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Aus Freiheit statt Angst!

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Versuch eines Blicks auf die Szene des überwachten Fußballs in Hannover

Inhaltsverzeichnis

Wie alles begann

Ende 2011 gab es eine Pressemeldung des Niedersächsischen Innenmministeriums aufgrund einer im Landtag stattgefundenen "Fragestunde". Die Nachricht vermeldete nicht nur, dass der Innenminister Schünemann mehr Videokameras in Hannovers Niedersachsenstadion (neudeutsch: "AWD-Arena") haben und durchsetzen wolle, nein - sie verwies auch auf Äußerungen des CDU-Politikers vom 11. November 2011. Demnach unterstrich der Minister "die Wichtigkeit einer „verbesserten Videotechnik", da „die Technik mittlerweile veraltet" und eine personengenaue Identifikation nicht möglich sei."

Interessant, dachten wir uns ...

Bestandsaufnahme durch Rückfragen

Nachdem über den üblichen Weg (Recherchen im Internet und vor Ort) keine genaueren Informationen über Umfang, Zweck und Sinn von Videoüberwachungsanlagen in Stadion in Erfahrung zu bringen waren, haben wir wie üblich den Weg der offenen Briefe beschritten.

27.1.2012 - Erster Brief an die Polizeidirektion Hannover

In diesem Brief stellten wir u.a. Fragen zu Anzahl und Art der Kameras, Rechtsgrundlagen und den geplanten Modernisierungen gestellt.

4.4.2012 - Antwort auf den ersten Brief and die Polizeidirektion Hannover

Die nach mehrmaligen Rückfragen und über zwei Monaten Wartezeit uns erreichende Antworten waren selbstverständlich nicht vollständig, aber brachten immerhin folgende grundlegenden Informationen zutage:

  • Derzeit insgesamt 23 Kameras in der "AWD-Arena"
  • Zusammenarbeit zwischen PD Hannover und der AWD-Arena mit Bilddatenübertragung schon seit 2005!
  • Keine Transparenz hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der dortigen Anlagen bzw. ob und inwieweit sie der Identifizierung dienen. Das widerspricht den Prinzipien, die mit der Überwachung öffentlicher oder halböffentlicher Räume einhergehen. Dort sollten die evtl. davon betroffenen darüber informiert sein, ob und mit welcher Eingriffstiefe sie von Videoüberwachung betroffen sind (Übersichtsaufnahmen oder Bildaufnahmen, die eine Personenidentifizierung zulassen). Der argumentative Rückzug auf "keine Auskunft aus einsatztaktischen Gründen" darf hier nicht zählen.)
  • Mit Berufung auf das "nationale Konzept Sport und Sicherheit": die AWD-Arena zahlt alle Kosten der Videoüberwachungsanlagen!
  • Es gibt in der AWD-Arena einen eigens für die PD Hannover eingerichteten Überwachungsraum.
  • Die PD Hannover begründet die Maßnahmen ein wenig schwammig mit der vorgeblichen "Gefährdungslage durch den internationalen islamistischen Terrorismus" während der WM 2006, scheint die damals eingeführten Praktiken aber über die WM hinaus einfach fortzuführen, ohne ein (weiteres?) Bestehen einer Rechtsgrundlage überprüft zu haben.
  • Keine konkreten aussagen über beschaffungs- und investitionskosten (angeblich nicht möglich).
  • Keine Nennung einer Rechtsgrundlage über den umstritenen § 32 Nds SOG hinaus für die Übertragung der Bilddaten von privat betriebenen Videoüberwachungsanlagen an die PD Hannover.
  • Interessant wäre die genauere Betrachtung der Passwort-Sicherung polizeilicher Daten auf einem Computer im Stadion, auf den außerhalb der "Einsatzzeiten" wohl auch der private Stadion-Betreiber Zugriff zu haben scheint.
  • Keine Mitteilung von Informationen über die von Herrn Schünemann angekündigte Modernisierung der Stadion-Überwachungsanlagen.

16.4.2012 - Zweiter Brief an die Polizeidirektion Hannover

In etwas schnellerer Reaktionszeit haben wir uns zu einem weiteren Brief mit neuen Fragen entschlossen.

Wieder geht es darin um Fragen zu den Kameras: Unter welcher genauen Rechtsgrundlage, warum ohne Kennzeichnung, mit oder ohne Fähigkeit zu identifizieren und vor allem, ob denn jeder Fußballfan sich einer zwangsläufigen Videoüberwachung unterziehen lassen müsse.

6.6.2012 - Brief an den Präsidenten von Hannover 96, Herrn Kind

Noch während wir geduldig auf die Antwort der Polizei warteten, warteten die konservativen Innenminister unseres Landes (anlässlich einer Innenministerkonferenz) und auch der Präsident von Hannover 96 mit neuen, weitergehenden Forderungen auf.

So verlangten die Hardliner-Minister doch tatsächlich, dass man alle Besucher von Fußballspielen dazu zwingen wolle, vor dem Besuch einen Gesichtsscanner zu durchlaufen, auf dass deren Tun und Lassen während ihres Aufenthaltes beim Fußballspiel identifizerbar und nachverfolgbar werde! (sic!) Und auch der 96-Chef Martin Kind ließ sich von der Überwachungseuphorie dazu hinreissen, eine intensivere Videoüberwachung in Hannover zu installieren. Man sprach von "Problemfans" und hat damit einen sinnhaften Zusammenhang zum "Problembären" des Herrn Stoiber hergestellt. Letzterer wurde damals abgeschossen.

