Ortsgruppen/Hannover/Drohnen drohen
Quadrocopter der Polizei Niedersachsen
Anschaffung
Erstmals im September 2008 erfuhr die allgemeine Öffentlichkeit davon, dass der Innenminister Uwe Schünemann (CDU) für die Anschaffung einer Drohne gesorgt hat und "plant, noch weitere Drohnen anzuschaffen."
Das Gerät hat 47.000 Euro in der Anschaffung gekostet, es handelt sich um eine Quadrocopter-Drohne des Typs md4-200 des Herstellers microdrones aus Siegen. Sie kann zur Videobildaufnahme ausgerüstet werden.
Zum Zeitpunkt des Erwerbs gab es keinerlei rechtliche Einsatzgrundlage. So durfte die Drohne die ersten Jahre nur auf dem Gelände der Polizei getestet werden. Aus diesem Grund war immer wieder vom "Spielzeug des Herrn Schünemann" die Rede, mit dem nicht mit Luftfahrtsbehörden oder Datenschutzbeauftragten abgesprochenen Kauf sollten Fakten geschaffen werden.
Technische Daten
Mit konkreten Angaben hält sich die Polizei in Niedersachsen sehr zurück, die folgenden Angaben sind den Informationsseiten von microdrones entnommen und können nicht mehr als Anhaltspunkte bieten:
- Technische Flughöhe bis 150m
- Technische Reichweite bis 2000m
- Flugzeit: 18 Minuten laut aktuellem Produktprospekt)
- "Regenfest"
- Einsatzfähig angeblich zwischen -20° .. +50°C
- Ausrüstung mit Pentax Optio A40. Dieses Modell war zumindest zum Zeitpunkt des Kaufes auf den Seiten von microdrones als Option genannt.
- 12-MP-Kamera
- 3fach optischer Zoom
- 6fach digitaler Zoom
- Während eine Pentax laut aktuellem (Aug.2012) Prospekt für Einzelaufnahmen empfohlen wird (dort wird nun aber eine 14-MP-Auflösung erwähnt!), ist bei Videoaufzeichnungen allgemein von einer Lumix-Kamera die Rede, der Prospekt bildet neben der Pentax auch eine Tageslichtkamera, eine Dämmerungskameras und eine IR-Kamera für Wärmebildaufnahmen ab.
- Bilder und Videodaten werden in Echtzeit übertragen.
- "Verwackelungsfreie" Bilder sollen bis zu einer Windgeschwindigkeit von 4m/s möglich sein.
Das Unternehmen "microdrones GmbH"
- Unternehmenssitz: Siegen
- 25 Mitarbeiter in Deutschland
- Gegründet im Oktober 2005
- Selbst gegebene "Werte und Grundsätze: Vertrauensvoll handeln, Ergebnisse verbessern, gemeinsam (mehr) erreichen, Beziehungen leben" o_O
- Mehr als 800 verkaufte Drohnen md4-200 und 250 Stück des neueren Modells md4-1000 (Stand August 2012)
- Arbeiten an weiteren Projekten zum Schwarmeinsatz von Drohnen und zur erweiterten Überwachung.
microdrones in China
Microdrones scheut sich nicht, den chinesischen Sicherheitsbehörden in die Hand zu spielen. Auszug aus einer Pressemeldung vom 29.6.2012:
- Chinesische Eliteeinheiten setzen auf deutsche Flug-Technik
- Sie gehören zu den am Besten ausgebildeten und ausgerüsteten Eliteeinheiten im Reich der Mitte: die Chinese Armed Police Forces (CAPF). Jetzt hat sich der General der CAPF hochpersönlich auf den langen Weg ins nordrhein-westfälische Siegen gemacht, um Ingenieur Udo Juerss, CTO der microdrones GmbH, das goldene Ehrenzeichen der CAPF zu überreichen. Der General und seine 12-köpfige Delegation von hochdekorierten Polizeibeamten bedanken sich mit den Worten: “The microdrones are playing a more and more important role in our different operations, and have done a good job in aerial monitoring, reconnaissance and photographing.”
- (...)
