Bedenken, ihre Überwachungsprodukte an Diktaturen und autoritäre Regimes auszuliefern und damit oppositionelle Demokraten in die Gefahr von Folter zu bringen.

Machtausbau

Die dritte Auswirkung der Sicherheitsideologie ist schwerer zu bemerken. Am deutlichsten zeigt sich in den Staaten Osteuropas und Asiens, wie politische Aktivisten und Demonstranten kurzerhand zu Terroristen erklärt und auf der Grundlage von Antiterrorgesetzen inhaftiert werden. Der Westen geht etwas subtiler vor und benutzt die Sicherheitsgesetze vor allem, um rechtmäßige Aktivitäten von Globalisierungsgegnern, Umweltaktivisten und politischen Parteien geheimdienstlich beobachten und polizeilich kontrollieren zu lassen. Für Betroffene kann dies Aus- und Einreiseverbote oder Verhöre zur Folge haben. Im sozialen Umfeld der Betroffenen können solche Maßnahmen zur Ausgrenzung und zu Vorverurteilungen führen, bis hin zum Verlust des Arbeitsplatzes und zur Existienzvernichtung.

Die Folgen von Überwachung und Sicherheitsaktionismus

Wenn neue Sicherheitsgesetze auch nicht mehr Sicherheit bringen, so haben sie doch schwerwiegende Folgen:

Sicherheitsaktionismus erzeugt ein Klima der Angst und Verunsicherung

Um schärfere Gesetze durchzusetzen und ihre angebliche Notwendigkeit zu begründen, müssen Bedrohungsszenarien aufgebaut und Kriminalitätsängste geschürt werden. Die dauernde Sicherheitsdebatte verunsichert die Menschen und schafft ein Klima des Misstrauens und der Furcht.

Sicherheitsaktionismus beeinträchtigt unsere Sicherheit

Irren ist menschlich, kann aber desaströse Folgen haben, wenn scharfe Sicherheitsgesetze zur Verfügung stehen. Schon ein falscher Verdacht oder ein irrtümlicher Eintrag auf einer „Gefährder“-Liste kann einschneidende Maßnahmen nach sich zu ziehen. Er kann zur Befragung von Nachbarn und Arbeitskollegen führen, zur Observation, zu Wohnungsdurchsuchungen oder zur Festnahme. Derartige Maßnahmen können Vorverurteilungen im sozialen Umfeld und sogar Existenzvernichtungen zur Folge haben. Auch unberechtigte Aus- und Einreiseverweigerungen, Vermögensbeschlagnahmen, Grenzzurückweisungen wegen Namensverwechselungen bis hin zu Verschleppungen durch Geheimdienste und irrtümlichen Tötungen durch Polizei oder „Sky-Marshalls“ werden immer wieder bekannt. Solche Fehlentscheidungen schaffen unwiederbringlich Unrecht.

Hinzu kommt das Risiko eines Missbrauchs von Sicherheitsgesetzen durch Polizeibeamte, staatliche Behörden oder Dritte. Eine Reihe von Vorfällen in der Vergangenheit (z.B. der BND-Skandal) hat gezeigt, dass ein Missbrauch von Sicherheitsgesetzen immer wieder vorkommt und eine notwendige Begleiterscheinung solcher Gesetze ist.

Die Gefahren von Sicherheitsaktionismus beschrieb der Richter am Bundesverfassungsgericht Prof. Dr. Hassemer so: „Sorgen machen mir auch aktuelle Entwicklungen, die auf den ersten Blick ganz disparat sind, auf den zweiten aber darin übereinkommen, dass sie zu früh die rechtsstaatliche Geduld verlieren, dass sie auf sofortiger, notfalls rücksichtsloser Problemlösung bestehen. Als Beispiele unter vielen greife ich die sog. Folter-Debatte und die aufkommende Unterscheidung von „Bürgerstrafrecht“ und „Feindstrafrecht“ heraus. Beide sind Kinder einer radikalen Option für Prävention. Wer bereit ist, dem Staat Folterinstrumente an die Hand zu geben, damit der in der Stunde der Not auf die Bedrohung wichtiger Rechtsgüter hilfreich antworten kann, urteilt kurzfristig und situativ. Er übersieht, dass seine Option langfristig Grenzen staatlichen Eingreifens zum Einsturz bringen wird, ohne die auch er nicht leben möchte; er weicht dem Schmerz des Augenblicks aus und setzt dafür die Zukunft des Rechtsstaats aufs Spiel. Wer unser Strafrecht mit seinen menschenrechtlichen Garantien, die aus der langen strafrechtlichen Tradition und der Verfassung stammen, relativierend „Bürgerstrafrecht“ nennt und dem ein „Feindstrafrecht“ gegenüberstellt, in dem die allermeisten dieser Garantien nicht mehr gelten, weil der „Feind“ sie nicht verdient, weil er nicht fehlsam, sondern gemeingefährlich ist, der gibt den zentralen Traum jeglichen Rechts vorzeitig auf und öffnet den Raum des Rechts der Willkür des Stärkeren. Der Traum des Rechts ist es, allen, die hier sind, einen Raum des Friedens herzustellen (auch wenn – und gerade weil – diese erfahrungsgemäß keineswegs alle und immer friedlich sind), sie alle als Bürger und als Personen zu behandeln und keine Unterschiede bei der Unantastbarkeit ihrer Menschenwürde zu machen. Ohne diesen Traum gibt es kein Recht.“