Grund genug für uns, Herrn Kind einen besorgten Brief mit acht Fragen zu stellen:

  1. Welche Bereiche des Fußballstadions sollen in Zukunft derart videoüberwacht werden, so dass eine personelle Identifizierung der Stadionbesucher unter Umständen vorgenommen werden kann?
  2. Wie viele Kameras sollen das Niedersachsenstadion den derzeitigen Planungen nach überwachen?
  3. In welchem Umfang sollen die Kameras mit Aufzeichnungstechnik versehen werden und in welcher Form werden die in diesem Fall notwendigen Löschungsfristen ausgeführt werden?
  4. Welche Möglichkeit werden Sie Fußballfans anbieten, die zwar die Bundesligaspiele von Hannover 96 besuchen wollen, sich auf der anderen Seite allerdings keiner Videoüberwachung aussetzen wollen?
  5. Wie hoch sind die Kosten für die derzeit geplanten Aufrüstungsmaßnahmen der Videoüberwachung im Niedersachsenstadion?
  6. Von wem werden die derzeitigen und die anstehenden Kosten der Beschaffung und Instandhaltung der Videoüberwachungsanlagen im Niedersachsenstation getragen?
  7. Welche Haltung nehmen Sie zu der jüngst von einigen Innenministern geäußerten Forderung ein, wonach sich alle Besucher eines Fußballspiels einem vorherigen "Gesichtsscans" zu unterziehen haben sollten? - Für den Fall, dass Sie Ihre weitere Ankündigung ausschließlich "personifizierte Sitzplätze" beim Besuch der Hannover-96-Spiele zuzulassen, ernst gemeint haben und gegebenenfalls umzusetzen planen:
  8. Wie bewerten Sie ganz grundsätzlich die Bedeutung der Möglichkeit anonymen Handelns für unsere Gesellschaft und die sie bildenden Menschen?

12.6.2012 - Post zum zweiten Brief, von der Polizeidirektion Hannover

Zwischenzeitlich gab es Post von der Polizei Hannover, dieses mal knapp zwei Monate nach Anfrage.

Die Antworten sind sparsam und zurückhaltend. Vielleicht (das ist allerdings nur eine bösartige Vermutung) lag es daran, dass wir nur wenige Tage zuvor im Rahmen unserer Aktionstage gegen Videoüberwachung unter anderem eine 80-Seiten-Dokumentation veröffentlicht hatten, in der wir u.a. auch an der Polizeidirektion Hannover und ihrer Einstellung zur Videoüberwachung Kritik geübt hatten ... ?

Doch wie auch immer - hier die Antwortensubstanz in Kurzform:

  • Man möchte uns nicht mitteilen, wo sich die Kameras im Stadion befinden.
  • Eine Kennzeichnung der Kameras gibt es derzeit nicht, wird aber bald erfolgen [Anmerkung: Die Anlagen sind also derzeit ohne die Hinweise rechtswidrig.]
  • Jeder der 23 derzeitigen Kameras erlaube unter entsprechenden Bedingungen die Identifizierung der damit erfassten Menschen.
  • Jeder Fußballfan, der das Niedersachsenstadion besucht, muss sich zwangsläufig der Überwachung aussetzen. Ausnahmen gäbe es nicht.

14.6.2012 - "Antwort" von Herrn Kind

Mindestens genau so unspannend erwies sich die Rückmeldung (Antwort mögen wir es nicht unbedingt nennen) von Herrn Kind auf unsere acht Fragen.

Aufgrund der übersichtlichen Reaktion können wir hier die Antwort in aller Fülle wiedergeben:

  1. Die "Erweiterung" der Videoanlage in der AWD-Arena ist geplant, allerdings noch nicht umgesetzt.
  2. Die zu überwachenden Bereiche sind aktuell noch nicht endgültig definiert.
  3. Die Auswertung des Bildmaterials wird ausschließlich durch die Polizei erfolgen. Datenschutzanforderungen werden beachtet.
  4. Die Finanzierung erfolgt durch Hannover 96.

Damit bleiben sieben von acht Fragen unbeantwortet.

Ein eindeutiges Signal, was die Bereitschaft zu Transparenz und Dialog betrifft.

Selbstorganisation der Fans von Hannover 96

Im März 2012 haben von Überwachung besonders betroffene Fans von Hannover 96 das Selbsthilfeprojekt "Fanhilfe Hannover" gegründet.

Auszug aus der Selbstdarstellung der Gruppe:

"Immer wieder geraten Fans rund um Fußballspiele in Situationen, die im Nachgang einer juristischen Aufarbeitung bedürfen. Nicht selten fehlt es den Betroffenen aber an finanziellen Mitteln, um feststellen zu lassen, dass sie nicht nur Recht haben, sondern um viel mehr auch sicherzustellen, dass sie dieses auch bekommen. Die Fanhilfe hat sich zum Ziel gesetzt, sich dieser Herausforderung anzunehmen. Die Idee einer Fanhilfe bestand bereits seit einigen Jahren und wurde in einem Kreis von ungefähr 50 organisierten Personen der aktiven Fanszene gelebt. Zahlreiche unrechtmäßige Präventivmaßnahmen und Stadionverbote konnten bereits in dieser kurzen Zeit mit unserem Rechtsbeistand aufgehoben werden. Teilweise haarsträubende Details über den Umgang mit sensiblen Daten von unschuldigen Fans und daraus resultierende Maßnahmen kamen durch die intensive Aufarbeitung mit unserem Rechtsanwalt dabei ans Tageslicht. Relativ schnell verfestigte sich dabei der Gedanke, dieses bewährte Modell auch massenkompatibel für alle Fans in der Fanszene zugänglich zu machen."

Blick über den Tellerrand

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