- Bereits auf dem 1st International Roundtable Police-Workshop 2012 im April dieses Jahres hatte die CAPF Filme und Vorträge ihrer erfolgreichen Einsätze und Trainingsmethoden präsentiert. Im Fokus dabei standen die Produkte von microdrones, die während einer langen Testphase und bei etlichen realen Einsätzen ihre Effektivität und Zuverlässigkeit unter Beweis gestellt hatten. Bei Beobachtungsmissionen und anspruchsvollen Search & Rescue Operationen in unzugänglichem Gelände überzeugten die microdrones die chinesische Elite-Polizei. Daher kommen sie nun in der gesamten Volksrepublik China zum Einsatz.
Man mag sich nicht vorstellen, was die "chinesische Elite-Polizei" unter "different operations" versteht ... Dass es sich dabei nur um "anspruchsvolle Search & Rescue Operationen" im Sinne des Katastrophenschutzes handelt, glaubt nur noch der Weihnachtsmann.
Drohneneinsätze
6.-9.11.2010 - Castor-Proteste im Wendland
Erstmalig, überraschend und ohne vorherige Ankündigung wurde die Quadrocopter-Drohne der niedersächsischen Polizei während der Castor-Proteste vom 6. bis zum 9. November 2010 eingesetzt.
Dieses wurde allerdings erst durch die Veröffentlichung von Zeugenaussagen am 16. November 2010 und aufgrund entsprechender Nachfragen durch Journalisten und Politiker bekannt. Und das alles, nachdem der zuständige Einsatzleiter den Einsatz des Geräts zunächst bestritten worden ist ...
Die Drohne wurde angeblich viermal eingesetzt, mindestens einmal im Ort Laase und mindestens einmal an der Elbe, wo ein Greenpeace-Schiff geankert hatte. Erst hieß es, dass nur "Erprobungsflüge" vorgenommen worden wären, später gab man zu, dass es um "Aufklärung und Dokumentation" ging...
Vom niedersächsischen Landesdatenschutzamt hieß es:
"(...) die Mini-Drohne ist auch für den Echtbetrieb bestimmt. Bis zum diesjährigen Castor-Transport wurden aber nur Testflüge durchgeführt. Nach hiesigen Unterlagen darf der Einsatz u. a. nur unter folgenden Voraussetzungen stattfinden:
- direkter Sichtkontakt des Luftfahrzeugführers zur Drohne
- maximale Flughöhe von 100 m
- grundsätzlicher Einsatz nur über dünn besiedelten Gebiet
- kein Überfliegen von Personen oder Menschenmengen (Ausnahme § 30 LuftVG)
Ab einer Flughöhe von 7 m sollen keine personenbezogenen oder -beziehbare Daten mehr erhoben werden können. Also kann es nach polizeilicher Darstellung nur Übersichtsaufnahmen geben. Die bisher bekannten Presseartikel erwecken allerdings einen anderen Eindruck. Die gesetzlich vorgeschriebenen Dokumente "Vorabkontrolle" und "Verfahrensbeschreibung" wurden nach unserer Intervention im April 2010 erstellt. Die o. a. Angaben sind diesen Dokumenten entnommen. (...)"
An diese Dokumente ist leider kein Herankommen. Gemäß § 8a NDSG haben wir kein Recht auf Ineinsichtnahme der "Verfahrensbeschreibungen der Polizei".
4.8.2012 - Demonstration von Rechten und Rechtsextremen sowie Gegenproteste in Bad Nenndorf
Dieses Demonstrationsgemenge war weit im Vorfeld bekannt und die Polizei-Drohne führte bereits einige Tage zuvor mindestens einen Probeflug ab.
Über diesen Probeeinsatz wurde in den lokalen Zeitungen genauso berichtet wie der Einsatz der Drohne im Vorfeld öffentlich angekündigt wurde.
Von größeren Protesten (seiten der Parteien oder von "uns") ist nichts bekannt - sei es aus Gleichgültigkeit, sei es mangels Wissen. Das sei hier mal selbstkritisch angemerkt.
Erst nach dem 4. August 2012 brandete Protest auf, auch, weil von zum Teil verdeckten, anderen Überwachungsmaßnahmen berichtet worden ist.
Die Landtagsfraktionen von der "Grünen" und "Linken" wollen den Drohneneinsatz zum Thema im Landtag machen.
Der AK Vorrat Hannover hat der Polizeidirektion am 7.8.2012 einen offenen Brief mit 20 Fragen gestellt, darunter auch zum Drohneneinsatz.