Langfristig dienen rechtsstaatliche Beschränkungen und die Achtung der Menschenrechte also der Sicherheit, denn exzessive Kontrolle und Repression erzeugt Unzufriedenheit und Widerstand.

Sicherheitsaktionismus lähmt die politische Handlungsfähigkeit und schadet damit der Gesellschaft

Wer die Furcht vor Kriminalität schürt, schafft ein Klima der Verunsicherung. Wenn die Menschen verunsichert sind, dann halten sie sich an das Bekannte und bringen den Mut für Reformen und Veränderungen nicht auf.

Sicherheitsaktionismus fördert Politikverdrossenheit, stärkt Extremisten und schadet damit der Demokratie

Neue Sicherheitsgesetze sind für Politiker zwar ein einfaches und billiges Mittel, um öffentlichkeitswirksam Tatkraft und Entschlossenheit zu demonstrieren. Wer aber Sicherheit durch immer neue Gesetze verspricht und trotzdem – zwangsläufig – Straftaten nicht verhindern kann, der verliert mittelfristig das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger und fördert die Politikverdrossenheit. Er gefährdet damit letztlich die Funktionsfähigkeit unserer Demokratie.

Bundespräsident Johannes Rau warnte zurecht: „Leichtfertige Prognosen, die irgendeinen Niedergang vorhersagen, wenn nicht sofort dies oder jenes geschieht, zerstören Vertrauen genauso wie Versprechen, von denen man wissen kann, dass sie nicht einzuhalten sind. Das geschieht trotz besseren Wissens immer wieder, und darum haben viele Menschen sich mittlerweile darauf eingestellt, vorsichtshalber erst einmal gar nichts mehr zu glauben. Diese Haltung führt über Politikverdrossenheit hinaus zur völligen Abkehr vom politischen Leben. Kein demokratischer Staat hält es auf Dauer aus, wenn sich immer stärker eine Haltung des ‚Wir da unten, die da oben‘ durchsetzt. Gewohnheitsmäßiges Misstrauen in die Politik untergräbt die Fundamente der Demokratie und ist ein riesengroßes Einfallstor für Populisten und schreckliche Vereinfacher aller Art. Die haben auf alles eine Antwort und für nichts eine Lösung.“

Wenn Sicherheitsgesetze immer maßlosere und radikalere Maßnahmen gegen potenzielle Störer und Kriminelle erlauben, wenn rechtsstaatliche Grenzen zum Schutz Unschuldiger immer weiter abgebaut werden, dann werden sich die Menschen zunehmend für das „Original“ entscheiden, für extremistische Parteien, die einen „Law and Order“-Staat versprechen. Sicherheitsaktionismus setzt die Zukunft der Demokratie aufs Spiel.

Überwachungs- und Sicherheitsgesetze beeinträchtigen die Möglichkeiten vertraulicher Beratung

Wer einer Straftat verdächtig ist, braucht dringend anwaltlichen Rat und Beratung. Wer drogenabhängig ist und einen Weg aus der Abhängigkeit sucht, ist auf die Hilfe von Beratungsstellen angewiesen. Die Hilfe von Eheberatern kann kriselnde Ehen retten. Wer nicht möchte, dass Kenntnisse von seinen Problemen in die falschen Hände geraten (z.B. Arbeitskollegen, Presse), wird die nötige Beratung nur unter Vorsichtsmaßnahmen oder gar nicht in Anspruch nehmen, wenn er mit einer Überwachung rechnet. Die Überwachung vertraulicher Beratung beeinträchtigt daher die Arbeit von Beratungsstellen und Beratern.

Überwachungs- und Sicherheitsgesetze beeinträchtigen die Arbeit politisch aktiver Personen und Organisationen und schaden damit der Gesellschaft

Gerade staatskritische Personen und Organisationen müssen damit rechnen, dass staatliche Stellen ihre Überwachungsbefugnisse ge- oder missbrauchen, um Kritik zu verhindern. Wer infolge von Überwachung mit Nachteilen rechnen muss, wird auf staatskritische Aktivitäten eher verzichten, obwohl diese in einer freiheitlichen Gesellschaft besonders wichtig sind.

Überwachungs- und Sicherheitsgesetze beeinträchtigen den investigativen Journalismus und schaden damit der Gesellschaft

Staatliche Missstände werden oft nur unter dem Druck der Öffentlichkeit entschieden angegangen. Um staatliche Missstände aufdecken zu können, sind Journalisten aber auf vertrauliche Quellen angewiesen, die ihnen entsprechende Informationen geben. Wenn Mitarbeiter von Behörden mit Überwachung rechnen müssen, werden sie zur Herausgabe kritischer Informationen an die Presse nicht bereit sein.

Überwachungs- und Sicherheitsgesetze beeinträchtigen Wirtschaftsverhandlungen und schaden damit der Gesellschaft

Die Überwachung von Geschäftskontakten leistet der Wirtschaftsspionage Vorschub und schadet damit der Wirtschaft.

Überwachungs- und Sicherheitsgesetze führen in den Polizeistaat

Sicherheitsideologen argumentieren stets von neuem, dass neue Sicherheitsgesetze schwerste Verbrechen verhindern könnten. Diese Sicherheitslogik kennt keine Grenzen. Letztlich bedeutet diese Konzeption, dass der Staat alles wissen und überwachen muss, um allen denkbaren Risiken in der Zukunft möglichst wirksam begegnen zu können. Weil sich das Risiko einer Straftat oder eines Schadens nie ganz ausschließen lässt, dem Leben vielmehr inhärent ist („allgemeines Lebensrisiko“), lassen sich aus dieser Sicherheitslogik potenziell unbegrenzte Befugnisse der Staatsmacht ableiten. Angesichts der Fülle von Untaten in aller Welt lässt sich beispielsweise jederzeit auf die Gefahr eines terroristischen Anschlags verweisen, um auf diese Weise einen permanenten Ausnahmezustand zu definieren, der die Grundrechte dauerhaft einschränkt oder außer Kraft setzt. Die Ausnahmeverordnung des Reichspräsidenten vom 28.02.1933 und ihre Folgen können insofern nicht als „Unglücksfall der Geschichte“ abgetan werden, sondern stellen auch heute noch ein mahnendes Beispiel dar.

Letztlich stellen die Sicherheitsideologen, -populisten und -demagogen das Ziel „Sicherheit“ über alles. Sie stellen es auch über das, was wir brauchen, um in Wohlstand und glücklich leben zu können: Freiheit für Menschen aller politischer Richtungen, Nationalitäten und Religionen, sowie das Vertrauen, diese Freiheit zum mutigen Vorwärtsschreiten in einer Welt der Veränderungen zu nutzen. Wer Unsicherheit und Angst predigt, lähmt die Handlungsfähigkeit. Wer Sicherheit verspricht und die Kriminalität doch nicht beseitigen kann, fördert die Politikverdrossenheit und stärkt Extremisten aller Couleur.

Der Terrorismus war zwar in den letzten Jahren das Hauptargument der Sicherheitsideologen, aber andere Anlässe werden folgen. Gemeinsam ist dieser Entwicklung, dass sie die westlichen Gesellschaften in etwas bisher Unbekanntes verändern wird: Sie führt zu einem demokratisch legitimierten Polizeistaat, der von einer unkontrollierten Elite mit Hilfe totaler, aber unaufdringlicher Überwachung gesteuert wird.

So sicher es ist, dass es in 20 Jahren noch zuviel Kriminalität geben wird, so unsicher ist es, ob von den Grundrechten und Grundfreiheiten noch etwas übrig geblieben sein wird. Es hat viel Blut und Elend gekostet, bis unsere Vorfahren den Weg zu einem freiheitlichen Rechtsstaat gefunden hatten. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben einen Staat begründet, der die Würde des Menschen und die Grundrechte achtete und auf diese Weise dem friedlichen Zusammenleben aller Menschen in Deutschland, Europa und der Welt diente. Es bleibt abzuwarten, wieviel von diesem Rechtsstaat des Grundgesetzes wir unseren Kindern erhalten werden.