Diesem Brief folgten Antworten der PD Hannover und PD Göttingen mit weiteren offenen Briefen unsererseits. Der weitere Verlauf dieser Diskussion, in der es zu Teilen auch um Fragen des Drohneneinsatzes geht, findet sich auf einer eigenen Wiki-Themenseite zu den Vorfällen des 4. August 2012 in aller Ausführlichkeit.
Pressemeldungen
In chronologischer Reihenfolge:
- 15.1.2008, heise.de, Geschäft mit Überwachungs-Flugdrohnen boomt
- 15.2.2008, heise.de, Sächsische Polizei testet fliegendes Auge für die Beweissicherung
- 26.3.2010, taz, Kleiner Spion im Testflug
- 17.11.2010, taz, Volle Drohnung gegen Demonstranten
- 17.11.2010, taz, Rechtslage bei Drohneneinsatz - Videos aus der Luft
- 18.11.2010, taz, Gerangel um Drohnen geht weiter
- 24.11.2010, heise.de, Sachsen kauft fliegendes Auge für die Beweissicherung
- 16.2.2011, telepolis, Mehr Polizeidrohnen im Anflug
- 23.12.2011 heise: Bekanntwerden der beabsichtigten Änderung des deutschen Luftverkehrsgesetzes zum Einsatz großer Drohnen in Deutschland
- 8.8.2012 Neues Deutschland: Drohnenflug mit Nachspiel
- 19.10.2012 DLF: Das fliegende Auge des Staates (hier zeitweise auch als mp3-Datei)
Aktionen
Drohnen-Kampagne
Wir haben die Drohnen-Kampagne und deren Appell "Keine Kampfdrohnen!" mitbegründet und sind froh darüber, zusammen mit anderen folgende Präambel des Appells implementiert zu haben:
"Wir sind gegen die Etablierung einer Drohnentechnologie zur Kriegsführung, Überwachung und Unterdrückung."
Man kann den Appell online und offline unterstützen.
Eurohawk-Schattenriss
Diese Aktionsidee und ihre Umsetzung war nur mit Hilfe des Friedensbüros Hannover möglich - Danke!
Ideenklau
Alles angeregt von einer Idee des britischen Künstlers James Bridle, siehe hier und hier. (Homepage der Drone-Shadows-Aktionen von James Bridle)
Making of
Auf dem Kröpcke, 30.3.2013
Auf dem Ostermarsch Hannover:
Auf dem Raschplatz, 31.5.2013
Viel Erfolg und Spaß mit dem Eurohabicht und einem Megaphon á la "Everything is okay". :)
Materialien, Links
Materialien des nds. Landtags
In chronologischer Reihenfolge:
- Protokoll der 71. Landtagssitzung - 30.4.2010 - Ist der Einsatz der Überwachungsdrohne rechtmäßig? Antwort des Ministeriums für Inneres und Sport auf die Frage 4 der Abg. Pia-Beate Zimmermann (LINKE)
- DS 16/2930 - 12.10.2010 - Was macht Minister Schünemanns Minidrohne? - Kleine Anfrage des Abgeordneten Klaus-Peter Bachmann (SPD)
- Protokoll der 92. Landtagssitzung - 9.12.2010 - Wie wird gewährleistet, dass beim Einsatz von Drohnen während des Castortransports keine personenbezogenen Daten erhoben werden? Antwort des Ministeriums für Inneres und Sport auf die Frage 27 des Abg. Patrick-Marc Humke-Focks (LINKE)
- DS 16/3592 - 13.5.2012 - Transport eines Castorbehälters mit hoch radioaktivem Müll in das Zwischenlager Gorleben: Bilanz 2010 - Große Anfrage der Fraktion Bündnis90/Die Grünen
- DS 16/5259 - 8.10.2012 - Drohnen in Niedersachsen - Kleine Anfrage der Abgeordneten Meta Janssen-Kucz (GRÜNE)
Links
- Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zum Thema "Ausmaß von staatlicher und privater Videoüberwachung
- AK-Vorrat-Wiki-Seite zu Drohnen
- Informationsseite zu den Protesten am 4.8.2012 in Bad Nenndorf (mit Drohne) und in Hannover und den anschließenden Schriftwechsel mit den Polizeidirektionen Hannover und Göttingen.