Überwachung und Sicherheitsaktionismus Einhalt gebieten

Es gibt mehrere Wege, um dem Sicherheitsaktionismus Einhalt zu gebieten:

Den Menschen überzogene Kriminalitätsängste nehmen. Das Vertrauen der Menschen in ihre Sicherheit in einer freiheitlichen Gesellschaft stärken

Zum Wohl unserer Gesellschaft und für unser aller Wohlbefinden sollte jeder darüber aufgeklärt werden, wie groß sein Risiko tatsächlich ist, Opfer einer Straftat zu werden. Dieses Risiko sollte dann in Verhältnis gesetzt werden zu anderen Lebensrisiken wie Unfällen und Krankheit. Umfragen zeigen, dass die meisten Menschen die tatsächliche Kriminalitätsgefahr weit überschätzen. Eine Aufklärung über die wahren Zahlen kann Vertrauen stärken und Ängste nehmen. Angst und Verunsicherung sind Gift für unsere freiheitliche Gesellschaft. Die unglücksselige Wirkung der Furcht ist seit jeher bekannt, wie die folgenden Zitate zeigen:

  • Die ganze Welt ist voll armer Teufel, denen mehr oder weniger angst ist. Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)
  • Viele glauben nichts, aber fürchten alles. Christian Friedrich Hebbel (1813 – 1863), deutscher Dramatiker
  • Die Angst ist der Fluch des Menschen. Fjodor Michailowitsch Dostojewskij (1821 – 1881), russischer Romanautor
  • In dieser Welt gibt es immer Gefahren für die, die sich fürchten. George Bernard Shaw (1856 – 1950), anglo-irischer Dramatiker, Nobelpreis für Literatur 1925
  • Nichts geschieht ohne Risiko, aber ohne Risiko geschieht auch nichts. Walter Scheel, 4. Bundespräsident der BRD, davor Außenminister, gelernter Bankkaufmann, geb. 1919
  • Je weniger man fürchtet, desto kleiner wird man die Gefahr finden. Livius Titus (59 v. Chr. – 17 n. Chr.), römischer Geschichtsschreiber, in „Ab urbe condita“ (Von der Gründung der Stadt an)
  • Furcht tut nichts Gutes. Darum muss man frei und mutig in allen Dingen sein und feststehen. Martin Luther, (1483 – 1546), deutscher Theologe und Reformator
  • Alle Ängstlichkeit kommt vom Teufel. Der Mut und die Freundlichkeit ist von Gott. Novalis (1772 – 1801), eigentlich Georg Philipp Friedrich Leopold Freiherr von Hardenberg, deutscher Lyriker
  • Und setzet ihr nicht das Leben ein, nie wird euch das Leben gewonnen sein. Johann Christoph Friedrich von Schiller, (1759 – 1805), deutscher Dichter und Dramatiker, in „Wallenstein“

In seiner letzten Berliner Rede gab Bundespräsident Johannes Rau den Deutschen mit auf den Weg: „Wir müssen vor allem wieder Vertrauen in uns selber gewinnen. Wir müssen uns immer wieder selber klar machen und mehr darüber sprechen, dass es für uns Deutsche gute Gründe gibt, mit Zuversicht und Vertrauen in die Zukunft zu schauen.“

Bewusstsein der Menschen für den Wert und Nutzen der Freiheitsrechte, für die Überlegenheit einer freiheitlichen Gesellschaft stärken

Um mit den Worten der Bundeskanzlerin „mehr Freiheit wagen“ zu können, müssen wir den Wert der Freiheit in Erinnerung rufen. Als Alternative zum Hochsicherheits- und Präventionsstaat müssen wir den Traum des freiheitlichen Rechtsstaats neu präsentieren. Es gibt zuwenig Stolz auf die mühsamen Errungenschaften des freiheitlichen Rechtsstaats, zuwenig Bewusstsein seiner segensreichen Wirkungen.

Den Menschen überzogenes Vertrauen in die Möglichkeiten und Absichten des Staates und seiner Akteure nehmen

Blindes Vertrauen ist ein schlechter Ratgeber. Die Möglichkeiten und Absichten des Staates und seiner Akteure sind zuwenig bekannt. Bundespräsident Rau zeigte einen Ausweg auf: „Wir hätten schon viel gewonnen, wenn Prognosen und Voraussagen regelmäßig, nach einem Jahr, nach zwei oder fünf Jahren darauf überprüft werden, was sie wirklich wert waren. Schon das könnte eine heilsame Wirkung haben. Dann könnte man sogar aus Fehlprognosen lernen.“

Rau kritisierte die Politik für „leichtfertige Prognosen, die irgendeinen Niedergang vorhersagen, wenn nicht sofort dies oder jenes geschieht“ und für „Versprechen, von denen man wissen kann, dass sie nicht einzuhalten sind“. Wenn uns bewusst ist, dass beides immer wieder passiert, werden wir dem Staat nicht mit blindem Vertrauen, sondern mit einem gesunden Maß an Realitätssinn begegnen und den folgenden Rat beherzigen:

Diejenigen, die bereit sind grundlegende Freiheiten aufzugeben, um sich vorübergehend ein wenig Sicherheit zu erkaufen, verdienen weder Freiheit noch Sicherheit. (Benjamin Franklin (1706 – 1790), US-amerikanischer Politiker, Naturwissenschaftler, Erfinder und Schriftsteller)


Quelle: www.daten-speicherung.de